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       # taz.de -- Kolumne Nach Geburt: Big parent is watching you
       
       > Kameras an der Wand, Sensoren im Babybett – wollen wir wirklich, dass
       > Kinderzimmer zu Hochsicherheitstrakten werden?
       
   IMG Bild: Damit ließe sich bestimmt prima der Garten überwachen
       
       Während meiner Elternzeit habe ich online zwei Kindervideos gesehen: In dem
       einen [1][stürzt eine Kommode auf einen zwei Jahre alten Jungen], sein
       Zwillingsbruder hilft ihm, sich zu befreien. In dem anderen ist ebenfalls
       ein Zweijähriger zu sehen, er liegt im Bett, im Halbschlaf feuert er sein
       Lieblingseishockeyteam an: [2][„Let’s go, Rangers!“]
       
       Die Kommentierung war eigentlich überall gleich: Auf der einen Seite:
       „Albtraum aller Eltern“ und „zum Glück noch mal gut gegangen“. Auf der
       anderen Seite: „süß“, und irgendwas mit „Wenn die Rangers mal den Stanley
       Cup gewinnen . . .“.
       
       Nur eine wichtige Anmerkung oder – genauer gesagt – Frage fehlte in allen
       Beiträgen zu den Videos: Warum zur Hölle installieren Eltern Kameras in den
       Zimmern ihrer Kinder?
       
       Die eine Aufnahme zeigt ja, was das bringt: gar nichts. Das Kind liegt eine
       Ewigkeit unter dem Schrank – und wer muss es darunter hervorzerren? Der
       Bruder! Kein Elternteil stürmt herein, niemand. Wo waren alle? Vorm
       Fernseher, um sich das Spektakel live anzuschauen?
       
       Statt die Kamera einzurichten, hätten die Eltern im Kinderzimmer mal lieber
       den Schrank an die Wand schrauben sollen. Aber damit kann man natürlich
       nicht so geile YouTube-Videos produzieren.
       
       ## Die Standardausrüstung für besorgte Eltern
       
       Und weshalb muss man den Schlaf eines Zweijährigen filmen? Ich könnte das
       verstehen, wenn das Kind schwer krank wäre, aber so wirkt es nicht. Das
       scheint eher so eine Art Standardausrüstung für ganz normal besorgte Eltern
       zu sein. In einem Text über den süßen, kleinen Rangers-Fan schreibt der
       Autor sogar „Thank God for baby monitors“.
       
       Thank. God. For. Baby. Monitors.
       
       Wer noch ein bisschen besorgter ist, für den gibt es Matten mit Sensoren
       zur Überwachung der Atmung und des Herzschlags. Wird mehr als 20 Sekunden
       lang keine Bewegung registriert, schlägt das Babyphone Alarm. Das
       Gesamtpaket Audio-, Video- und Bewegungs- beziehungsweise
       Atmungsüberwachung gibt’s ab ungefähr 200 Euro. Thank God.
       
       Ich kann gut verstehen, dass Eltern sich Sorgen machen und ihr Kind gern 24
       Stunden am Tag behüten wollen. Doch glauben Sie mir, Sie schlafen nicht
       besser, wenn immer wieder irgendein Sensor piept. Meine Tochter hatte
       schließlich das volle Programm – und wie oft allein dieser
       Sauerstoffsättigungssensor, der um ihre minikleine Hand geschlungen war,
       verrutschte. Nicht schön.
       
       Ich war froh, als meine Tochter während ihrer Zeit auf der Intensivstation
       und danach peu à peu all diese Sachen loswurde: erst den Schlauch zur
       künstlichen Beatmung, die aufgeklebten Elektroden, dann den intravenösen
       Zugang, dann den Sensor zur Messung der Sauerstoffsättigung – und sich
       schlussendlich auch die Magensonde aus der Nase zog.
       
       Man könnte es bei einem gesunden Kind ja auch einfach nur mit einem
       Audio-Babyphone und – statt mit Überwachung – mit Vertrauen versuchen.
       Vertrauen darin, dass ein Kind, dass gut und gesund einschläft, auch gut
       und gesund wieder aufwacht. Dafür kann man dann – wenn man will –
       tatsächlich Gott danken. Für all den Überwachungskram danken Sie besser
       Media Markt oder Amazon oder Saturn oder den Herstellern.
       
       6 May 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=EtsrIpeMIkE
   DIR [2] https://www.youtube.com/watch?v=5471aesln58
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürn Kruse
       
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