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       # taz.de -- Bildungspolitik der CDU im Wahlkampf: Angriff auf den Schulfrieden
       
       > Das Thema interessiert im Land alle: Mit der Rückkehr zu G9 will die CDU
       > punkten. Dabei hatte sie selbst einst das Turbo-Abi vorangetrieben.
       
   IMG Bild: Daniel Günther ist jetzt doch nicht mehr für's Turbo-Abi
       
       Hamburg taz | CDU-Spitzenkandidat Daniel Günther startete den Wahlkampf mit
       einer Überraschung. Sollte die CDU im Mai in Schleswig-Holstein an die
       Macht kommen, will er die Hamburger Parteikollegin Karin Prien zur
       Bildungsministerin küren, die dann „unverzüglich“ das neunjährige Abitur
       wieder einführt. Das war unerwartet, weil es die Nord-CDU war, die
       jahrelang für das achtjährige „Turbo-Abitur“ stritt.
       
       Danach gefragt, sagt Günther, es habe sich viel verändert. Die Wehrpflicht
       sei entfallen und die Bologna-Reform habe die Studienzeit verkürzt.
       „Deshalb dauert es nicht mehr zu lange, bis junge Menschen in den Beruf
       starten.“ Die längere Zeit solle Gymnasiasten fit für die Uni machen. Er
       wolle den Schülern „erlauben, ein Stück weit jung zu sein und Zeit für
       andere Dinge zu haben“, sagt der Vater einer Tochter. „G9 ist für die
       Kinder am besten.“
       
       Vor ihrer Wende gab die CDU eine Umfrage in Auftrag, die ergab, dass 71
       Prozent der Landsleute für die längere Schulzeit sind, nur 25 Prozent
       dagegen. Bemerkenswert findet Günther, dass „fast alle Schleswig-Holsteiner
       eine Meinung hatten“. Sprich: Nicht nur Eltern und Kinder, auch Oma und
       Nachbarn interessiert’s.
       
       Derzeit gilt: Die meisten der 99 Gymnasien haben die auf acht Jahre
       gekürzte Schulzeit (G8). Nur auf Drängen der zwischenzeitlich regierenden
       FDP gab es 2011 kurzzeitig eine „Wahlfreiheit“ der Schulen, deshalb gibt es
       15 Gymnasien, die noch neun Jahre (G9) anbieten.
       
       Dort würden die Anmeldezahlen „explodieren“, sagt Hendrik Vadersen vom
       Verband der Jungen Philologen und fordert ein „klares Bekenntnis zu G9“.
       Der Philologenverband Schleswig-Holstein ist begeistert vom CDU-Vorstoß.
       Die Erfahrungen hätten gezeigt, dass die Schulzeitkürzung pädagogisch
       falsch ist. „Ein Fehler wird nicht besser, wenn man ihn nicht behebt“, sagt
       Sprecher Jens Finger. „Für G8 gibt es kein einziges wissenschaftliches
       Argument.“ Zudem liege G9 bundesweit im Trend.
       
       ## Wunsch nach „Ruhe in den Schulen“
       
       Doch Wahlkämpfer Günther bezog auch heftig Prügel. Als Aufkündigung des
       „Schulfriedens“ und unnötige Strukturdebatte lehnten die
       Regierungsfraktionen SPD, Grüne und SSW den Vorstoß ab.
       
       In der Tat hatten sich 2014 diverse schulpolitische Akteure wie Eltern- und
       Schülervertretung im einem „Bildungsdialog“ mit der Politik auf eine
       Struktur geeinigt, die unter dem Stichwort „Schulfrieden“ so bleiben soll.
       Demnach gibt es im nördlichsten Bundesland nur noch das Gymnasium und die
       für alle Kinder offene Gemeinschaftsschule. Das G8 soll es nur an Gymnasien
       geben. Für Kinder, denen die Eltern mehr Zeit gönnen, gibt es das Abitur
       nach neun Jahren an den 181 Gemeinschaftsschulen.
       
       Ein weiteres Ziel des „Bildungsdialogs“ war, dass jede Gemeinschaftsschule
       eine eigene oder kooperierende Oberstufe bekommt. „Wir glauben, dass allein
       das Vorhandensein einer Oberstufe die Abiturientenquote erhöht“, sagt der
       SPD-Schulpolitiker Martin Habersaat. Zahlen der Kreise Storman und
       Nordfriesland würden dies erhärten.
       
       Noch sind etliche Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufenanschluss. Laut
       Wahlprogramm würde die CDU keine weiteren Oberstufen erlauben. „Das wäre
       eine zweite Rolle rückwärts“, kritisiert Habersaat.
       
       Das Bündnis für „Schulfrieden“ ist breit. So erntet die CDU selbst beim
       Landeselternbeirat der Gymnasien Kritik. „Wir wollen keine neue
       Strukturdebatte“, sagt der Vorsitzende Thomas Wulff. „Wir wollen Ruhe in
       die Schulen bekommen“.
       
       14 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
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