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       # taz.de -- Verkehrsnetz in Norwegen: Die Wiederentdeckung der Eisenbahn
       
       > Noch immer ist der Norden Norwegens vom Schienennetz abgeschnitten. Die
       > Regierung will das in wenigen Jahren ändern.
       
   IMG Bild: Ein Zug der norwegischen Flambahn
       
       Stockholm taz | Die Bahnhofsgaststätte in Tromsø gibt es seit 1993. Und wie
       es sich gehört, informieren in diesem populären Lokal auch
       Lautsprecherdurchsagen über ankommende und abfahrende Züge. Der kleine
       Haken: Noch hat die nordnorwegische Universitätsstadt überhaupt keinen
       Bahnhof. Das norwegische Schienennetz endet 500 km weiter südlich. Doch das
       soll sich ändern.
       
       Die Regierung in Oslo hat eine Kosten-Nutzen-Studie für eine
       Bahnneubaustrecke nach Tromsø in Auftrag gegeben. Und nachdem schon vor 25
       Jahren eine ähnliche Studie zum Ergebnis kam, dass sich das für die
       Ökonomie des Landes durchaus lohnen würde, sieht es diesmal günstig für
       diesen schon seit 70 Jahren diskutierten Bau aus. Denn mittlerweile hat das
       Frachtaufkommen vom Norden in den Süden kräftig zugenommen und dürfte noch
       weiter steigen. Die vorhandenen Transportwege reichen nicht mehr aus.
       
       Vor allem die Fischerei- und Fischzuchtwirtschaft in den Nordprovinzen, von
       der Norwegen angesichts des absehbaren Endes des Ölzeitalters leben will,
       boomt. Ihre Produktion soll sich in den kommenden drei Jahrzehnten
       verfünffachen. Auf dem Landweg steht für den Transport gen Süden derzeit
       allein die Europastraße 6 zur Verfügung, auf der der Lkw-Verkehr zunehmend
       dichter wird.
       
       Teilweise erfolgen die Lieferungen schon jetzt über die Erzbahn zwischen
       dem norwegischen Narvik und dem schwedischen Kiruna, von wo Anschluss an
       das übrige schwedische Bahnnetz besteht. Doch trotz eines bereits
       projektierten zweigleisigen Ausbaus der Strecke dürfte auch hier spätestens
       in den 2030er Jahren die Kapazitätsgrenze erreicht sein. „Im Norden wird so
       viel produziert, das nach Süden soll, da brauchen wir sichere Korridore“,
       sagt Kent Gudmundsen, Abgeordneter der konservativen Regierungspartei
       Høyre: Es gehe nicht ohne Bahn.
       
       ## Brutaler Besatzungsbau
       
       Seit 1958 endet die Nordnorwegenbahn in Fauske. Ihr Bau war während der
       deutschen Besatzung Norwegens unter Anweisung der Wehrmacht zur Sicherung
       der Nachschubwege begonnen worden. Gebaut wurde sie von Zwangsarbeitern:
       Tausende Gräber auf Friedhöfen längs der Strecke, in denen vor allem
       Kriegsgefangene aus Russland und dem Balkan beerdigt sind, zeugen von der
       Behandlung dieser Arbeitssklaven.
       
       Die Verlängerung der Bahn von Fauske nach Tromsø würde das norwegische
       Schienennetz um ein Zehntel vergrößern. Bisher beläuft es sich in dem Land,
       dessen Fläche rund ein Viertel kleiner ist als die Deutschlands, auf nur
       4.000 Kilometer – etwa 10 Prozent des deutschen Netzes. Und auch wenn es
       noch keine belastbaren Zahlen gibt: Teuer würde der Bau, das größte
       Infrastrukturprojekt im nördlichen Skandinavien in moderner Zeit, sicher
       werden. Vor allem die Etappe zwischen Fauske und Narvik müsste angesichts
       der geografischen Gegebenheiten zu einem großen Teil in Tunneln verlaufen
       und müsste auch Meeresarme queren.
       
       Technisch wäre das mittlerweile kein Problem mehr, und eine große Koalition
       aus Wirtschaft, lokalen PolitikerInnen und der Umwelt- und
       Klimaschutzbewegung steht hinter den Plänen. Mit einer ausgebauten und
       elektrifizierten Nord-Süd-Verbindung wären Fischcontainer nach Oslo statt
       36 bis 40 Stunden dann weniger als halb so lang unterwegs. Und natürlich
       wesentlich klimafreundlicher als auf der Straße. Ohne die Bahn kann
       Norwegen seine Klimaziele nicht erreichen, meint Anton Petter Hauan vom
       Naturschutzverband. Und die Umweltschutzorganisation „Natur og Ungdom“
       sprach anlässlich des Regierungsbeschlusses für eine Machbarkeitsstudie von
       einem „Freudentag“.
       
       Und auch in Schweden tut sich was. Der schon begonnene Aus- und Neubau des
       Schienennetzes nach Nordschweden mit Anschluss nach Finnland soll
       fortgesetzt werden. Der vernachlässigte Nachtzugverkehr nach Lappland
       erhält eine Kapitalspritze, damit die Bahn im Personenverkehr besser mit
       dem Flugzeug konkurrieren kann. Und die rot-grüne Regierung gab im März
       grünes Licht für die ersten beiden Etappen geplanter
       Hochgeschwindigkeitsstrecken zwischen Stockholm, Malmö und Göteborg.
       
       6 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
       
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