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       # taz.de -- Petition der Woche: Kampf um die Tonne
       
       > Die Einwohner von Erndtebrück müssen ihr Altpapier weit durch den Ort
       > schleppen. Benjamin Lübbert will die Tonne zurück.
       
   IMG Bild: Die Tonne ist weg. So ein Müll
       
       Als Benjamin Lübbert vor zwei Jahren nach Erndtebrück gezogen ist, war
       alles noch in Ordnung. Was er brauchte, fand er direkt vor der Tür:
       Supermärkte, seinen Arbeitgeber: die Bundeswehr, ein Hallenbad, Parks. Und
       eine Altpapiertonne am Eigenheim. Heile Welt in dem kleinen Ort in
       Nordrhein-Westfalen. Doch seit Jahresbeginn fehlt etwas: die Tonne am
       Haus.
       
       Kurz vor Weihnachten 2016 hat sich das Schlamassel angebahnt. Im Dezember
       kam ein Brief der Gemeinde: Ab 2017 solle das Abholsystem abgeschafft
       werden, in dem Ort würden künftig nur noch Sammelcontainer für Altpapier
       stehen. Als die alten Tonnen zum letzten Mal geleert werden sollten,
       verzögerte sich die Abholung dann auch noch. Die Tonnen seien
       übergequollen. Und das in den Tagen rund um das große Fest. Zerknülltes
       Weihnachtspapier, alte Pappkartons und keiner wusste wohin damit.
       
       „Wie angekündigt, wurden die Tonnen den Haushalten im Januar dann
       weggenommen“, erzählt Lübbert. Seitdem heißt es laufen. 600 Meter seien es
       für ihn bis zur nächsten Tonne – für andere noch deutlich mehr. Manche
       Erndtebrücker nehmen gar das Auto.
       
       [1][Im Internet hat Lübbert eine Petition gestartet], um die Tonne
       zurückzuholen. „Der Gemeinderat möge beschließen, unverzüglich, spätestens
       jedoch zum 1. Januar 2018, wieder Altpapiertonnen jedem Haushalt zur
       Verfügung zu stellen“, fordert er. Verbreitet habe er die Petition bei
       Facebook. Schnell wurde klar: Das Altpapierproblem nervt nicht nur ihn.
       
       ## Bisher gibt es 200 Unterstützer
       
       Gleich am ersten Tag kamen 50 Unterschriften zusammen. „Und das, obwohl ich
       im Ort noch nicht gut vernetzt bin“, sagt Lübbert. Die Petition läuft.
       Mittlerweile sind es über 200 Unterstützer. Lübbert erklärt, dass er mit
       der Petition nicht nur dafür kämpfe, selbst weniger weit laufen zu müssen.
       „Ich bin zum Glück noch einigermaßen jung“, sagt der 38-Jährige. Vor allem
       ging es ihm um alte Menschen und Gehbehinderte im Ort.
       
       Dass die Petition von den Bürgern begrüßt wird, zeigen etliche Kommentare
       im Internet. „Wegen meiner Behinderung muss ich immer jemanden bitten, mein
       Altpapier zu entsorgen. Die Tonne gäbe mir ein Stück Selbstständigkeit
       zurück. Daher finde ich diese Petition sehr wichtig“, schreibt etwa Britta
       Homrighausen zur Petition auf der Plattform OpenPetition.
       
       Doch Schuld am Unmut vieler Einwohner sind nicht nur die langen Wege.
       Lübbert stört es auch, dass die Gemeinde die Bürger nicht gefragt hat. Auch
       andere Erndtebrücker fordern Mitbestimmung bei der Wahl des Abfallsystems.
       
       Die Gemeinde führt an, dass vor allem aus ökonomischen Gründen entschieden
       wurde, das alte Tonnensystem abzuschaffen, erklärt Bürgermeister Henning
       Gronau. Die Gemeinde habe eine Ausschreibung für die Einführung des
       Bringsystems gestartet. Mit dem neuen Anbieter würden nach Angaben der
       Gemeinde über 100.000 Euro Gebühren eingespart. Für einen kleine Ort wie
       Erndtebrück ist das viel Geld.
       
       „Wir begrüßen, dass sich die Bürger mit unseren Themen vor Ort beschäftigen
       und für gute Lösungen engagieren“, kommentiert der Bürgermeister den Kampf
       der Bürgerinnen und Bürger um die Tonnen. Ändern würde sich die nächsten
       Jahre aber trotzdem nichts. „Weil die Altpapierentsorgung im Bringsystem
       vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2023 ausgeschrieben wurde und das
       Entsorgungssystem über diesen Zeitraum vertraglich geregelt ist, können die
       Entsorgungsmöglichkeiten momentan nicht verändert werden.“
       
       Die Bürger helfen sich jetzt erst mal gegenseitig. Wenn sie zu den
       Containern fahren, nehmen sie den Müll von älteren Nachbarn gleich mit.
       „Als Hilfe für die älteren Mitbewohner des Hauses übernehme ich diesen
       Dienst für das ganze Haus natürlich gerne“, kommentiert John Pinand auf
       OpenPetition.
       
       Aber den Kampf will Lübbert nicht aufgeben. Zusätzlich zur Onlinepetition
       hat er jetzt auch in Geschäften und Vereinen Unterschriftlisten ausgelegt –
       auch, um Leute zu erreichen, die nicht so netzaffin sind. Kürzlich erst
       habe er sich an einen Senioren-Treff gewandt. „Kaum hatte ich die Petition
       auf den Tresen gelegt, hatte ich vier Unterschriften“, so Lübbert.
       
       21 May 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.openpetition.de/petition/online/altpapiertonnen-fuer-die-haushalte
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lea Diehl
       
       ## TAGS
       
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