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       # taz.de -- Wahlkampf der Türkei in EU-Ländern: Es wird nachgelegt
       
       > Erdoğan wirft Merkel Terroristen-Unterstützung vor. Niederländischen
       > Diplomaten wird die Einreise in die Türkei versperrt. Der
       > „Faschismus“-Vorwurf fällt erneut.
       
   IMG Bild: Zeigt mit dem Finger auf andere: Recep Tayyip Erdogan
       
       Berlin/Istanbul dpa/afp | Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan
       zielt mit seiner Kritik direkt auf Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Verehrte
       Merkel, Du unterstützt Terroristen“, sagte Erdoğan am Montagabend mit Blick
       auf die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK in einem Interview des
       türkischen Senders A Haber. Deutschland gehe nicht gegen die PKK vor,
       obwohl sie diese zur Terrororganisation erklärt habe. Zudem „verstecke“
       Deutschland Mitglieder von „Terrororganisationen“. In Berlin bezeichnete
       Regierungssprecher Steffen Seibert Erdoğans Vorwurf als „erkennbar
       abwegig“.
       
       Die Bundesregierung hat das seit 1993 geltende Verbot der kurdischen
       Arbeiterpartei (PKK) zu Monatsbeginn ausgeweitet und war damit auf die
       türkische Regierung zugegangen. Künftig darf neben anderen Parteisymbolen
       auch das Porträt des seit 1999 inhaftierten PKK-Anführers Abdullah Öcalan
       nicht mehr öffentlich gezeigt werden. Das Kurdische Zentrum für
       Öffentlichkeitsarbeit interpretierte diesen Schritt als Beleg für eine
       trotz der jüngsten Spannungen immer noch enge Zusammenarbeit zwischen
       Berlin und Ankara. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir fand den Zeitpunkt
       der deutschen Verbotsverschärfung verdächtig.
       
       Auch gegenüber den Niederlanden legte Erdoğan nach. Er verglich den Umgang
       der Niederländer mit türkischen Ministern und Diplomaten erneut mit
       „Faschismus“. „Das kann man Nationalsozialismus, Neo-Nationalsozialismus
       nennen“, sagte er am Abend. Zudem sei am Wochenende Gewalt gegen
       Demonstranten angewendet und es seien „Köter“ auf diese losgelassen worden.
       Dass Merkel ihre Solidarität mit den Niederlanden bekundet habe, bedeute,
       sie denke genauso.
       
       Die türkische Regierung entzog niederländischen Diplomaten am Abend die
       Landeerlaubnis. Der Luftraum für Maschinen mit Diplomaten aus dem Land sei
       ab sofort gesperrt, sagte der stellvertretende Ministerpräsident Numan
       Kurtulmus. Gespräche auf höherer Ebene würden zudem ausgesetzt. Der
       niederländische Botschafter, der sich zurzeit im Ausland aufhalte, dürfe
       vorerst nicht in die Türkei zurückkehren.
       
       Zudem hat das türkische Außenministerium eine Erklärung der EU hinsichtlich
       der gegenwärtigen Entwicklungen als „wertlos“ bezeichnet. „Die kurzsichtige
       Erklärung der EU hat für unser Land keinen Wert“. Brüssel hatte Ankara am
       Montag [1][aufgefordert], „auf überzogene Erklärungen und Handlungen zu
       verzichten, welche die Lage weiter zu verschärfen drohen“.
       
       Den vor zwei Wochen verhafteten Welt-Korrespondenten Deniz Yücel
       bezeichnete Erdogan erneut als „Agenten und Terroristen“. Merkel habe sich
       für den „sogenannten Journalisten“ eingesetzt. Ein Gericht müsse jedoch
       über den Fall Yücel entscheiden, sagte Erdogan. Er warf Merkel vor, auf die
       Unabhängigkeit der Justiz zu verweisen, wenn es um Fälle in Deutschland
       gehe, selbst jedoch keinen Respekt vor der Justiz in der Türkei zu haben.
       [2][Yücel wird Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen].
       
       Am 16. April sollen die Türken über eine Verfassungsreform abstimmen. Sie
       würde die Machtbefugnisse von Staatspräsident Erdoğan massiv ausweiten. In
       Deutschland leben gut 1,4 Millionen wahlberechtigte Türken – die größte
       Gruppe in der EU.
       
       Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) kündigte unterdessen
       an, dass sein Land mögliche Wahlkampfauftritte türkischer Politiker im Land
       nicht hinnehmen wolle. Nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen von
       Rotterdam sei klar, dass Österreich versuchen müsse, solche Auftritte zu
       unterbinden, sagte Kern am Montagabend in der ORF-Nachrichtensendung
       „ZiB2“. Europa dürfe nicht naiv sein. „Worum es hier geht, ist nicht mehr
       nur eine Frage der Versammlungsfreiheit, sondern es ist eine
       Auseinandersetzung des politischen Islams mit den europäischen Werten.“
       Werbeauftritte für das demokratieschädliche türkische Verfassungsreferendum
       seien eine „Pervertierung der Versammlungsfreiheit“, so Kern. In Österreich
       leben rund 120.000 Türken.
       
       Die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament, Ska Keller,
       hat vorgeschlagen, den wirtschaftlichen Druck auf die Türkei zu erhöhen. In
       Anbetracht der dortigen politischen Lage und dem eskalierenden Streit um
       Wahlkampfauftritte türkischer Politiker sei es an der Zeit, dass alle
       EU-Mitgliedsstaaten sich auf einen gemeinsam Umgang mit der Türkei
       einigten, sagte Keller den Ruhr Nachrichten. „Die Verhandlungen über die
       Ausweitung der Zollunion bieten die Möglichkeit, Einfluss auf die Türkei zu
       nehmen. Erdoğan hat großes Interesse am Ausbau der wirtschaftlichen
       Zusammenarbeit und dem Wegfall von Handelsschranken.“
       
       14 Mar 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://eeas.europa.eu/headquarters/headquarters-homepage/22571/joint-statement-high-representativevice-president-federica-mogherini-and-commissioner-johannes_en
   DIR [2] https://gazete.taz.de/article/?article=!5388620&category=!t5372561
       
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