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       # taz.de -- Stadtplanung in Delmenhorst: Angetäuschter Abriss im Wollepark
       
       > Mit medialem Groß-Aufmarsch hat Delmenhorsts Oberbürgermeister gestern
       > den Abriss zweier Wohnblöcke im Wollepark eingeleitet, die der Stadt
       > gehören.
       
   IMG Bild: Nur symbolisch: Der echte Abriss zweier Blöcke soll noch folgen
       
       Pünktlich um 9.30 Uhr kam der Baggerfahrer und biss mit seiner
       überdimensionalen Abriss-Zange einige Stücke aus der Betonwand. Nach zehn
       Minuten war das Werk vollendet, die Bilder waren gemacht und er stellte den
       Motor ab. Abrissbeginn am Wollepark in Delmenhorst – „ein wunderschöner
       Tag“, freute sich SPD-Oberbürgermeister Axel Jahntz.
       
       Seit zehn Jahren stehen die Häuserblöcke Wollepark Nummer 1 bis 5 leer.
       2015 hatte die Stadt diese Gebäude und ein daneben liegendes Parkhaus bei
       einer Zwangsversteigerung für rund 625.000 Euro gekauft – um sie abreißen
       zu lassen. Denn seit 2000 gibt es, förmlich beschlossen, das
       „Sanierungsgebiet Wollepark“, in dem die Häuser liegen. Die Wohnblöcke 11
       und 12 des gleichen Ensembles machten Anfang April Schlagzeilen, weil den
       Mietern wegen säumiger Zahlungen der Eigentümer kollektiv das Wasser
       abgestellt wurde. Sie liegen den leerstehenden Blöcken gegenüber.
       
       Rund ein Dutzend Journalisten waren also gestern gekommen – dabei folgt der
       Abriss der leeren Wohnblöcke eigentlich erst in zwei Monaten. Derzeit
       reißen Bauarbeiter noch die asbesthaltigen Böden heraus. Der Bagger-Biss
       galt dem Parkhaus daneben und war rein symbolisch. Der Termin war wohl
       gewählt worden, weil heute in den Wohnblöcken 11 und 12 das Gas abgestellt
       werden soll.
       
       „Die Probleme mit diesen beiden Wohnblocks haben mit diesem Abriss nichts
       zu tun“, beteuerte zwar der Oberbürgermeister. Für die Gas-Abstellung seien
       die Stadtwerke verantwortlich, auf die er keinen Einfluss habe.
       Offensichtlich handelte es sich dennoch um eine konzertierte Aktion.
       
       Mieter sollen offenbar vertrieben werden 
       
       Während die Abstellung des Wassers vor drei Wochen vom Gericht wegen einer
       Fristverletzung gestoppt wurde, bestehen für die Abstellung des Gases keine
       strengen Ankündigungs-Fristen, erklärt ein Sprecher des Oldenburger
       Landgerichtes. So wird heute nur die Berufung im Wasser-Streit verhandelt,
       der Versuch des Verwalters der Wohnblöcke, die Gasabstellung per
       einstweiliger Verfügung zu verhindern, schlug fehl.
       
       Auch wenn das niemand offen sagt, Ziel der Stadt ist es offenbar, die
       Mieter aus den beiden Problem-Blöcken zu vertreiben und auch diese
       irgendwann abzureißen – dazu wurden gestern sozusagen „schräg gegenüber“
       die Bilder produziert.
       
       Ende März hatte es eine groß angelegte Polizei-Razzia im Wollepark gegeben.
       Die Stadt schätzt, dass hier rund 1.000 Menschen leben – vor allem aus
       Bulgarien, Rumänien und Polen. Offiziell gemeldet sind aber nur 749.
       Deshalb musste sich jeder, den die Polizei an jenem Tag antraf, ausweisen.
       Rauschgift und Waffen wurden beschlagnahmt.
       
       Bürgermeister Jahntz ließ sich mit starken Worten zitieren, gegen die
       „Parallelgesellschaft“ Wollepark: „Unser Ziel ist, dass wir hier aufräumen
       und dass wir eine neue Wohnlandschaft schaffen. Wenn die Blocks weg sind,
       haben wir eine ganz andere Kontrolle.“
       
       Geld für Nebenkosten wird nicht weitergeleitet 
       
       Die türkischen Mieter in den Nachbarhäusern sind nicht gut auf die
       Communitys vom Balkan zu sprechen: „Schlechte Menschen“ seien das, sagt
       eine alte türkische Frau. Es herrschten Gewalt und Kriminalität.
       
       Gleichzeitig haben viele der 70 Eigentümer der Problem-Blocks 11 und 12
       türkische Namen, und das sind die, die der Oberbürgermeister mit dem
       Etikett „kriminell“ versehen hat: Wie die Mieter berichten, kassieren
       einige Eigentümer das Geld für Miete und Nebenkosten am Ende des Monats per
       Hausbesuch teilweise bar auf die Hand – und leiten es dann aber nicht an
       den Hausverwalter Mehmet Erdem. Der Bremer Gold-An- und Verkauf-Händler,
       ist auch der Verwalter für die ganze Eigentümer-Gemeinschaft und steht bei
       den Stadtwerken Delmenhorst mit 260.000 Euro Schulden in der Kreide.
       
       Die Stadtwerke haben nie versucht, das Geld per Gericht einzutreiben –
       jetzt aber wollen sie Druck machen und das Gas abstellen. Nur wenige
       Eigentümer haben sich schon erkundigt, ob die Stadt ihnen die
       Problemwohnungen abkaufen würde. Nur wenige Mieter wollen umziehen.
       
       Dass die anderen die Sprache der harten Fakten einer Gas- und
       Wasserabstellung nun auch verstehen, hofft die Stadt. Das Jobcenter
       jedenfalls steht auf dem Standpunkt, dass Wohnungen, in denen es kein Gas
       und kein Wasser gibt, unbewohnbar sind – und hat begonnen, die
       Sozialhilfe-Überweisungen, die für die Mietkosten direkt an die Vermieter
       gingen, zu stornieren.
       
       26 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Wolschner
       
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