URI: 
       # taz.de -- „Arisierungs“-Mahnmal in Bremen: Das Denkmal, das nicht sein darf
       
       > Das „Arisierungs“-Mahnmal kommt an die Schlachte, der Entwurf aus dem
       > taz-Wettbewerb wird gebaut. „Nur das zweitbeste Ergebnis“, sagt die
       > Linkspartei
       
   IMG Bild: Ende des Tauziehens: Das Mahnmal kommt an die Schlachte
       
       Das Bremer „Arisierungs“-Mahnmal kommt an die Schlachte. Aber nicht an die
       Teerhof-Brücke, wie vom Koalitions-Ausschuss ins Auge gefasst, sondern
       weiter weseraufwärts. Zur Auswahl stehen der Bereich neben dem historischen
       Kranfundament sowie die Kaimauer auf Höhe des Pfannkuchen-Schiffes.
       
       Mit diesem Beschluss des Beirats Mitte endete Montag Abend nach
       mehrstündiger Debatte das lange Tauziehen um einen angemessenen Ort zur
       Erinnerung an die Massenberaubung der jüdischen Bevölkerung. An ihr hatte
       Bremen als Hafen- und Logistikstadt besonderen Anteil, insbesondere durch
       das Westeuropa-Geschäft von Kühne+Nagel. Die Absicht, das Mahnmal am Fuß
       des Neubaus von Kühne+Nagel zu errichten, scheiterte dennoch am Veto der
       SPD-Führung.
       
       „Die unmittelbare Nähe vor dem Neubau von Kühne und Nagel hätte ein noch
       deutlicheres Zeichen gesetzt“, heißt es im Beiratsantrag der Grünen, der
       von SPD, CDU und der FDP angenommen wurde. „Das ist nur das zweitbeste
       Ergebnis“, betonte auch Matthias Rauch von der Linkspartei. Rauchs Fraktion
       votierte für den weitergehenden Antrag, das Mahnmal wie vorgesehen bei
       Kühne+Nagel zu platzieren.
       
       Schon vor der Sitzung des Stadtteilparlaments in der Architektenkammer
       hatte die Linkspartei zu einer Kundgebung aufgerufen. „Zu einer ernst zu
       nehmenden Erinnerungskultur gehört, Täter auch beim Namen zu nennen“,
       betonte dort Miriam Strunge, die kulturpolitische Sprecherin der Partei.Für
       den VVN, die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“, beklagte deren
       Landevorsitzender Raimund Gaebelein in seinem Redebeitrag den „Rückzug vor
       der Uneinsichtigkeit mancher Unternehmer“.
       
       Stellungnahme der Jüdischen Gemeinde 
       
       Im Saal selbst ergriff dann Grigori Pantijelew vom Vorstand der Jüdischen
       Gemeinde das Wort. Er verwies auf die Stellungnahme der Gemeinde zur
       Mahnmalfrage, die der Weser-Kurier, trotz anders lautender Verabredungen,
       nicht abdrucken wollte. In ihr benennt die Gemeinde „die wesentliche
       Beteiligung“ von Kühne+Nagel „am Großraub jüdischer Besitztümer in
       europäischem Ausmaß“ sowie „die ,freundliche' Übernahme der
       Geschäftsanteile von Adolf Maas, welcher später in Auschwitz umkam“.Beides
       seien „Grundsteine des heutigen Erfolgs und Reichtums für die Firma, für
       Michael Kühne persönlich und seine Stiftung. Beides fehlt im Selbstbild des
       Unternehmens.“
       
       In Sachen Mahnmal-Platzierung verweist die Jüdische Gemeinde auf das
       positive Beispiel des Bremer Finanzressorts: Es „ließ die vergleichbare
       Geschichte der Beamtenschaft untersuchen, die Ausstellung war
       selbstverständlich im Haus der Reichs selbst platziert – und nicht 400
       Meter entfernt“.
       
       Lebhafte Debatte 
       
       Wenn das Mahnmal nun auf Höhe des Pfannkuchenschiffs gebaut wird, ist es
       noch circa 180 Meter von Kühne+Nagel entfernt. Der Beirat hat dabei
       ausdrücklich zur Bedingung gemacht, dass der aus dem taz-Ideenwettbewerb
       hervorgegangene Entwurf von Angie Oettingshausen realisiert wird. In einer
       schriftlichen Erklärung der Architektin zur Beiratssitzung heißt es: „Ich
       persönlich finde es sehr schade, dass der direkte bauliche Bezug des
       Mahnmals zu (…) Kühne und Nagel von real-politischer Seite und der Seite
       des Unternehmens selbst vor allem als ,Anklage‘ gelesen wird.“ Dabei gehe
       es um eine „Geschichte die eben nicht, wie so oft in gängigen Narrativen
       verankert, letztendlich auf eine anonyme Masse von Mit-/Verantwortlichen
       verweist, sondern durch das Fortbestehen des Unternehmens an einem
       historischen Ort auch eine Brücke in die gegenwärtige Lebensrealität der
       Besucher_innen schlägt.“
       
       In der äußerst lebhaften Debatte urteilte Peter Bollhagen, der
       Landesvorsitzende des Verbands der Familienunternehmer, Kühne+Nagel habe
       sich in Sachen Geschichtsaufarbeitung „völlig falsch verhalten“.Dennoch sei
       es verkehrt, das Unternehmen und dessen Mitarbeiter zu „stigmatisieren“.
       Das Gegenteil sei richtig, hielt das grüne Beiratsmitglied Joachim Musch
       dem entgegen: Die Firma werde „nicht stigmatisiert, sondern protegiert“ –
       in dem ihr das Mahnmal direkt vor der Nase „erspart“ bleibe.
       
       Immerhin werden nicht nur die lange Debatte, sondern auch das
       materialisierte Mahnmal eine deutliche Spur in der Stadt hinterlassen –
       unter anderem als „das Denkmal, das nicht bei Kühne+Nagel stehen darf“.
       
       5 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Henning Bleyl
       
       ## TAGS
       
   DIR "Arisierung"
   DIR Kühne und Nagel
   DIR Bremer Mahnmal zur „Arisierung“
   DIR Bremer Mahnmal zur „Arisierung“
   DIR Mahnmal
   DIR Bremer Mahnmal zur „Arisierung“
   DIR Bremer Mahnmal zur „Arisierung“
   DIR Auschwitz
   DIR Kühne und Nagel
   DIR Bremer Mahnmal zur „Arisierung“
   DIR Kühne und Nagel
   DIR "Arisierung"
   DIR Bremer Mahnmal zur „Arisierung“
   DIR Kühne und Nagel
   DIR Junge Alternative (AfD)
   DIR Kühne und Nagel
   DIR Bremer Mahnmal zur „Arisierung“
   DIR KZ
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Protest gegen Kühne + Nagel-Neubau: „Peinlich und respektlos“
       
       Die Logistikfirma Kühne + Nagel feiert Richtfest am Neubau des Bremer
       Stammsitzes an der Domsheide. AktivistInnen protestierten mit einem
       30-Meter-Transparent.
       
   DIR Kunst gegen das Schweigen der Logistiker: Erinnerung an Kühne + Nagel gewinnt
       
       Der Meisterschüler Felix Dreesen hat mit einem Werk über Kühne + Nagels
       Verwicklungen im Nationalsozialismus den Karin-Hollweg-Preis gewonnen.
       
   DIR Verzögerungen im Auschwitz-Prozess: Befangenheitsantrag gegen Richter
       
       Seit Jahren tut sich nichts mehr im Auschwitz-Prozess in Neubrandenburg.
       Nun hat die Staatsanwaltschaft einen Befangenheitsantrag gegen die Richter
       gestellt.
       
   DIR Jüdische Gemeinde zum Mahnmal-Streit: Kühnes Verantwortungslosigkeit
       
       Für Bremens Jüdische Gemeinde hat der Standort-Kompromiss einen faden
       Nachgeschmack, doch anders als Kühne+Nagel übernimmt die Stadt
       Verantwortung.
       
   DIR Kommentar Mahnmals-Standort: Bockender Bürgermeister
       
       Warum sich die SPD zur Schutzmacht des NS-belasteten Konzerns Kühne+Nagel
       macht, bleibt schleierhaft. Das „Arisierungs“-Mahnmal wirkt trotzdem.
       
   DIR Streit um Bremer „Arisierungs“-Mahnmal: Das Mäandern des Mahnmals
       
       Bremen einigt sich auf einen Mahnmal-Standort, der Kühne+Nagel nicht allzu
       sehr wehtut. Ob er realisierbar ist, hängt aber vom Denkmalschutzes ab
       
   DIR Das Geld der NS-Logistik: „Zu dicke moralische Keule“
       
       Rot-Grün ist uneins, wo das Bremer „Arisierungs“-Mahnmal stehen soll.
       Historiker Konrad Elmshäuser hält den Platz vor Kühne + Nagel für falsch
       
   DIR „Arisierungs“-Mahnmal in Bremen: Gedenken mit Sicherheitsabstand
       
       Im Streit über den Platz des geplanten Mahnmals schlägt das Kulturressort
       einen Kompromiss vor. In sicherer Entfernung zu Kühne+Nagel.
       
   DIR Kommentar „Arisierungs“-Mahnmal: Geschichte vom Hals halten
       
       Das „Arisierungs“-Mahnmal soll nicht am historisch richtigen Ort stehen.
       Die fragwürdige Botschaft ist klar: Bitte Kühne+Nagel nicht zu sehr ärgern.
       
   DIR Populismus statt Diskurs in Bremen: Ein Podium für Rechtsaußen
       
       Zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Arisierung“ lädt Radio Bremen
       ausgerechnet einen Höcke-Fan von der „Jungen Alternative“ ein.
       
   DIR Gedenken an die Opfer der „Arisierung“: Kühne+Nagel will Mahnmal kapern
       
       Nach vehementer Verweigerungshaltung will sich der Logistikkonzern nun
       selbst um ein Mahnmal kümmern – fünf Kilometer von seinem Bremer Firmensitz
       entfernt.
       
   DIR taz-Ausstellung in Bremen: Das Raubgut aus dem Küchenschrank
       
       Wird in Bremen ein „Arisierungs“-Mahnmal realisiert? Zumindest die Ideen
       dafür sind nun im Parlament zu sehen. Sie stammen aus einem
       Ideen-Wettbewerb der taz.
       
   DIR Kühne+Nagel mauert: Verwertung ohne „Relevanz“
       
       Kühne+Nagel profitierte im „Dritten Reich“ nicht nur von der
       Judenverfolgung, es „arisierte“ sich auch selbst. Von alldem will das
       Unternehmen nach wie vor nichts wissen – sondern hält einen
       „kulturpolitischen Zusammenhang“ für möglich.