URI: 
       # taz.de -- Die Wahrheit: Häuptling arbeitsloses Braunhemd
       
       > Es gibt Menschen, die können loslassen, andere können das nicht. Der
       > irische Premierminister gehört definitiv zur zweiten Gattung.
       
   IMG Bild: Varadkar mit seinen Fans
       
       Die Menschen hängen an ihren Jobs, sofern sie in diesen unsicheren Zeiten
       welche haben. Enda Kenny hat einen, er ist Taoiseach, was die irische
       Bezeichnung für „Häuptling“ ist, heutzutage aber mit „Premierminister“
       übersetzt wird. Dabei würde Häuptling besser passen, denn Kennys Partei
       heißt Fine Gael – Stamm der Gälen. Früher waren sie als „Blueshirts“
       verschrien, was auf deutsch „Braunhemden“ heißt, denn im spanischen
       Bürgerkrieg unterstützten ihre Milizen die Faschisten. Gut, das ist
       verjährt.
       
       Im Februar revoltierten die Fine-Gael-Hinterbänkler und stellten ihrem
       Häuptling ein Ultimatum: Sollte er kein Datum für seinen Rücktritt
       benennen, würde man nachhelfen. Kenny bat um einen Aufschub, denn der
       irische Nationalfeiertag, der St. Patrick’s Day, stand vor der Tür, und er
       hatte doch bereits die Kleeblätter gepflückt, die irische Premierminister
       an diesem Tag traditionell im Weißen Haus abgeben.
       
       Während Kenny in den USA dem neuen Präsidenten Donald Trump die Stiefel
       leckte, um ihn zur Nachsicht gegenüber den 70.000 Iren ohne US-Visum zu
       bewegen, balgten sich seine Minister in der Heimat um die Nachfolge.
       Aussichtsreichster Kandidat schien der Minister für Soziales, Leo Varadkar,
       der sich als schwul geoutet hatte, damit er behaupten konnte, dass Irland
       mit ihm als Premierminister Progressivität demonstrieren würde.
       
       Dazu gehört aber mehr als ein schwuler Häuptling. Den hatten ja schon die
       Apachen. Die irische Regierung hingegen will das neue
       Entbindungskrankenhaus in Dublin den Sisters of Charity übergeben. Die
       Nonnen haben in der Vergangenheit ja bewiesen, dass sie mit Kindern umgehen
       können, als sie junge Schwangere in ihren Klöstern als Sklaven hielten und
       deren Babys an Meistbietende in den USA verscherbelten.
       
       Kenny hatte sich vor vier Jahren bei den Frauen entschuldigt, die von den
       Nonnen gequält worden waren. Aber die Sisters of Charity schulden ihnen bis
       heute drei Millionen Euro Entschädigung. Statt den Höllenschwestern das
       Grundstück wegzunehmen, überlässt man ihnen lieber das Krankenhaus.
       
       Daran wird auch Varadkar nichts ändern können, denn seine Bemühungen um den
       Häuptlingsjob sind vergeblich. Als Kenny aus den USA zurückkehrte, sprach
       er nicht mehr von Rücktritt. Stattdessen sagte er, dass er die EU doch
       nicht im Stich lassen könne, wo so schwierige Brexit-Verhandlungen
       anstünden. Was sollten die Brüsseler denn ohne ihn tun? Kenny ignoriert
       seit Jahren geflissentlich die Frage auf den EU-Gipfeln, wenn er
       vorgestellt wird: „Enda wer?“
       
       Vorigen Mittwoch ist ihm eine neue List eingefallen: Er trat als Parteichef
       zurück. Irgendwann später, vielleicht Mitte Juni, wenn der neue Parteichef
       sich eingearbeitet habe, wolle er vielleicht auch als Premierminister
       zurücktreten. Doch halt! Im Sommer merkt das keiner, da sind ja alle
       verreist. Und dann steht auch schon Weihnachten vor der Tür, die Zeit der
       Barmherzigkeit, wo niemand seinen Job verlieren sollte.
       
       22 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
       ## TAGS
       
   DIR Irland
   DIR Premierminister
   DIR Beruf
   DIR Musikmarkt
   DIR Irland
   DIR U2
   DIR Tod
   DIR Großbritannien
   DIR Großbritannien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Die Wahrheit: Premierminister mit Luftgitarre
       
       Fast jedes Kaff auf der Insel veranstaltet irgendein Großereignis: Die
       schreckliche Zeit der Musikfestivals hat in Irland begonnen.
       
   DIR Neuer Premierminister von Irland: Schwul und konservativ
       
       In dem erzkonservativen katholischen Land wird ein Homosexueller mit
       Migrationshintergrund Staatschef. In seiner Partei steht er weit rechts.
       
   DIR Die Wahrheit: Trump muss leider draußenbleiben
       
       Die irische Soft-Pop-Combo U2 tourt seit Mitte des Monats durch die USA.
       Aus Protest gegen Trump wird ihr neues Album nicht veröffentlicht.
       
   DIR Die Wahrheit: Ersatzklageweiber
       
       Öffentliche Flennerei, wenn ein Promi stirbt, ist der reinste Narzissmus.
       Die tote Person ist den Jammerlappen dabei unwichtig.​
       
   DIR Die Wahrheit: Pitbull nimmt Ehepaar als Geiseln
       
       Warum sich mit dem Brexit beschäftigen, sagen sich die britischen
       Lokalmedien. Es gibt doch soviel Spannendes aus der Provinz zu berichten.
       
   DIR Die Wahrheit: Wählen im Pyjama
       
       Theresa May will ein Eilgesetz ins britische Parlament einbringen: Auch im
       Wahllokal sollte für die Kleidung eine gewisse Etikette gelten