URI: 
       # taz.de -- Rot-rote Koalitionschancen im Saarland: Der Schulz-Express im Kriechgang
       
       > Die SPD gibt weiterhin keiner Koalitionsoption den Vorzug. Die Linke
       > dagegen verlangt eine eindeutige Aussage.
       
   IMG Bild: Füreinander geschaffen? Saarländer SPD-Kandidatin Anke Rehling mit Oskar Lafontaine
       
       Berlin/Saarbrücken taz | Am Tag danach sind Durchhalteparolen angesagt.
       „Wir schauen nach vorne“, sagt Martin Schulz am Montagmorgen im Berliner
       Willy-Brandt-Haus. Seine Partei gehe „weiter mit großer Zuversicht in die
       nächsten Wochen“, verkündet der neue SPD-Vorsitzende. „Wir haben noch einen
       richtig guten, langen Atem.“
       
       Die erste Wahl nach der Inthronisierung zum Kanzlerkandidaten ist für
       Schulz auch gleich die erste, bei der er eine Niederlage kommentieren muss.
       Die Wahl im Saarland habe zwar „nicht das Ergebnis gebracht, das wir uns
       gewünscht haben“, räumt der sozialdemokratische Hoffnungsträger ein. Aber:
       „Wir haben in den letzten Wochen zugelegt, auch im Saarland.“
       
       So kann man das sehen. So hatte es auch sein Vorgänger Sigmar Gabriel stets
       gesehen, wenn er auf noch miesere Umfragewerte verwies, um eine
       Wahlschlappe zu relativieren. Tatsache ist: Mit 29,6 Prozent hat die SPD
       ihr zweitschlechtestes Wahlergebnis im Saarland seit dem Anschluss an die
       Bundesrepublik 1957 erzielt. Der „Schulz-Zug“ ist zwar noch nicht
       entgleist, aber hat die ersten Getriebeprobleme – trotz eines, laut Schulz,
       „wunderbaren und engagierten Wahlkampfs“ der Saar-SPD und ihrer Frontfrau
       Anke Rehlinger. Woran liegt’s?
       
       Die Wahl im Saarland sei eine sehr spezielle gewesen, heißt es aus dem
       Willy-Brandt-Haus. Eine derartig starke Linkspartei wäre im Westen ebenso
       einzigartig wie der Umstand, dass es weder Grüne noch FDP ins Parlament
       schaffen. Das würde in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen schon
       ganz anders aussehen. Wie auch im Bund seien die möglichen
       Regierungsvarianten für die SPD in diesen beiden Ländern größer – was einer
       Schreckenskampagne der Union auf „Rote-Socken“-Niveau Angriffsfläche nähme.
       Deswegen gäbe es auch keinen Grund für irgendeine Ausschließeritis. Die
       „besondere Situation“ der Linkspartei Oskar Lafontaines im Saarland sei
       nicht übertragbar, sagte Martin Schulz: „Rückschlüsse auf die gesamte
       Republik zu ziehen wäre falsch.“
       
       So sieht es auch Ralf Stegner. „Eine Alternative Rot-Rot oder Große
       Koalition wird es in keinem anderen Land geben“, sagte der SPD-Vize. Die
       SPD werde sich auch weiterhin alle Optionen – mit Ausnahme einer
       Zusammenarbeit mit der AfD – offen halten, aber ausschließlich Werbung für
       die eigene Politik machen. „Es wäre schön blöd, jetzt einen
       Koalitionswahlkampf zu führen. Das nütze nur anderen Parteien“, ist er
       überzeugt. „Die SPD ist klug beraten, für die eigenen Inhalte zu kämpfen.“
       
       Ohne Partner und Inhalte 
       
       Oskar Lafontaine sieht das erwartungsgemäß ganz anders. Vor der
       Landespressekonferenz in Saarbrücken attackiert der saarländische
       Linkspartei-Spitzenkandidat und Ex-SPD-Vorsitzende seine alten GenossInnen.
       „Eine Strategie, die darauf verzichtet, Partner und Inhalte zu benennen,
       kann nicht erfolgreich sein“, sagt Lafontaine im Hinblick auf die fehlende
       Koalitionsaussage der SPD im Saarland wie auf Bundesebene. Außerdem habe
       sie „darauf verzichtet, sich fünf Jahre lang einen Ministerpräsidentenbonus
       zu erarbeiten“, kritisiert er. Die Saar-SPD hatte 2012 eine – rechnerisch
       machbare – Koalition mit der Linkspartei ausgeschlagen.
       
       SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger will davon allerdings nichts wissen:
       „Wir haben uns 2012 zurecht entschieden, in die Große Koalition zu gehen“,
       sagt sie in Berlin. Gleichwohl räumt sie ein, dass der Amtsbonus der
       christdemokratischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer „eine
       durchaus große Rolle gespielt“ habe.
       
       Nun hofft nicht nur sie, dass es auch bei den Wahlen im Mai jeweils wieder
       einen stark wirkenden Amtsbonus wie im Saarland gibt – dann allerdings für
       die beiden sozialdemokratischen MinisterpräsidentInnen Torsten Albig und
       Hannelore Kraft. Dass bei der Bundestagswahl im September auch
       Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Amtsbonus haben könnte, bezweifeln
       Spitzengenossen wortreich.
       
       Die Linkspartei-Vorsitzende Katja Kipping zieht eine andere Lehre aus dem
       Wahlausgang. „Für eine Gerechtigkeitswende muss man konkret werden und
       nicht im Ungefähren verharren“, sagt sie am Montag in der
       Bundespressekonferenz. Schulz müsse „jetzt konkret sagen, was er will und
       mit wem er es umsetzen will“.
       
       Einen Grund, die eigene Wahlkampfstrategie zu überdenken, sieht die
       Linkspartei nicht – trotz des Verlustes von mehr als drei Prozentpunkten
       und rund 9.000 WählerInnen. „Wir haben ein gutes zweistelliges Ergebnis“,
       lautet die Sprachregelung. Die Linkspartei werde weiterhin zunächst einmal
       auf einen eigenständigen Wahlkampf setzen, sagte Kippings Co-Vorsitzender
       Bernd Riexinger. „Wir werden nicht stalkingmäßig SPD und Grünen
       hinterherlaufen.“
       
       27 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
   DIR Anna Lehmann
   DIR Martin Reeh
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Landtagswahlen
   DIR Saarland
   DIR SPD
   DIR Koalition
   DIR Oskar Lafontaine
   DIR Martin Schulz
   DIR Kanzlerkandidatur
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR Schwerpunkt AfD
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
   DIR Geht's noch?
   DIR Große Koalition
   DIR Große Koalition
   DIR Saarland
   DIR Saarland
   DIR Grüne
   DIR Schwerpunkt Landtagswahlen
   DIR Saarland
   DIR Saarland
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Martin Schulz hat ein Buch geschrieben: Was ihm so wichtig ist
       
       Mit einer Buchpräsentation im Berliner Ensemble versucht der
       SPD-Kanzlerkandidat wieder Schwung für seinen Wahlkampf zu bekommen.
       
   DIR Zehn Jahre Die Linke: Harmonie statt Sozialismus
       
       Bei der Linkspartei herrscht Harmoniesucht. Damit die beiden Parteiflügel
       nicht wieder auseinanderdriften, werden Grundsatzthemen vermieden.
       
   DIR CDU-Parteitag in Mecklenburg-Vorpommern: Gääääähn
       
       Die CDU bedauert ihre Wahlschlappe im September und gibt Merkel die Schuld.
       Als sie ans Mikro tritt, beginnen die Kollegen gelangweilt ein Schwätzchen.
       
   DIR Debatte Wahlkampf 2017: Tipps für Herrn Sch.
       
       Das Programm für alle, die „auf Sieg spielen“ oder exklusive Fake News?
       Eine Dokumentation der neuen SPD-Wahlkampftaktik.
       
   DIR Kolumne Geht's noch: Der Schulzzug fährt
       
       Die Euphorie für Martin Schulz scheint grenzenlos. Und plötzlich sprechen
       alle vom „Schulzzug“. Doch was soll das eigentlich bedeuten?
       
   DIR Martin Schulz trifft Angela Merkel: Koalitionsgipfel wider Willen
       
       Erst wollte er gar nicht hin, nun war SPD-Herausforderer Schulz doch bei
       der Kanzlerin. Mehr als sechs Stunden ging es hart zur Sache. Heraus kommt
       viel Kleinklein.
       
   DIR Pro und Contra Große Koalition: Ist die SPD scheinheilig?
       
       Ein halbes Jahr vor der Wahl will die SPD die Homo-Ehe durchsetzen. Dabei
       ist klar: Mit der Union wird das nichts.
       
   DIR Debatte Landtagswahl im Saarland: Der Sog in die Mitte
       
       Die symbolische Versöhnung der politischen Linken ist an der Saar
       gescheitert. Der CDU-Sieg zeigt: Mit „Anti-Linkspartei“ kann man gewinnen.
       
   DIR Kramp-Karrenbauer und Merkel: Die Verbündeten
       
       Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer ist mit dem Wahlsieg im Saarland noch
       wichtiger geworden in der Partei. Und sie gilt als Stütze Merkels.
       
   DIR Grünen-Spitzenkandidat im Saarland: Das Ende der Ära Ulrich
       
       Nach der Wahlschlappe zieht der Grünenchef im Saarland, Hubert Ulrich,
       Konsequenzen. Er kündigt seinen Rücktritt an.
       
   DIR Kommentar Linkspartei im Saarland: Der Lafontaine-Effekt nutzt sich ab
       
       Die Saar-Linke bewirbt Lafontaine wie einen Bestseller. Doch das maue
       Wahlergebnis zeigt: Die altbewährte Strategie funktioniert nicht mehr.
       
   DIR SPD nach der Wahl im Saarland: Ausgefallene Party
       
       Die Sozialdemokraten wollten mehr – entsprechend groß war die Enttäuschung.
       Ein bisschen Häme gegen die Grünen blieb immerhin noch.
       
   DIR Kommentar SPD und Wahl im Saarland: In der Wohlstandsklemme
       
       Die Sozialdemokratie kann nicht nach links und in die Mitte gleichzeitig
       erfolgreich Wahlkampf machen – dafür sorgt die deutsche Vermögensschere.