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       # taz.de -- Energie Cottbus in der vierten Liga: Energisch weggeschaut
       
       > Bei Energie Cottbus haben lange Zeit rechtsextreme Gruppen die Kurve
       > beherrscht. Die haben sich aufgelöst – aber die Nazi-Fans sind immer noch
       > da.
       
   IMG Bild: Versuchter Platzsturm: Cottbusser „Fans“ beim Auswärtsspiel in Babelsberg
       
       Cottbus taz | Jörn Meyer hat Angst, jede Stellungnahme seiner Mitarbeiter
       könnte wie ein Brandsatz wirken. Deshalb hat er sie dieser Tage gegenüber
       den Medien zum Schweigen verpflichtet. „Zu ihrem eigenen Schutz“, wie er
       sagt. Wenn sie sich in der Öffentlichkeit einseitig positionieren würden,
       könnten das einige Anhänger von Energie Cottbus als Provokation empfinden.
       
       Meyer ist der Geschäftsführer der Jugendhilfe Cottbus, die das Fanprojekt
       von Energie Cottbus betreut. Und er will seinen Angestellten ermöglichen,
       in einem hochbrisanten Konflikt vermittelnd zu arbeiten. Denn in der
       Fanszene des Regionalligisten hat sich seit Monaten eine von Gewalt und
       Angst geprägte Atmosphäre etabliert, die spaltend wirkt.
       
       Die Fangruppierungen Inferno und Unbequeme Jugend Cottbus, die im Visier
       des Verfassungsschutzes Brandenburgs stehen, weil etliche Mitglieder mit
       rechtsextremen Netzwerken in der Lausitz verbunden sind, haben die
       sportliche Talfahrt des Vereins und die damit verbundene Verkleinerung der
       Anhängerschaft mit dem Anspruch verknüpft, den Ton in der Kurve anzugeben.
       
       Als sich beim Auswärtsspiel in Bautzen Ende März Energie-Anhänger mit
       Sprechchören gegen die randalierenden Rechtsextremisten im eigenen Block
       wenden, reagieren diese mit Gewalt. Es geht um die Etablierung einer neuen
       Hackordnung. Beim nächsten Gastspiel bei Viktoria Berlin versuchen
       Inferno-Vertreter vor dem Stadion mit Gewaltandrohungen die
       Energie-Anhängerschaft auf Linie zu bringen. Das haben verängstigte Fans
       den Postdamer Neuesten Nachrichten (PNN) und dem RBB [1][anvertraut.]
       
       ## Hitlergruß im Gästeblock
       
       In Babelsberg setzten dann Ende April Inferno und Co das nächste
       Markenzeichen. Im Gästeblock wurde mehrfach der Hitlergruß gezeigt, „Arbeit
       macht frei, Babelsberg 03“ oder „Zecken, Zigeuner und Juden“ skandiert und
       mit einem Platzsturm beinahe der Spielabbruch provoziert.
       
       Für zusätzliches Aufsehen sorgte hernach die Veröffentlichung einer
       Recherche von PNN und RBB. Infolge des Berichts über das kriminelle
       Netzwerk und die „rechten Mafiastrukturen“ in Cottbus gab die Gruppierung
       Inferno via Facebook ihre Auflösung bekannt. Man wollte wohl damit
       staatlichen Ermittlungen zuvorkommen.
       
       Wirklich neu sind die Erkenntnisse allerdings nicht. Jörn Meyer vom
       Fanprojekt sagt, dass man ja schon seit Jahren mit diesen Problemen zu
       kämpfen habe. Die Lausitzer Rundschau berichtete schon 2012 von den
       Verbindungen Cottbuser Fans zur Kampfsportszene und zu organisierten
       Rechtsextremisten. „In der Qualität des Konflikts gibt es allerdings eine
       neue Dimension, wenn Fans von anderen nur unter Drohungen ins Stadion
       gelassen werden“, sagt Meyer.
       
       ## Politik des Wegschauens
       
       Seit diesem Vorfall ist es recht still geworden im Cottbuser Stadion. Die
       Fans haben ihre Unterstützung aus Angst weitgehend eingestellt. „Im Sommer
       werden wir Gruppenmediationsgespräche führen“, erklärt Meyer. Man müsse die
       schwierige Situation als Chance begreifen.
       
       Doch kann man zwischen offen rechtsextremistischen Fans und anderen
       vermitteln? In Cottbus verfolge man den Ansatz der „akzeptierenden
       Jugendarbeit“, erläuterte im Februar Fanprojektmitarbeiter Martin Bock der
       taz. Akzeptanz sei der Grundstein, um erfolgreich Fehlverhalten kritisieren
       zu können. Diese Hoffnung hat nun einen herben Dämpfer erhalten.
       
       Der Verein dagegen verfolgte über viele Jahre eine Politik des Wegschauens,
       da der eigene Einfluss am Stadionzaun ende. Der damalige Pressesprecher
       Lars Töffling erklärte: „Wir verlassen uns auch auf einen gewissen
       Selbstreinigungsprozess in der Fanszene.“
       
       ## Polizei und Ermittlungsbehörden gefordert
       
       Der derzeitige Energie-Präsident Michael Wahlich grenzt sich zwar
       wesentlich deutlicher von der rechtsextremen Anhängerschaft ab als seine
       Vorgänger, sagt jedoch auch, dass der Verein letztlich machtlos sei. Er
       sieht die Verantwortung bei der Polizei und den Ermittlungsbehörden.
       
       Die Strategien des akzeptierenden Hin- und Wegschauens haben in Cottbus
       ihre Grenzen aufgezeigt bekommen. Ermutigend ist indes sicherlich auch für
       die Arbeit des Fanprojekts, dass die Zivilcourage, wie sie sich in Bautzen
       unter den Cottbuser Fans gezeigt hat, das Fundament für einen Neuanfang
       sein könnte. Die Anhänger, die in Cottbus unterdrückt werden, müssten
       geschützt und gestärkt werden, sagte Fanforscher Robert Claus dem RBB.
       
       Angesichts der jahrelangen massiven Probleme erstaunt die
       Unprofessionalität einiger Akteure. Vor dem Hochsicherheitsrisikospiel in
       Babelsberg verzichtete man beispielsweise bei den Sicherheitsbesprechungen
       auf das Insiderwissen des Fanprojekts. Nicht jeder Einsatzleiter der
       Polizei, kommentiert Meyer, nehme die Arbeit seiner Angestellten ernst.
       Erbost ist er darüber aber nicht. Sozialpädagogen, sagt er, würden ja
       lieber loben als kritisieren.
       
       20 May 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/1181268/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
       ## TAGS
       
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