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       # taz.de -- Die Wahrheit: Sind so kleine Hirne
       
       > Forscher sind dem Winterschlaf auf der Spur. Sie wollen herausfinden, ob
       > auch Menschen ihr Gehirn in der kalten Jahreszeit schrumpfen lassen
       > können.
       
   IMG Bild: In solch einem handelsüblichen Hirn steckt die Fähigkeit, eine lange Zeit ganz tief wegzudämmern
       
       „Spitzmaus, Wiesel, Hermelin / ham nicht viel im Koppe drin“, sagt der
       Volksmund, und wie so oft hat solch ein Spruch einen wahren Kern. Denn die
       drei Kleinräuber sind wirklich nicht mit einem übermäßig großen Gehirn
       ausgestattet. Das ist bekannt, völlig neu ist aber die Erkenntnis, dass die
       vermeintlichen Schwachköpfe im Winter zu allem Überfluss auch noch ihren
       Schädel und ihr Hirn schrumpfen!
       
       Diesen sensationellen Befund dokumentierten die Forscher für Vergleichende
       Wieselforschung an der Uni Radolfzell nach genauer Beobachtung ihrer
       herumwieselnden Versuchstiere. Das kaum glaubliche Konzept der winterlichen
       Hirnschrumpfung hat für die kleinen Beutegreifer den großen Vorteil, dass
       sie in den beutearmen Wintertagen weniger Energie verbrauchen, denn
       bekanntlich zehren Kopf und Hirn die meiste Wärme auf. Deshalb setzen wir
       Menschen uns ja auch im bitterkalten Winter eine Pudelmütze auf.
       
       ## Energiesparender Effekt
       
       Durch ihren verkleinerten Schädel machen sich die Wieselartigen einen
       ähnlich energiesparenden Effekt zunutze, und so brauchen sich die „lebenden
       Schrumpfköpfe“ (Tagesspiegel) keinen großen Kopf um ihre prekäre
       Ernährungssituation in der kalten Jahreszeit zu machen. Sie leben einfach
       wie das sprichwörtliche „fidele Wiesel“ in den Wintertag hinein, egal was
       kommt.
       
       Angesichts ihrer fidelen Versuchstiere fragten sich die verblüfften
       Wissenschaftler, ob das Phänomen der winterlichen Hirnschrumpfung nicht
       etwa auch für den Menschen zuträfe! Denn so entfernt ist unsere
       Verwandtschaft wiederum nicht, man könnte Hermelin und Wiesel auch als
       Cousins zweiten Grades bezeichnen. Sie haben allerdings keinen sonderlich
       guten Ruf, sodass wieselartige Mitmenschen und auch der hektische
       Spitzmaustyp für uns vorurteilbeladene Betrachter leider oft im kriminellen
       Milieu verortet sind.
       
       Ob das auch für den wissenschaftlichen Bereich zutrifft, sei dahingestellt,
       jedenfalls fühlten sich die Ratzeburger Forscher zu einem mutigen
       Selbstversuch angeregt. Und tatsächlich gaben die Ergebnisse ihrer
       Vermutung recht: Die Forscher wiesen an sich selbst eine eklatante
       Winterverblödung nach, die nur mit einer offensichtlichen Hirnschrumpfung
       erklärt werden kann!
       
       ## Hirnkasten im Wintermodus
       
       Das verblüfft uns erfahrene Biologen nicht, denn der Mensch hat außer
       Fernsehen und gelegentlich Schneeschippen im Winter ja wenig zu
       bewerkstelligen. Kein Wunder also, dass sich das unterforderte Hirnkasterl
       verkleinert und in den Wintermodus schaltet. Die Schädel der Wiesel flachen
       um immerhin 16 Prozent ab, die Witze der menschlichen Vergleichspersonen
       erwiesenermaßen sogar um 23 Prozent! Die erfreuliche Folge der winterlichen
       Hirnschrumpfung ist, dass der Mensch weniger grübelt und gründelt.
       
       So verwundert es kaum, dass findige Zeitgenossen vermehrt in den
       Winterkursen der Volkshochschulen chranio-minimierendes Yoga anbieten.
       Dabei lernt der entspannte Yogajünger seinen Schädel völlig leer zu
       machen, wobei er anschließend verwundert feststellen muss, dass nicht nur
       sein Hirn, sondern auch der Inhalt seines Geldbeutels empfindlich
       geschrumpft ist. Aber der vollkommen entspannte Yogaschüler sollte
       eigentlich über solch schnöden weltlichen Anfechtungen stehen
       beziehungsweise sitzen.
       
       Gut, dass der Sommer endlich vor der Tür steht und die kleinen Hirne von
       Wiesel, Spitzmaus und Hermelin wieder auf Normalgröße anwachsen. Mit der
       Erwartung, dass bei ihm Ähnliches geschieht, kann sich der wintermüde
       Mensch gelassen zurücklehnen. Und das kann sein Hirn auch, denn es weiß: Es
       wächst mit seinen Aufgaben!
       
       9 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
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