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       # taz.de -- Debatte Tierschutz: Das Tier als Herrenhandtasche
       
       > Bastelanleitungen für Sauenhütten, Tipps für schwangere Jägerinnen: Die
       > Lektüre der „Jagdzeitung“ liefert Einblicke in eine verstörende Welt.
       
   IMG Bild: Eine „urige Spezies“: das Wildschwein macht Jägern Freude
       
       Erstmals im Leben habe ich mir ein Exemplar der Deutschen Jagdzeitung
       gekauft, vermutlich weil ich erstmals im Leben den Eindruck hatte, dass
       sich meine Interessen und die der Jäger überschnitten. „Wald voller
       Wutzen“, lautet nämlich der Titel des Aprilhefts, und erstens mag ich
       Alliterationen und zweitens Wildschweine. Auf dem Cover wühlen sich nicht
       weniger als 13 entzückende Frischlinge durch das Laub; ein Blick ins
       Inhaltsverzeichnis kündigt die Bastelanleitung für eine „Sauenhütte“ an.
       Mit deren Bau kann man es den Müttern solcher Frischlinge gemütlicher
       machen, damit sie ungestört von schlechten Witterungsverhältnissen willig
       im Wald der Wahl werfen.
       
       Ich merke schon, von dem W komme ich nicht mehr weg. Jedenfalls scheuen
       manche Jäger anscheinend keine Mühe, sie werkeln mit Pfosten, Maschendraht,
       Dachlatten und Strohballen und legen sogar einen Graben zum Ableiten des
       Oberflächenwassers an. Richtig „wohlfühlen“ sollen sich die Wildschweine in
       ihrem „Eigenheim“. Die Belohnung für den Menschen ist teils ästhetischer
       Art: „Besonders im Winter und nach Regen liegen die Sauen oft vor der Hütte
       im Sonnenschein und genießen die Wärme.“ Es folgen aber auch praktische
       Empfehlungen, wie man die Eigenheimbewohnerinnen auf dem Weg zur oder von
       der Hütte abknallen oder verletzte Tiere nach einer Treibjagd dort
       „aufsammeln“ kann.
       
       Gerade die Jagd auf Wildschweine begründen Jäger ja traditionell mit der
       gleichnamigen „Plage“, doch aus dieser Zeitschrift geht klar hervor, dass
       es andere Maßnahmen gäbe, die Wildschweinpopulation einzudämmen (zum
       Beispiel das gezielte Schießen von Bachen oder die Pille für die Sau).
       Aber: „Nur ein Jahr später wird gejammert, dass keine Sauen mehr im Revier
       sind.“ Und das will keiner.
       
       Das jägerische Lob des Schweins ist wortreich und läuft darauf hinaus, dass
       es irgendwie auch Bestimmung und Glück der Schweine ist, erschossen zu
       werden. „Sie sind urig sowie wehrhaft, ganzjährig bejagbar, bei Tag und bei
       Nacht. Sie haben es zweifellos verdient, anständig bejagt zu werden.“
       
       ## Dem Rotrock auf den Pelz rücken
       
       Aber bevor jetzt wieder irgendwelche Tierschützer anrücken und den Jägern
       Speziesismus vorwerfen: Auch weniger urige und wehrhafte Spezies haben es
       natürlich verdient, anständig bejagt zu werden, daran besteht kein Zweifel!
       Der Bastelanleitung für die Sauenhütte folgt die für eine Marderfalle, und
       im Editorial wird geradezu überschwänglich für die Jagd auf den „Rotrock“
       ins Jagdhorn geblasen, dem man nicht nur mit „Büchse oder Flinte“ auf den
       Pelz rücken solle, sondern auch mit Kastenfalle und Eisen.
       
       Zur Erinnerung: Kastenfallen müssen laut Gesetz nur zweimal am Tag
       kontrolliert werden, daher sitzen die Tiere meist stundenlang in Panik
       fest, gehen bisweilen gar an Kreislaufversagen zu Grunde und werden
       gelegentlich auch schlicht vergessen. Abzugeisen (Totschlagfallen) sollen
       zwar zum sofortigen Tod führen, klemmen aber gerade größere Tiere wie
       Waschbären oft lebend und unter Qualen ein.
       
       Dank der Fülle todbringender Mittel kommt eine erkleckliche Menge an
       Beutetieren zusammen, von deren Ablichtungen die Zeitschrift großzügig
       Gebrauch macht: noch mit Innereien oder bereits ohne, mit Blutlache im
       Schnee oder im Auto, schon steif oder noch warm. Mir war das vorher nicht
       so klar, aber nach diesen Fotos zu urteilen, ziehen Jäger mit toten,
       kopfunter hängenden Tieren so gern und selbstverständlich durch die Gegend
       wie Touristen mit ihren Herrenhandtaschen durch Berlin oder Neapel.
       
       Wie viele Leute lesen überhaupt so eine Jagdzeitschrift? Schließlich hat
       heutzutage jede Kleingruppe von Durchgeknallten ihr Fachorgan. Die
       gedruckte Auflage der DJZ liegt bei 40.000, die Reichweite bei 300.000. Den
       Jagdschein besitzen in Deutschland übrigens 400.000 Menschen – sie haben
       also die Lizenz zum Benutzen und Erwerben von Waffen.
       
       Dauerhaft in Besitz der Waffen zu bleiben, wird ihnen allerdings
       anscheinend schwer gemacht. Deutschland, deine Vorschriften und Behörden!
       Ein Artikel in besagtem Magazin ist den Scherereien gewidmet, die einem der
       „Amtsschimmel“ machen kann, wenn man zum Beispiel zu einer Haftstrafe
       verurteilt wurde. Ein Jäger bekam Probleme, bloß weil er bei einer
       Verkehrskontrolle betrunken erwischt wurde und sich durch Flucht der
       Polizei entziehen wollte. Auch von Patronen begleitete Drohbriefe an
       ungeliebte Mitmenschen sind wenig empfehlenswert. Man bedenke: „Beim Thema
       Waffen versteht der deutsche Amtsschimmel keinen Spaß.“
       
       ## Spaßbremse „Amtsschimmel“
       
       Auch wegen der Mitgliedschaft bei gewissen Organisationen kann einem der
       Waffenbesitz streitig gemacht werden. Das Foto zeigt Springerstiefel mit
       weißen Schnürriemen und einem gut bestückten Waffenschrank, an dem eine
       Bomberjacke hängt: „Wer einer verbotenen Organisation angehört, ist ganz
       schnell im Fokus der Behörden – Waffen ade.“ Dass die Zeitschrift ihre
       Abonnenten warnt, sie müssten sich im Falle des Erwischtwerdens
       gewissermaßen zwischen der Jagd auf Ausländer und auf Sauen entscheiden,
       bin ich geneigt, als fürsorglich-liebevoll zu verbuchen.
       
       Wer sich nichts Derartiges zuschulden kommen ließ, kann sich weiter hinten
       im Heft zur Anschaffung weiterer Waffen Rat holen. Manch ein Gewehr „mutet
       recht militärisch an“, schreibt die DJZ, darunter ein Selbstlader mit
       Magazin und Zweibein, der aussieht wie ein militärisches Sturmgewehr, aber
       ganz offiziell für die Jagd konzipiert ist. Lieber Amtsschimmel, jetzt gib
       bitte nicht wieder die Spaßbremse . . . Das ist doch bloß ein bisschen
       Krieg spielen mit Tieren!
       
       Auch Frauen hat die DJZ übrigens im Visier (kleines Wortspiel nach Art des
       Hauses). Im Maiheft soll es unter anderem um die Schwangerenjagd (also
       jagende Menschinnen) gehen. Auch die folgende Ankündigung habe ich mir
       jetzt nicht ausgedacht, Ehrenwort. Deren Überschrift lautet: „Pirschen mit
       dicker Kugel?“, der Teaser: „Worauf sollte eine werdende Mutti achten, um
       ihren Frischling nicht in Gefahr zu bringen“. Eine Frau wird folgendermaßen
       zitiert: „Meinem Baby hat es auf der Jagd immer gut gefallen.“ Diese
       Ausgabe brauche ich natürlich auch.
       
       7 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hilal Sezgin
       
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