# taz.de -- IGA in Berlin-Marzahn: Nur die Harten komm' in‘ Garten
> Die Internationale Gartenausstellung öffnet, als gerade die Kälte
> zurückkehrt. Zu Besuch bei Mährobotern, Bärenfellgras und Schneeflocken.
IMG Bild: Heiter bis wolkig und saukalt: Das Wetter zur Eröffnung der IGA in Marzahn
„Ein herrlicher Sommertag heute, oder? Ist doch perfekt für einen Ausflug
zur Internationalen Gartenausstellung in Berlin-Marzahn!“ So beginnt der
Imagetrailer der IGA 2017. Am 19. April, dem siebten Tag der Ausstellung,
schneit es in Berlin. Ein paar Flocken nur, aber genug, das Leute drüber
twittern. Wer jetzt zur IGA kommt und dafür 20 Euro zahlt (ermäßigt: 18
Euro), liebt die frische Luft. „Draußis“ hat Bill Kaulitz von Tokio Hotel
solche Leute mal genannt und meinte es nicht böse.
## *****
„Ist aber nett, dass die Seilbahn nicht extra kostet“ – „Stell dir mal vor,
wir bleiben stecken. Dann kommen sie mit dem Hubschrauber.“ – „Es soll hier
ja auch Gondeln geben, wo der Boden …, na, wo man unten rausgucken kann.“
– „Ja, aber nur sechs Stück insgesamt. Ich glaube, man erkennt sie an der
Werbung dran.“ Die Seilbahn wurde extra für IGA gebaut. Sie ist ein
Highlight, wirklich!, und vor allem an einem so leeren Tag, dann kann man
mit ihr fahren, ohne anzustehen, immer wieder im Kreis.
Der Aprilwind pfeift hart durch die Kabine, aber keine Sorge, Seilbahnen
können das ab. Die sind für echtes Gebirge konstruiert, nicht bloß für
den Kienberg, 102,2 Meter hoch. Bei der Abfahrt erhebt sich der Fernsehturm
wie ein Zierlauch am Horizont, fern ist er und erinnert daran, dass man ja
in Berlin ist. Man hätte es sonst vergessen, so normal sehen die Besucher
aus, es sind vielleicht die normalsten Menschen der Welt. Sie tragen
normale Frisuren, haben einfarbige Jacken an und unauffällige Hosen. Einzig
die Zahl der Renterinnen ist überdurchschnittlich, aber es ist ja auch ein
Wochentag.
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Ein Rasen. Darauf ein Schild. „Hier läuft ein automatischer Mähroboter der
Marke Husqvarna. Bitte halten sie entsprechend Abstand.“
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Zum Beispiel das Bärenfellgras: Es bildet kleine Polster. Pflanzt man es
auf dem Balkon zwischen die Geranien, sorgt es für Abstufungen: hoch, tief,
hoch, tief. Ein einfacher Trick! „Nix gegen Geranien, aber ein bisschen
Abwechslung ist ja auch schön und auch moderner.“ – „Ich hab aber gehört,
die Geranie ist immer noch die meistverkaufte Blume?“ – „Ja. Aber man kann
ja auch mal was anderes machen.“
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Das Motto der IGA: „Ein MEHR aus Farben“. Die Garten- und
Kulturjournalistin Christa Hasselhorst vertritt die Gegenposition: „In
Deutschland sehen viele Gärten doch aus wie so’n Karnevalsfest.“ Sie hält
im „Horticultural Training Centre“ einen Vortrag über den „Grünen Garten“,
darüber hat sie ein Buch geschrieben. Hasselhorst zeigt Gärten aus Belgien,
den Niederlanden, dem Münster- und dem Ammerland, wo es „mehr Baumschulen
als Kneipen gibt“.
Sie empfiehlt den „Taschentuchbaum, als Solitär genutzt“, warnt vor der
Thujahecke („das sieht immer aus wie auf dem Friedhof“) und lobt „die
weißblättrige Birne, wirklich eine Herzensempfehlung“. Sie erzählt vom
Moos als Feinstaubfilter, darauf würden sie jetzt auch in Stuttgart kommen,
während es in Kioto längst Moosgärtner gäbe, die mit der Pinzette arbeiten.
Fazit: „Es muss nicht immer Eibe oder Buchs sein. Warum nicht mal
Liguster?“
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Auf dem Kienberg steht eine Bratwurstbude, denn irgendwo muss immer eine
Bratwurstbude stehen, und davor stehen Draußenmöbel, aus Europaletten und
wasserabweisendem Kunststoff. Und darauf sitzen Menschen, weil die Sonne
ein wenig scheint. Egal, dass es gleichzeitig schon wieder leicht zu
schneien beginnt.
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„Ich habe ganz lange kein Gelb mit drin gehabt. Aber neulich habe ich in
Weihenstephan Arbeiten der Abschlussklasse gesehen, mit Gelb-Rot. Ganz
super.“ – „Für mich ist das trotzdem nichts. In der FAS war ja neulich erst
ein Artikel: ‚Geliebt, geschmäht: die Farbe Gelb im Garten‘.“ – „Ja, den
hab ich auch gelesen.“ – „Gelb galt ja lange als prollig.“ – „In meinem
Garten habe ich Winterlinge.“ – „Ach, die gehen?“ – „Ja. Aber sonst …“
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Zu den Neubauten für die IGA gehören: ein Amphitheater, das so schön
aussieht, als würde es in einem modernen Hobbitdorf stehen. Dann die
Seilbahn natürlich, Spielplätze und eine Tropenhalle. Drinnen steht eine
balinesische Tempelanlage, aber das ist egal, denn drinnen sind es vor
allem über 25 Grad. Ein Segen! Zu lange darf man jedoch nicht bleiben,
sonst kriecht die tropische Luftfeuchtigkeit ins Smartphone und macht es
kaputt.
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Noch einmal Seilbahn fahren. „Jetzt hat man einen schönen Blick.“ – „Guck
mal, da ist ein Wasserfall in der Wand drin in dem Areal.“ – „Wollen wir
noch auf den Aussichtsturm?“ – „Dafür ist es ja vielleicht wirklich zu
kalt.“ – „Ja.“ – „Hätten wir ja doch nen Schnaps trinken können.“ – „Aus
der Dose!“
21 Apr 2017
## AUTOREN
DIR Michael Brake
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