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       # taz.de -- Bilanz zur Entwicklungspolitik: Mehr Geld, mehr Jobs – mehr Show
       
       > Im entwicklungspolitischen Bericht zieht Minister Gerd Müller Bilanz.
       > Kritiker ärgern sich über seine „Selbstinszenierung“.
       
   IMG Bild: Müller im Mittelpunkt
       
       Berlin taz | Die wichtigsten entwicklungspolitischen Ziele Deutschlands
       sind derzeit die Fluchtursachenbekämpfung und der Kampf gegen den Hunger.
       Das besagt der 15. Entwicklungspolitische Bericht der Bundesregierung, den
       das Kabinett am Mittwoch verabschiedet hat. Zudem nennt das Dokument etwa
       eine gerechtere Weltwirtschaft, globale Partnerschaften sowie Maßnahmen
       gegen den Klimawandel als wichtige „Weichenstellungen“.
       
       Der Bericht ist eine Art Weißbuch der Entwicklungspolitik und erscheint
       alle vier Jahre. In ihm zieht Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) eine
       erste Bilanz zu seiner Amtszeit. Entwicklungspolitik sei wichtiger denn je,
       die Themen „im Zentrum der Politik“, sagte Müller bei der
       Regierungsbefragung am Mittwoch im Bundestag.
       
       Dem Bericht zufolge hat sich Müllers Ministerium besonders dabei
       hervorgetan, mit 14 Innovationszentren die Erträge und wirtschaftliche
       Situation von 800.000 Kleinbauern zu verbessern. Für Bildung und
       Beschäftigung von Flüchtlingen habe das Ministerium in den vergangenen
       Jahren 10 Milliarden Euro ausgegeben und mit der „Beschäftigungsinitiative
       Nahost“ bis Ende 2016 für Jobs für mehr als 60.000 Menschen gesorgt. Der
       Minister hebt auch seine Bemühungen für einen gerechten Handel hervor – so
       etwa das Textilbündnis. Das hatte Müller 2014 gegründet, um für bessere
       Arbeitsbedingungen und ökologische Standards in den Textillieferketten zu
       sorgen.
       
       Doch von Anfang an gab es Ärger: Das Bündnis startete ohne die größten
       Unternehmen. Zwar sind mittlerweile auch viele Textilriesen unter den
       Mitgliedern, doch die Anforderungen gehen Aktivisten nicht weit genug.
       
       ## Kritik an fehlender Verbindlichkeit
       
       Wenig Verbindlichkeit – deswegen kritisiert der entwicklungspolitische
       Sprecher der Grünen-Fraktion, Uwe Kekeritz, das Bündnis als „Geschenk an
       die Industrie“. Seiner Ansicht nach war die Amtszeit Müllers bisher
       „geprägt von Selbstdarstellung und medialen Blitzlichtgewittern“.
       
       Leider setzten das Entwicklungsministerium und die Bundesregierung „zu
       häufig auf freiwillige Lösungen und den guten Willen“, erklärte Bernd
       Bornhorst, Vorsitzender des Entwicklungs-Dachverbandes Venro. Müller „hat
       in den vergangenen Jahren wichtige Themen gesetzt, aber bei der Umsetzung
       hapert es immer wieder“.
       
       Für Aufmerksamkeit hat der Entwicklungsminister tatsächlich gesorgt, nicht
       zuletzt mit seinem „Marshallplan für Afrika“, den er sich als
       Errungenschaft in die Bilanz schreibt. Dieses Zukunftskonzept hatte der
       Minister im Januar vorgestellt.
       
       Im Marshallplan setzt sich Müller unter anderem für
       „entwicklungsfreundliche Handels- und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen“
       ein. Als Minister aber stützte er die umstrittenen EPA-Abkommen mit
       afrikanischen Staaten. „Sie hatten vier Jahre Zeit, die
       Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zu stoppen“, warf ihm die
       entwicklungspolitische Sprecherin der Linken, Heike Hänsel, vor. „Ein Veto
       der Bundesregierung auf EU-Ebene hätte gereicht.“
       
       ## Das große Ziel der Welt ohne Hunger
       
       Ihr Parteikollege Niema Movassat blickt auch auf das große Ziel
       Hungerbekämpfung mit Skepsis: Müller lege einen Fokus auf Privatkonzerne in
       der Entwicklungszusammenarbeit. So sei eine Welt ohne Hunger nicht zu
       schaffen.
       
       Unter anderen Umständen hätte Müller sich wohl besonders für einen Punkt
       feiern können: Im vergangenen Jahr hat Deutschland erstmals das seit fast
       50 Jahren bestehende Ziel erreicht, 0,7 Prozent des
       Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe auszugeben. Allerdings
       machen einen großen Teil davon Ausgaben etwa für Unterbringung und
       Verpflegung aus – im Inland.
       
       26 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eva Oer
       
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       hierzulande.