# taz.de -- Hitler in niederländischem Malbuch: Ups, haben wir übersehen
> Eine niederländische Drogerie-Kette zieht ein Malbuch zurück, weil darin
> ein Hitler-Bild war: Ein Versehen, das viele Fragen aufwirft.
IMG Bild: Geschichte zum Ausmalen?
Amsterdam taz | Was haben Nelson Mandela, Albert Einstein und Adolf Hitler
gemeinsam? Allen dreien ist eine Seite in einem Malbuch gewidmet, das die
niederländische Drogeriekette Kruidvat Anfang der Woche ins Sortiment nahm.
„Code-Malen“ nennt sich das Prinzip, bei dem einzelne Teile des
betreffenden Motivs einer bestimmten Farbe zugeordnet werden. Am Ende steht
das Porträt einer bedeutenden historischen Person. Zum Beispiel der
„Führer“ in Uniform und Armbinde, der recht weggetreten dreinschaut und den
Arm hebt.
Nach Beschwerden auf der Facebook-Seite des Unternehmens wurden die
Kruidvat-Filialen einer wahren Blitzreinigung unterzogen und die Malbücher
aussortiert.
Eine Sprecherin zeigte sich peinlich berührt und überrascht. Offenbar war
man über den Inhalt des Malbuchs, das in Indien produziert und von einem
belgischen Verlag herausgegeben wurde, nicht informiert. „Als wir dahinter
kamen, dass diese unpassende Abbildung im Buch zu sehen war, haben wir
beschlossen, sofort alle Bücher aus dem Verkauf zu nehmen.“
## „Größte Welt-Führer der Geschichte“?
Hitler zum Ausmalen war also ein Missverständnis. Denn, so die Sprecherin,
trotz mehrfacher inhaltlicher Kontrollen habe man das Motiv „zu unserem
Bedauern“ übersehen. Was auffällig an das sarkastisch vorgebrachte „Wir
haben es nicht gewusst“ erinnert, mit dem in den Niederlanden
jahrzehntelang die Holocaust-Blindheit der deutschen Nachbarn kommentiert
wurde.
Hinter der lauwarmen Begründung der Drogeriekette dürfte vor allem
Nonchalance gegenüber billig produzierten Trash-Artikeln stecken.
Frappierend ist, dass auch der betreffende Verlag Trifora nicht im Blick
hatte, welche historischen Figuren man den kleinen Kunden zum Ausmalen
vorlegte. Sollte nun alles daran liegen, dass Hakenkreuze in Indien schon
älter als einige tausendjährige Reiche sind? Oder dass, wie die
niederländische Website [1][nu.nl] schreibt, Hitler „vielen in Asien als
einer der größten Welt-Führer der Geschichte gilt“?
Interessant ist freilich auch die Rezeption des deutschen Diktators in den
Niederlanden, einem der Länder, wo vor vor allem die jüdische Bevölkerung
am meisten unter der Nazi-Besetzung zu leiden hatte.
## Nicht zu vermitteln
So ist man weit davon entfernt, Hitler wie in Deutschland zunehmend als
Witzfigur lächerlich zu machen. Wohl soll 2018 trotz Verbots eine
kommentierte wissenschaftliche Version von „Mein Kampf“ auf Niederländisch
erscheinen.
Der an diesem Projekt beteiligte Historiker Patrick Dassen will damit
„zeigen, dass ‚Mein Kampf‘ auf Mythen, Lügen und Propaganda beruht“. Die
Ansicht, dass Letzteres überhaupt einer Erklärung bedarf, scheint in den
Niederlanden mehr als 70 Jahre nach der Befreiung an Akzeptanz zu gewinnen.
Was nicht verwundert, denkt man an die zahlreichen Sekundarschulen, an
denen muslimischen Schülern das Geschichtsthema Holocaust nicht zu
vermitteln ist.
Angesichts der wiederkehrenden Debatte, ob Defilees beim Tag des
Weltkriegsgedenken am vierten Mai auch an deutschen Soldatengräbern
vorbeiziehen sollen, im Zeichen der Verständigung. Und der Frage, ob
deutsche Würdenträger, wie zuletzt vor einigen Jahren Präsident Joachim
Gauck, bei diesen Gedenken anwesend sein sollen.
Und nicht zuletzt sind da die regelmäßigen Sprechchöre „Hamas, Hamas, Juden
ins Gas“. Seit Jahren schon werden sie von Fußballfans gegrölt, wenn ihr
Team gegen den vermeintlichen „Juden-Club“ Ajax Amsterdam spielt.
Inzwischen gehören sie auch bei Pro-Gaza-Demonstrationen zum rhetorischen
Rüstzeug.
6 Apr 2017
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DIR [1] http://nu.nl
## AUTOREN
DIR Tobias Müller
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