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       # taz.de -- Real Madrids Präsident Florentino Perez: Der geheime König und seine Loge
       
       > Florentino Pérez ist nicht nur Chef von Real Madrid. Auch Politik,
       > Wirtschaft und Medien steuert er nach seinen Interessen.
       
   IMG Bild: Der König grüßt – Florentino Pérez bei seiner Wahl zum Clubpräsidenten 2009
       
       Madrid taz | Wenn der Präsident ein Problem hat, nimmt er sich den Trainer
       zur Brust. So will es die Fußballfolklore. Nur beim berühmtesten Klub der
       Welt laufen die Dinge nicht ganz so einfach. Da finanziert der Präsident
       lieber ein fiktives Onlineportal, das dann mit fiktiven Journalisten den
       Trainer unter Druck setzt.
       
       Was nach einer Persiflage auf Verschwörungstheoretiker klingt, wurde vor
       zwei Wochen in Spanien publik. Danach finanzierte Real-Chef Florentino
       Pérez mit 300.000 Euro das „Diario Bernabéu“ – benannt nach dem mythischen
       Stadion, in dem Bayern München am Dienstag zum Rückspiel im
       Champions-League-Viertelfinale antritt.
       
       Betreut werden die Deutschen von Carlo Ancelotti, dem Trainer, dem einst
       durch das vermeintlich unabhängige Portal eingeheizt wurde. SMS an Pérez
       verraten etwa eine Kampagne im Fall des Präsidentenlieblings Gareth Bale.
       An Tag eins wurden zwei Artikel veröffentlicht: „Bale fordert seinen Platz“
       und „Ancelotti, lass Bale spielen“. An Tag zwei fragte der „Diario
       Bernabéu“-Chefredakteur in der Pressekonferenz dann den Trainer, ob es
       nicht ein „exzessiver Luxus“ sei, Bale auf der Bank zu lassen. Die Links zu
       Texten und Video schickte er an Pérez. „Bien“, gut, schrieb der zurück.
       
       Das mittlerweile eingestellte „Diario Bernabéu“ bearbeitete weitere Themen.
       Es beklagte angebliche Schiedsrichterbevorteilung des FC Barcelona,
       diskreditierte die klubinterne Opposition oder versuchte, die
       Nachrichtenlage am Transfermarkt zu steuern – Dinge, mit denen sich Pérez
       selbst ungern die Hände schmutzig macht. Noch interessanter ist, wie das
       journalistische Scheinprodukt überhaupt aufflog. Ermittler stießen auf die
       einschlägigen Telefonate und SMS im Rahmen der Púnica-Affäre, eines von
       Spaniens größten Korruptionsskandalen.
       
       Der Chefredakteur des „Diario Bernabéu“, Alejandro De Pedro, gilt als eine
       Schlüsselfigur eines Netzwerks aus Politikern, insbesondere der
       Regierungspartei PP, und Unternehmern, das gegen Schmiergelder öffentliche
       Bauaufträge im Wert von mindestens 250 Millionen Euro veruntreute. Zwar
       sagte Pérez im Prozess aus, beide habe nur eine flüchtige Bekanntschaft
       verbunden, die Untersuchungsprotokolle verraten indes Treffen und mehr als
       100 SMS. De Pedro scheint zeitweise als eine Art persönlicher Imageberater
       fungiert zu haben.
       
       Außer Fußballpräsident ist Pérez auch Bauunternehmer, der größte des
       Landes. Seine Firmengruppe ACS ist die zweitgrößte der Welt. Und die
       Geschichte mit dem Fantasieportal passt bestens in das Geflecht aus
       Wahrheiten und Legenden, das sich um seine Macht rankt. Stellt er seine
       Geschäftstüchtigkeit in den Dienst Reals? Oder dient Real seinen
       Geschäften? Die Debatte existiert seit Jahren, sie trennt Freund und Feind.
       Nicht wenige sehen in Pérez den heimlichen König Spaniens – und im üppigen
       Logenbereich des Estadio Santiago Bernabéu seinen Hofstaat.
       
       ## „Die Fäden des Landes“ würden in Bernabéu gezogen
       
       „In der Loge des Bernabéu werden die Fäden des Landes gezogen“, klagte
       Barcelonas Verteidiger Gerard Piqué kürzlich und spielte als Beispiel für
       anrüchige Informalitäten bei Kroketten und Cava auf Marta Silva an, zu
       Pérez erster Amtszeit (2000 bis 2006) im Vorstand Real, später
       Generalstaatsanwältin. „Die Person, die Messi und Neymar anklagte und,
       zufällig, bei Cristiano nicht diesen Weg ging.“
       
       Piqués Darstellung der Affären um Steuern (Messi und Ronaldo) oder
       Kommissionen (Neymar) war holzschnittartig. Doch das Geschmäckle nährt sich
       dadurch, dass Silva just in den Tagen der „Football-Leaks“-Publikationen
       über Ronaldo abberufen wurde, wie auch durch die Anekdote, dass sie vorige
       Saison nach dem 3:0 von Madrid im Viertelfinale gegen Wolfsburg von Ronaldo
       einen Ball für ihren Sohn unterschreiben ließ.
       
       In seiner zweiten Amtszeit (seit 2009) hat Pérez den Ehrenbereich immer
       weiter in die VIP-Tribüne hineingebaut. Die Gäste kommen aus allen
       gesellschaftlichen Bereichen, besonders gern aus PP, Business und Justiz.
       Der einflussreiche Exregierungschef José María Aznar gehört dazu, auch der
       aktuelle Premier Mariano Rajoy ist Real-Fan.
       
       Der ehemalige PP-Schatzmeister Luis Bárcenas sagte in der „Gürtel-Affäre“,
       Spaniens größtem Korruptionsprozess der letzten Jahre, es sei ja wohl ein
       „Witz“, zu denken, dass Pérez ihn gebraucht habe, um zwischen Baufirmen wie
       ACS und Ministern zu vermitteln. Es gebe direktere Wege. „Die PP hat die
       Loge des Bernabéu, um Geschäfte zu machen.“
       
       Real Madrids größtes Geschäft unter Pérez war zu Beginn des Jahrtausends
       die Umdeklarierung des alten Trainingsgeländes zu Bauland und sein Verkauf.
       Auf dem Areal nahe dem Bernabéu stehen heute vier Wolkenkratzer, die der
       Volksmund nach den Spielern Zidane (der heutige Trainer), Ronaldo (der
       Ältere), Figo und Beckham benannt hat – weil der mit der PP-Stadtverwaltung
       eingefädelte Deal ihre Transfers finanzierte. Die EU-Kommission ermittelte,
       konnte aber keine Unregelmäßigkeiten nachweisen.
       
       Anders als in einem jüngeren Fall: Ein Vereinsliegenschaft soll binnen
       wenigen Jahren um das 22-fache an Wert gewonnen haben, was selbst im
       Immobiliengoldrausch dieser Zeiten etwas zu absurd klingt. Die EU
       verdonnerte den Klub zu einer Rückzahlung in zweistelliger Millionenhöhe.
       
       Pérez selbst erklärte die angeblich sinistren Machenschaften in seiner Loge
       zum Mythos. Es handele sich vielmehr um „einen Begegnungsort, an dem Werte
       vermittelt werden“. Und damit die auch dem Fanvolk nicht entgehen, setzt
       Pérez auf eine aggressive Kommunikationspolitik.
       
       ## Die meisten Sportblätter sind auf Vereinslinie
       
       Dass sich in den unzähligen TV- und Radiodebatten über Real Madrid vom Klub
       bezahlte Journalisten tummeln, ist ein gern geglaubtes Gerücht. Und seine
       Einflussnahme auf Zeitungsredaktionen brachte in jüngerer Zeit klare
       Erfolge. Das zwischenzeitlich etwas distanziertere Sportblatt Marca ist
       nach dem letzten Chefredakteurswechsel wieder stramm auf Linie, und der
       Klubreporter von El País, der jahrelang etwas zu genau hinter die Kulissen
       blickte, wurde von Spaniens renommiertester Zeitung abgezogen. Wohl eher
       kein Zufall, dass der El-País-Chefredakteur auch schon in der Loge des
       Bernabéu gesehen wurde.
       
       Nur am wichtigsten Gegner hat sich Pérez bisher immer die Zähne ausgebissen
       – auch wenn eine von Real lancierte Kampagne dem FC Barcelona sogar mal
       systematisches Doping unterstellte. In Barcelona sind nicht nur Paranoiker
       daher der festen Meinung, dass hinter den Prozessen gegen Messi und Neymar
       eine „schwarze Hand“ stecke, eine Art politisch-justiziell-sportlicher
       Komplex aus PP, Staatsanwaltschaft und Pérez.
       
       Es mag Indizien dafür geben: etwa wenn eine Staatsanwältin den
       Weltfußballer Messi im Prozess um eine für Prominentenverhältnisse
       letztlich relativ handelsübliche Steuerhinterziehung mit dem „Capo einer
       kriminellen Struktur“ vergleicht. Auf der anderen Seite hat Barcelona
       niemand gezwungen, bei der Verpflichtung Neymars eine Reihe krummer
       Verträge aufzusetzen; die übrigens erstmals von einem Vereinsmitglied und
       glühenden Unabhängigkeitsbefürworter angezeigt wurden. Wobei es natürlich
       auch diejenigen gibt, die auch das nur für eine besonders perfide Allianz
       von Pérez halten – einer „für die Gesellschaft extrem negativen
       Persönlichkeit, die mit gezinkten Karten spielt“, so ein Intimfeind, der
       bekannte Sportjournalist José María García.
       
       „Florentino hat viel Macht, und das ist überhaupt keine Legende, sondern
       die Realität“, sagt Alberto Garzón, Sprecher des Linksbündnisses im
       spanischen Parlament. In den Verschwörungstheorien wird sie manchmal bis
       ins Unendliche erhöht. Pérez findet das möglicherweise gar nicht so
       schlecht.
       
       17 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Florian Haupt
       
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