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       # taz.de -- SPD will mehr Innere Sicherheit: „Ein ursozialdemokratisches Thema“
       
       > Es ist ein Lieblingsthema des rechten Lagers. Aber Linksliberale und
       > Linke sollten es trotzdem ernstnehmen. Sicherheit ist eine
       > Verteilungsfrage.
       
   IMG Bild: Der niedersächsische Innenminister Pistorius mit der neuen SPD-Wahlkampfwaffe
       
       Die Innere Sicherheit ist kein Thema, bei dem die SPD einen Blumentopf
       gewinnen kann – aber eine Wahl verlieren. Das Desaster der Partei am
       vergangenen Wochenende an Rhein und Ruhr lieferte dafür ein anschauliches
       Beispiel: Hannelore Kraft & Co. wurden auch deswegen so brutal abgestraft,
       weil sie sich unfähig zeigten, auf das subjektive Unsicherheitsempfinden
       der Wählerinnen und Wählern adäquat zu reagieren. „Es ist Zeit für mehr
       Sicherheit im Alltag“, heißt es nun im Entwurf des
       SPD-Bundestagswahlprogramms. So ist es.
       
       Wenn Linke und Linksliberale darüber diskutieren, wie eine Verbesserung der
       ungerechten gesellschaftlichen Verhältnisse erreicht werden kann, dann wird
       der Kriminalitätsbekämpfung in der Regel keine besondere Aufmerksamkeit
       geschenkt. Das ist durchaus nachvollziehbar, erscheint ihnen die Forderung
       nach einem Ausbau der Inneren Sicherheit doch nicht zu Unrecht als Chiffre
       für den Abbau von Grund- und Freiheitsrechten.
       
       Traditionell besetzt die politische Rechte mit ihren Law-and-Order-Parolen
       das Feld – und kann damit in Zeiten der Verunsicherung punkten. Aber
       deswegen ist die Innere Sicherheit noch nicht a priori ein „rechtes“ Thema.
       Die Verbesserung des Sicherheitsgefühls eines Menschen steigert auch seine
       Lebensqualität – und zwar über alle Klassen und Schichten hinweg. „Was man
       nicht tun darf, ist, den Wunsch nach Sicherheit zu verunglimpfen“, sagte
       unlängst die SPD-Vordenkerin Gesine Schwan im taz-Interview. Es sei
       vielmehr „ein tiefes menschliches Bedürfnis und fundamental für den
       Rechtsstaat“.
       
       Wer erleben musste, wie bei ihm selbst, bei Verwandten, Nachbarn oder
       Freunden eingebrochen wurde, der weiß, dass sie recht hat. Solche Einbrüche
       in die Intimsphäre führen zu einer tiefen Verunsicherung, die auch von der
       politischen Linken ernst genommen werden muss – zumal es ein großer Irrtum
       ist, es würde nur Villenbesitzer treffen. Es kann jeden treffen.
       
       „Sicherheit ist ein ursozialdemokratisches Thema“, hat Anfang des Jahres
       der damalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel in einem Konzeptpapier
       geschrieben. Das Kernanliegen einer gerechteren Gesellschaft sei „ohne die
       Sicherheit der Menschen vor Kriminalität und Gewalt nicht zu erreichen“.
       Die Gewährleistung von Sicherheit sei „auch eine Verteilungsfrage“. Denn
       „normale“ Menschen seien auf einen handlungsfähigen Staat angewiesen.
       
       ## Propagierung einer Doppelbestrafung
       
       Auf Gabriels damaligen Überlegungen basiert der neue Programmentwurf. Fast
       wortgleich mit Gabriel heißt es dort: „Nur Reiche können sich einen
       schwachen Staat leisten und sich etwa private Sicherheitsdienste kaufen.“
       Die SPD wolle, „dass sich unsere Behörden konsequent der
       Alltagskriminalität annehmen – durch mehr Prävention und effektive
       Strafverfolgung“. Denn Körperverletzungen, Vandalismus, Diebstähle und vor
       allem Wohnungseinbrüche beeinträchtigten das Sicherheitsgefühl der
       Menschen.
       
       Diese Feststellung ist unzweifelhaft richtig. So ist es auch sicherlich
       sinnvoll, wenn die SPD die Beratungsangebote für Bürgerinnen und Bürger zum
       Schutz vor Kriminalität ausbauen will. Es ist auch nichts gegen die 15.000
       neuen Stellen einzuwenden, die sie bei der Polizei in Bund und Ländern
       schaffen will.
       
       Schwieriger wird es allerdings, wenn die SPD gleichzeitig
       Gesetzesverschärfungen ankündigt, ohne zu verraten, was sie genau
       verschärfen will. Da begibt sich sich dann doch wieder nur hilflos in den
       Law-and-Order-Wettbewerb mit der Union, den sie nur verlieren kann. Denn
       diese fordert im Zweifel ohnehin die härteren Gesetze. Dabei sind nicht die
       Gesetze das Problem, sondern ihre Umsetzung.
       
       Höchst fragwürdig wird es, wenn die SPD dann auch noch verkündet, dass
       kriminell gewordene AusländerInnen „nach Verbüßung ihrer Strafe
       unverzüglich abgeschoben werden“ sollen. Auch wenn das sicherlich der
       Stimmung an deutschen Stammtischen entspricht: Das ist die Propagierung
       einer Doppelbestrafung. AusländerInnen die Chance auf eine Resozialisierung
       in Deutschland zu nehmen, die Inländern selbstverständlich gewährt wird,
       mag populär sein – und ist doch nur fragwürdiger Populismus. Die Ausweisung
       von Uli Hoeneß und Alice Schwarzer fordert die SPD schließlich auch nicht.
       
       17 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
       
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