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       # taz.de -- Fischerei im Victoriasee: Jetzt geht es dem Killerfisch dreckig
       
       > Der Viktoriabarsch hat Arten im Victoriasee verdrängt. Nun ist er selbst
       > vom Aussterben bedroht, was wiederum die Fischer in Bedrängnis bringt.
       
   IMG Bild: Trübe Aussichten für Fischer in Kenia, Tansania und Uganda
       
       Kampala taz | Richard Muwonge wirft sein Netz aus. Für einen kurzen Moment
       schneidet es ein Muster in die spiegelglatte Oberfläche des Victoriasees.
       Der 20-jährige Fischer steht knöcheltief im Wasser in seinem kleinen
       Holzboot. Es treibt nur wenige Kilometer vom Ufer entfernt, nahe Ugandas
       Hauptstadt Kampala.
       
       Der Victoriasee ist der größte Süßwassersee Afrikas, ungefähr so groß wie
       Bayern. Über 30 Millionen Menschen leben an seinen Ufern in drei Ländern:
       Tansania, Kenia und Uganda. Fisch ist für alle drei Staaten ein wichtiges
       Exportprodukt. Ein Kilogramm des berühmten Victoriabarschs wird auf dem
       Fischmarkt in Hamburg für mehr als 20 Euro angeboten. Der größte Abnehmer
       ist mittlerweile China. Doch der Export sinkt dramatisch: 2015 kamen aus
       Uganda nur noch 17.500 Tonnen – 30 Prozent weniger als vor rund zehn
       Jahren.
       
       Als der Barsch in den 1960er Jahren im Victoriasee ausgesetzt wurde, wuchs
       er gigantisch und war größer als ein Delfin. Er zerstörte das ökologische
       Gleichgewicht des Sees, andere Arten starben aus. Es gab ihn in Unmengen.
       Heute einen Barsch zu fangen ist für den jungen Fischer Muwonge fast wie
       ein Sechser im Lotto. Auf seinem Handy zeigt er das Foto von einem
       Exemplar, das er jüngst erwischt hat, etwa so lang wie sein Unterarm. Für
       umgerechnet rund 13 Euro hat er ihn verkauft, für Muwonge ein kleines
       Vermögen.
       
       Der Fischer zieht sein Netz ein. Vier kleine Aale zappeln in den Maschen:
       Köder für die Barsche. „Hier in Ufernähe ist alles leer gefischt“, erklärt
       er und zeigt hinaus auf den See. „Wir müssen heutzutage sehr weit hinaus,
       um einen zu fangen, wir sind die ganze Nacht unterwegs“, sagt er.
       
       ## Anrainerstaaten sind in Konflikte verwickelt
       
       Rund um den See musste die Hälfte der 36 fischverarbeitenden Firmen
       dichtmachen, Tausende Arbeiter wurden entlassen. Fischerdörfer entlang der
       Ufer und auf den Inseln sind wie leer gefegt. Abertausende junge Männer
       ohne Schulbildung sind arbeitslos. Anthony Taabu Munyaho, Direktor von
       Ugandas Institut für die Erforschung der Fischbestände, fordert jetzt ein
       totales Fischverbot für mindestens sechs Monate: „Wir müssen das
       unmittelbar umsetzen, denn unsere Proben ergaben, dass bis zu 95 Prozent
       der Barsche im Victoriasee kleiner als 50 Zentimeter sind.“
       
       Die Lage ist so prekär, dass Ugandas Präsident Yoweri Museveni im Februar
       von der US-Marine trainierte Spezialeinheiten auf den See beordert hat.
       Fischer, die junge Barsche fangen, sollen mit sieben Jahre Gefängnis
       bestraft werden; bislang standen darauf zwei Jahre. Nur noch ausgewachsener
       Barsch, der älter als eineinhalb Jahre ist, darf gefangen werden. Auch die
       Maschengröße der Netze wurde neu geregelt. Jetzt kommt es auf den kleinen
       Inseln entlang der Landesgrenzen zu Konflikten zwischen den
       Anrainerstaaten.
       
       Ein Beispiel: Die Insel Migingo, weit draußen auf dem See – ein Felsen, so
       groß wie ein Fußballfeld. Sie ragt erst seit wenigen Jahren aus dem Wasser,
       infolge des niedrigen Wasserstands. Kenia und Uganda streiten sich seit
       Jahren darum. Hunderte ugandische und kenianische Fischer hausen auf ihr in
       Wellblechhütten. Ugandas Soldaten verhaften dort jetzt Fischer, die
       unausgewachsenen Barsch fangen. Kenias Fischereiministerium zwingt mit
       seinem neuen Fischereigesetz Bootbesitzer, ihre Schiffe registrieren zu
       lassen, um illegale Fischerei besser verfolgen zu können.
       
       ## „Unser Job ist gefährlich geworden“
       
       Die Regierungen bemühen sich bei der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC),
       die Maßnahmen zu vereinheitlichen. Vergangenen Juni verabschiedete die EAC
       einen Managementplan für den Victoriasee bis 2020. Darin vorgesehen ist
       auch, Lizenzen für Fischfarmen zu vergeben, Barsche in Käfigen zu halten,
       bis sie ausgewachsen sind, und gezielt Fischfutter zu verabreichen. Sobald
       ein Barsch mehr als 50 Kilo wiegt, produziert er rund 7 Millionen Eier, so
       das ugandische Fischforschungsinstituts. Der Bestand könne sich rasch
       erholen.
       
       „Unser Job ist gefährlich geworden“, sagt Fischer Muwonge. Er fürchte jetzt
       nicht nur mehr, auf hoher See zu ertrinken, sondern auch die Marineboote,
       die Jagd auf Fischer machen. „Aber ich muss doch meine Familie versorgen.“
       
       4 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
       
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