URI: 
       # taz.de -- Kolumne Pressschlag: Körperkapital wird entschädigt
       
       > Ivan Klasnic und die Frage nach der Verantwortung: Ein Exprofi wird vom
       > Vereinsarzt falsch behandelt. Hat das was mit Sport zu tun?
       
   IMG Bild: Hatte auch seine guten Zeiten bei Werder Bremen: Ivan Klasnic, Archivbild aus dem Jahr 2004
       
       Ein verletzter Profi muss sofort fit gespritzt, sein Schmerz mit Eisspray
       oder rasch wirkenden Medikamenten unterdrückt und die offene Wunde noch auf
       dem Platz getackert werden.
       
       Ivan Klasnic war so einer, an dessen Verwendungsfähigkeit der
       Wirtschaftsbetrieb Fußball ein großes Interesse hatte. Am Freitag hat das
       Landgericht Bremen dem Ex-Werder-Profi 100.000 Euro Schmerzensgeld plus
       Schadenersatz in nicht genannter Höhe zugesprochen, weil der Vereinsarzt
       und eine Internistin „grobe Behandlungsfehler“ begangen haben.
       
       Sie hatten die schlechten Nierenwerte von Klasnic nicht bemerkt und durch
       falsche Medikation verschlimmert. Als die Schmerzen nicht mehr auszuhalten
       waren, wurde Klasnic mit einer Blinddarmentzündung ins Krankenhaus
       eingeliefert. Dort fielen die miserablen Nierenwerte des Profis auf.
       
       Nun ist Klasnic, der schon zwei Spendernieren – von seinem Vater und von
       seiner Mutter – hatte, auf Dialyse angewiesen und hofft, demnächst wieder
       eines dieser lebenswichtigen Organe zu erhalten.
       
       Aus der Branche Profifußball ist Klasnic, der einstige Spitzenstürmer,
       hinauskatapultiert. Er rechnet sich nicht mehr, wie man dann so sagt.
       Entsprechend ist das Urteil des Landgerichts, gegen das vermutlich Berufung
       eingelegt wird, zu begrüßen. Es richtet sich nämlich gegen die
       Verwertungslogik des Sportbetriebs. Aushebeln kann es sie aber nicht.
       
       ## Richtig und falsch zugleich
       
       Zu den Allgemeinplätzen, wenn über Gesundheit und Sport gesprochen wird,
       zählt der Satz, dass der Körper das Kapital eines Profis ist. Nun wird aber
       Kapital bekanntlich auf dem Markt gehandelt. Damit er als Sportler gut
       funktionierte, galt für Klasnic nicht mehr die freie Arztwahl, sondern der
       Vereinsarzt war für ihn zuständig. Nicht dass das prinzipiell falsch wäre –
       schließlich kann ein in diesem Bereich tätiger Sportmediziner die
       körperlichen Anforderungen an einen Fußballprofi besser einschätzen. Aber
       letztlich steht dieser Arzt auf der Payroll des Vereins. Und der erwartet:
       fit spritzen, tackern, verwendungsfähig schreiben.
       
       Die Ärzte anzuklagen und, wie jetzt geschehen, zu verurteilen, ist richtig
       und falsch zugleich. Ob die Fehler, die sie gemacht haben, der Inkompetenz
       oder dem Mangel an Unabhängigkeit zuzuschreiben sind, hatte das Gericht
       nicht zu ermitteln. Die Vermutung, dass es beides ist, liegt nahe.
       
       Gegen den Verein vorzugehen wäre ähnlich: Jeder Profiklub ist doch der
       Konkurrenz ausgesetzt, muss dafür sorgen, dass seine Leistungsträger
       möglichst oft und möglichst effektiv eingesetzt werden. Sonst gäbe es
       Kritik, Spott und letztlich Abstieg.
       
       1963 starb der Boxer Davey Moore an den Folgen einer Verletzung, die er
       sich in einem Kampf zugezogen hatte. Bob Dylan, an Sport interessierter
       Literaturnobelpreisträger, ließ in einem Song alle Beteiligten ihre
       subjektiv sehr überzeugende Unschuld vortragen: Der Ringrichter wäre bei
       Kampfabbruch ausgebuht worden; die Zuschauer wollten doch nur den Kampf
       sehen; der Manager hatte doch nur den Vertrag ausgehandelt; und hatten
       nicht die Sportjournalisten stets geschrieben, dass es im Sport ein
       Berufsrisiko gibt?
       
       Bob Dylan schrieb den Song 1963, unmittelbar nach Moores Tod. It’s the same
       old song.
       
       31 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Krauss
       
       ## TAGS
       
   DIR Ivan Klasnic
   DIR Werder Bremen
   DIR Urteil
   DIR Transplantation
   DIR Fußball
   DIR Fußball
   DIR Fußball
   DIR Ivan Klasnic
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Ex-Fußballprofi über Transplantation: „Ich kann nicht so tun, als wäre nichts gewesen“
       
       Ivan Klasnić hat drei Nierentransplantationen hinter sich. Der
       Ex-Profi-Fußballer über das Versagen der Vereinsärzte, Leben mit
       Transplantat und seine Heimat Kroatien.
       
   DIR Kolumne Pressschlag: Keine Brasilianer mehr im Breisgau
       
       Die Bundesligaklubs mit dem wenigsten Geld hängen ganz hinten. Nur der SC
       Freiburg nicht. Trotz drittniedrigstem Etat liegt er auf Rang 7.
       
   DIR Werder Bremen gewinnt in Freiburg: Delaney trifft für Wikipedia
       
       5:2! Auswärts! Konsequenter Konterfußball ist die Methode, mit der Werder
       Bremen sich aus der Abstiegszone ins Mittelfeld schießt.
       
   DIR Bundesliga-Fußballer Ivan Klasnic: „Ich habe es allen gezeigt“
       
       Ivan Klasnic von Mainz 05 über seine Unbeugsamkeit und seine neue
       Einstellung zum Sport nach seiner erfolgreichen Nierentransplantation.
       
   DIR Fall Klasnic: Pillenprozess eröffnet
       
       Ivan Klasnic tritt als Kläger gegen den Mannschaftsarzt von Werder Bremen
       auf. Die Vereinsführung seines alten Clubs hat dafür wenig Verständnis,
       doch von den Fans wird er immer noch verehrt.