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       # taz.de -- Donald Trump in Israel: Ganz privat an der Klagemauer
       
       > Trump zollt dem Judentum Respekt, doch israelische Offizielle müssen
       > zurückbleiben. Auf eine Aufwertung Jerusalems muss die Regierung warten.
       
   IMG Bild: Kein Tweet: Welche Wünsche Donald Trump Gott gegenüber äußerte, blieb unbekannt
       
       Jerusalem taz | Mit schwarzer Kipa auf dem Kopf und ernstem Gesicht
       schreitet US-Präsident Donald Trump zur Klagemauer. Ihm zur Seite bleiben
       sein jüdischer Schwiegersohn Jared Kushner und Schmuel Rabinowitz, der
       Rabbiner der heiligsten jüdischen Pilgerstätte. Die Ehefrauen, Melania
       Trump und die zum Judentum konvertierte Ivanka Kushner, ordnen sich separat
       in dem für Frauen vorgesehenen Abschnitt zur Mauer ein, wo Kushner die
       Gelegenheit für ein kurzes Gebet nutzt.
       
       Für ein, zwei Minuten stellt sich der US-Präsident an das heilige Gemäuer,
       an das er eine Hand legt, und geht in sich. Dann steckt er sorgsam einen
       Zettel zwischen die Ritzen.
       
       Donald Trump ist ohne israelische Begleitung zur Klagemauer gekommen. Der
       US-Präsident beharrt darauf, dass es sich hier um einen privaten Termin
       handelt. Sein Spaziergang durch die Altstadt bedeutet auch einen Kraftakt
       für die Sicherheitsbeamten. Zahllose Händler müssen ihre Läden schließen,
       Polizisten postieren sich auf Balkonen privater Häuser.
       
       Zum ersten Mal, so betont es Israels Staatspräsident Reuven Rivlin schon
       während seiner Begrüßungsrede am Montag Mittag am Tel Aviver Ben-Gurion
       Flughafen, „besucht ein amtierender US-Präsident“ die heiligste jüdische
       Pilgerstätte. Doch so sehr sich die Israelis über den Besuch Trumps freuen,
       so sehr irritiert sie, dass weder Rivlin noch Regierungschef Benjamin
       Netanjahu dabei sein dürfen.
       
       Für zusätzlichen Verdruss hat im Vorfeld Trumps Sicherheitsberater Herbert
       Raymund McMaster gesorgt, als er die Souveränität Israels über die
       Klagemauer in Frage stellte. McMaster hielt sich damit an den
       internationalen Konsens. Der Status Jerusalems gilt als nach wie vor
       ungeklärt und ist Angelegenheit künftiger Friedensverhandlungen. Der
       östliche Teil der Stadt einschließlich der Altstadt und eben auch der
       Klagemauer ist völkerrechtlich von Israel besetztes Territorium.
       
       Die große Mehrheit der Israelis, ganz gleich ob sie nun ultraorthodox,
       nationalreligiös oder liberal eingestellt sind, empfindet hingegen anders.
       Die Klagemauer gehört für sie ganz klar zu Israel, schon weil sich außer
       Juden kein Angehöriger anderer Konfessionen für sie interessiert. Hier
       streiten Juden unter sich.
       
       Ultraorthodoxe schimpfen auf die Frauen an der Mauer, die gern mit Kipa auf
       dem Kopf beten und selbst die Tora tragen, was im traditionellen Judentum
       streng verboten ist. Die ganz in schwarz gekleideten Ultraorthodoxen wippen
       mit dem Oberkörper unruhig vor und zurück, viele Frauen kommen mit Kindern
       und Babywagen. Sie machen es sich auf Plastikstühlen bequem und lesen im
       Sitzen im Alten Testament.
       
       Ihnen allen dient die Mauer als eine Art Briefkasten an Gott. Die Gläubigen
       schreiben ihre Wünsche und Sorgen auf kleine Zettel, die sie in die
       Mauerritzen stecken, damit der Allmächtige sie lesen und helfen möge, so
       wie Trump es tut.
       
       Für Netanjahu wäre ein gemeinsamer Fototermin mit dem US-Präsidenten an der
       Klagemauer gerade zur rechten Zeit gekommen. Die Solo-Visite mindert den
       Effekt. Immer häufiger gerät Israel jüngst unter Beschuss von
       UN-Institutionen, die auf eine gerechte Regelung und ein Ende der Besatzung
       im Osten der Stadt drängen. An der „ewig ungeteilten jüdischen Hauptstadt“,
       wie Netanjahu gern festhält, ist aus Sicht der israelischen Regierung indes
       nicht zu rütteln.
       
       ## Keine Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt
       
       Ernüchternd für den israelischen Regierungschef ist zudem, dass Trump zwar
       im Umfeld der Präsidentschaftswahl versprach, die US-Botschaft von Tel Aviv
       nach Jerusalem zu verlegen, seitdem jedoch zögert. Ob und wann es einen
       Umzug und damit die offizielle Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt
       Israels geben soll, lässt Trump auch am Montag offen.
       
       Nach Ansicht von Tovah Lazaroff, der stellvertretenden Chefredakteurin der
       Jerusalem Post, landete Trump einen doppelten Coup. Den Israelis gegenüber
       könne er sagen, er habe mit seinem Besuch die israelische und jüdische
       Geschichte unterstützt. Der arabischen Welt und den Palästinensern
       gegenüber erkläre er, weil ohne Begleitung israelischer
       Regierungsvertreter, „dass Ost-Jerualem Teil ihres künftigen Staates werden
       kann“.
       
       Haaretz-Cartoonist Biederman zeichnet Trump schon bei Verhandlungen vor den
       beiden schwitzenden Dialogpartnern Netanjahu und Palästinenserpräsident
       Mahmud Abbas, als er selbstbewusst seine Lösung für den Nahostkonflikt
       verkündet: „Wir verlegen die Botschaft nach Jerusalem und die Klagemauer
       nach Tel Aviv.“
       
       22 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Knaul
       
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