# taz.de -- Kommentar Referendum in der Türkei: Eine Ohrfeige für den „Sultan“
> Erdoğan erklärt sich vorzeitig zum Sieger. Die Opposition kündigt
> Wahlanfechtungen an. Eine schmale Basis für die „neue Türkei“. Es droht
> Repression.
IMG Bild: Auch wenn vieles darauf hindeutet, dass das „Ja“-Lager gewinnt: Erdoğans „neue Türkei“ wird auf einer schmalen Basis stehen
Noch bevor das offizielle Wahlergebnis feststeht, hat Recep Tayyip Erdoğan
sich zum Sieger erklärt. [1][Das Ergebnis ist dennoch eine Ohrfeige für den
selbst ernannten Sultan.] Bei knapp 48 Millionen abgegebenen Stimmen
gewinnt er nach dem Stand von Sonntagabend mit nur einer Million Stimmen
Differenz.
Schon jetzt bezweifelt die Opposition, dass ehrlich gezählt wurde und will
die Abstimmungsergebnisse in weiten Teilen des Landes anfechten. Auf dieser
schmalen Basis will Erdoğan nun seine neue Türkei gründen, ein autoritäres
Präsidialsystem, mit dem die Demokratie faktisch abgeschafft und das von
der Hälfte der türkischen Bevölkerung vehement ablehnt wird.
Das kann nicht gut gehen, sondern ist nur mit massiver Repression und
Gewalt denkbar. Schon die Abstimmung war nur durch den Ausnahmezustand
möglich. Wichtige Oppositionspolitiker sitzen in Haft, die Medien sind von
der Regierung kontrolliert und die „Nein“-Kampagne wurde massiv behindert.
Umso mehr wird der Teil der Bevölkerung, der gegen die Verfassungsänderung
gestimmt hat, sich jetzt betrogen fühlen. Selbst innerhalb der AKP herrscht
Katerstimmung. Niemand hat ein so schlechter Ergebnis für möglich gehalten,
Erdoğan soll bis zuletzt auf 60 Prozent der Stimmen gehofft haben.
Doch der Mann kann nicht mehr zurück. Die Enttäuschung wird dazu führen,
Sündenböcke zu suchen und die Paranoia, die bei Erdoğan und seiner Umgebung
sowieso schon vorherrscht, weiter anheizen.
Die Säuberungsaktionen der letzten Monate dürften jetzt auf die AKP
ausgeweitet werden. Jeder ist verdächtig, mit „Nein“ gestimmt zu haben oder
aber die „Ja“-Kampagne zu wenig unterstützt zu haben. Erdogan weiß, dass er
sich auf diesem Scheinsieg nicht ausruhen kann. Er wird nun einiges tun, um
an der Macht zu bleiben.
[2][Lesen Sie hier die Analyse zum Referendum in der Türkei]
16 Apr 2017
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## AUTOREN
DIR Jürgen Gottschlich
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