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       # taz.de -- Pläne der Bundesagentur für Arbeit: Mehr Hilfe für die Abgehängten
       
       > Der Chef der Bundesagentur, Detlef Scheele, plant Maßnahmen für
       > Langzeitarbeitslose. Bisher galt die „geförderte Beschäftigung“ als
       > gescheitert.
       
   IMG Bild: Detlef Scheele, Mann mit Arbeit, hat neue Pläne für Menschen ohne Arbeit
       
       BERLIN taz | Es ist schon bemerkenswert: In Deutschland gibt es so viele
       sozialversicherungspflichtige Jobs wie noch nie seit der Wiedervereinigung.
       Aber vielen Langzeitarbeitslosen nutzt das kaum etwas: 2,5 Millionen
       Menschen in Deutschland leben von Hartz-IV-Leistungen. Und das seit vier
       Jahren oder länger. Jetzt will der neue Chef der Bundesagentur für Arbeit,
       Detlef Scheele, die Anstrengungen verstärken, Langzeitarbeitslose wieder in
       öffentlich geförderte Beschäftigung zu bringen.
       
       „Wenn man es ernst meint und sich auch um Bevölkerungskreise kümmern will,
       die objektiv keinen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, ohne Ausbildung sind,
       Ältere, möglicherweise mit gesundheitlichen und anderen Einschränkungen,
       dann muss man etwas tun“, hatte Scheele in einem Interview mit der
       Deutschen Presseagentur gesagt. Der 60-Jährige ist seit Anfang April neuer
       Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit. Scheele, SPD-Mitglied,
       leitete bis 2008 gut 13 Jahre lang eine Hamburger
       Beschäftigungsgesellschaft.
       
       Vorrangig gehe es darum, einer kleinen Gruppe von Arbeitslosen „zeitweise“
       die Teilhabe am normalen Arbeitsleben zu ermöglichen, sagte Scheele.
       Schließlich wirke Arbeit stabilisierend. Damit relativiert der neue Chef
       der Arbeitsagentur die Sichtweise, nach der öffentlich geförderte
       Beschäftigung dann als „gescheitert“ gilt, wenn die TeilnehmerInnen
       anschließend keinen regulären sozialversicherungspflichtigen Job finden,
       sondern weiterhin gefördert werden oder in der Arbeitslosigkeit hängen
       bleiben.
       
       Die Bundesagentur werde in „enger Abstimmung“ mit dem Arbeitsministerium
       von Ministerin Andrea Nahles (SPD) ein Programm erarbeiten, sagte ein
       Sprecher der Bundesagentur für Arbeit der taz. Nahles kündigte kürzlich ein
       Beschäftigungsprogramm für 100.000 Langzeitarbeitslose an, die seit
       mindestens acht Jahren ohne Job sind.
       
       ## 8.000 in Fördermaßnahmen
       
       Laut Statistik der Bundesagentur sind 1,2 Millionen erwerbsfähige
       Hartz-IV-EmpfängerInnen acht Jahre und länger im Leistungsbezug. Dabei
       werden bis zu einmonatige Unterbrechungen der Erwerbslosigkeit nicht
       miteingerechnet. Mit ihrem Vorschlag knüpft Nahles an das im Jahr 2015
       angelaufene Bundesprogramm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ an, für das
       bis Ende 2018 rund 750 Millionen Euro bereitstehen. Im Rahmen dieses
       Programms sind derzeit 8.000 Menschen in Fördermaßnahmen, sagte der
       Sprecher der Bundesagentur. Die Leute arbeiten beispielsweise in der
       Behindertenbetreuung, auf Abenteuerspielplätzen, in Bibliotheken.
       
       Zum Vergleich: 96.000 Arbeitslose sind derzeit in 1-Euro-Jobs beschäftigt.
       1-Euro-Jobs sind jedoch in der Kritik, weil sie entweder als zu schlecht
       bezahlt gelten, angeblich reguläre Jobs verdrängen oder die
       1-Euro-JobberInnen am Ende doch keine reguläre Beschäftigung finden.
       
       Noch aus den 90er Jahren sind allerdings die besser bezahlten ABM-Stellen
       in den neuen Bundesländern in unguter Erinnerung. Damals verrichteten
       Beschäftigte zum Teil sinnlose Arbeiten, beispielsweise schrubbten sie
       Spielzeugteddys oder vervollständigten mit selbst gemalten Teilen
       gebrauchte Puzzles .
       
       Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer,
       begrüßte die Forderungen Scheeles nach mehr öffentlich geförderter
       Beschäftigung für Langzeitarbeitslose. Es sei höchste Zeit, einen
       verlässlichen „sozialen Arbeitsmarkt“ aufzubauen, sagte Pothmer.
       
       Die Grünen haben ein eigenes Konzept vorgelegt, nachdem die Beschäftigung
       Langzeitarbeitsloser zum Tarif- oder Mindestlohn bei allen Arbeitgebern
       öffentlich gefördert werden soll. Dabei muss es sich nicht um „zusätzliche“
       Beschäftigung handeln, die sonst von keinem regulär Angestellten verrichtet
       würde.
       
       Förderkriterien wie „Zusätzlichkeit“, „Wettbewerbsneutralität“ oder
       „öffentliches Interesse“ hätten sich als „praxisuntauglich“ erwiesen und
       müssten durch einen „lokalen Konsens“ ersetzt werden, sagte Pothmer.
       
       10 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Dribbusch
       
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