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       # taz.de -- Basketball in den USA: Glänzende Arbeiterbiene
       
       > Paul Zipser ist nach holprigem Start bei den Chicago Bulls angekommen. Er
       > hat sich Einsätze erkämpft und könnte in der Playoff-Serie wichtig
       > werden.
       
   IMG Bild: Paul Zipser (l.) im Dribbling
       
       Nein, das war kein wirklich erfolgreicher Arbeitstag für Paul Zipser. Eine
       üble Liste an Nullen war da im Box Score, dem Statistikzettel, zu lesen:
       keine Punkte, kein Assist, kein Steal, kein Block. Nur drei Rebounds auf
       der Habenseite und ein Foul.
       
       Am Ende stand denn auch folgerichtig eine Heimniederlage seiner Mannschaft,
       der Chicago Bulls, gegen die Boston Celtics, für die der 23-jährige
       deutsche Basketballprofi natürlich nicht hauptsächlich verantwortlich war.
       Aber Zipser hatte diesmal auch nicht seinen üblichen Beitrag von der Bank
       geleistet.
       
       Mit dem 104:95-Erfolg im United Center, vor dem eine Bronzestatue von
       Michael Jordan an die glorreichsten Zeiten der Bulls erinnert, haben die
       Celtics die Playoff-Serie ausgeglichen. Eine Serie, die so hoffnungsvoll
       für die Bulls begonnen hatte. Das Team mit der großen Vergangenheit und
       eher mediokren Gegenwart hatte sich erst in letzter Sekunde für die
       Playoffs qualifiziert, dann aber die ersten beiden Auswärtsspiele bei den
       favorisierten Celtics gewonnen.
       
       Großen Anteil daran hatte Zipser: Der Heidelberger, der bis zum vergangenen
       Sommer für Bayern München in der deutschen Bundesliga spielte, versenkte
       fünf Dreier, als die Bulls mit einem Sieg im letzten Spiel der regulären
       Saison die Playoff-Qualifikation klarmachen konnten.
       
       ## Zurückgeschickt in die zweite Mannschaft
       
       Trotzdem ist Zipser noch lange keine Berühmtheit – im Gegensatz zu den
       beiden anderen Deutschen in der NBA, Dirk Nowitzki und Dennis Schröder. Auf
       den Straßen Chicagos wird eher der mit ihm seit gemeinsamen Jahren in
       München befreundete Bastian Schweinsteiger erkannt, der seit ein paar
       Wochen für Chicago Fire, die in der Nachbarschaft ansässige Filiale des
       Soccer-Liga MLS, tätig ist und sich auch schon bei einem von Zipsers
       Auftritten im United Center sehen ließ.
       
       Aber Zipser hat sich mittlerweile mit den vermeintlich typisch deutschen
       Eigenschaften Verlässlichkeit und Beharrlichkeit einen Status als solider
       Ergänzungsspieler erarbeitet. Denn reibungslos war die Saison nicht
       verlaufen für Zipser, der im vergangenen Sommer einen Zweijahresvertrag in
       Chicago unterschrieben hatte.
       
       Der Start in das Abenteuer NBA verlief eher holprig. Immer wieder wurde er
       zurückgeschickt in die zweite Mannschaft, die Windy City Bulls, die in der
       sogenannten D-League spielen. Eine Zeit lang sah es danach aus, als könnte
       der Traum eines jeden Basketballspielers, in der besten Liga der Welt zu
       spielen, für Zipser schnell wieder ausgeträumt sein. Aber das „D“ in
       D-League steht für „development“, und auch Zipser sollte dort sein Spiel
       weiterentwickeln. Das gelang ihm so gut, dass er im Laufe der Saison von
       einer Randfigur im Spiel der Bulls zum wichtigen Rollenspieler wurde.
       
       ## Eindeutige Hierarchie
       
       Mittlerweile kommt Zipser bei den Bulls als einer der ersten Spieler von
       der Bank und darf dann meist am längsten auf dem Spielfeld bleiben. Zum
       zweiten Sieg in Boston trug er 16 Punkte bei. Zipser glänzt selten mit
       spektakulären Aktionen, macht stattdessen solide seine Punkte und wird auch
       nicht gleich größenwahnsinnig, wenn es mal besser läuft. Stattdessen stellt
       er sich wieder brav in die zweite Reihe und reüssiert auch im Nebenfach
       diplomatisch-nichtssagende Sportlerphrasen: „Ich habe meine Chancen genutzt
       und gezeigt, dass ich dem Team helfen kann.“
       
       Solch eine anspruchslose Arbeiterbienenmentalität wird geschätzt in der
       NBA, wo in jedem Team die Rollen klar verteilt sind. Auch bei den Bulls
       gibt es eine eindeutige Hierarchie: Die Stars Jimmy Butler, Dwayne Wade und
       Rajon Rondo bestimmen das Spiel und machen die meisten Würfe. Der Rest,
       also auch der deutsche Nationalspieler Zipser, muss vor allem verteidigen,
       die Kärrnerarbeit unterm Korb verrichten und die Räume für die Stars
       schaffen.
       
       Dieses Starsystem ist denn auch der Grund, warum die Serie nun zu kippen
       scheint. Denn Aufbauspieler Rondo fehlte bei den zwei Heimniederlagen mit
       einem gebrochenen Daumen. Wann er wieder spielen kann, ist unklar, in der
       Best-of-seven-Serie gegen die Celtics wird er auf keinen Fall mehr zum
       Einsatz kommen. Auch nicht heute Nacht, wenn das fünfte Spiel wieder in
       Boston steigt. Umso wichtiger wird es sein, dass Paul Zipser die ihm
       zugewiesene Rolle wieder verlässlicher ausfüllt und keine lange Liste aus
       Nullen mehr produziert.
       
       26 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas Winkler
       
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