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       # taz.de -- Protest gegen Verdrängung in Berlin: Roter Block für die Kunst
       
       > Künstler*innen in Friedrichshain kämpfen um Ateliers in einer
       > Ex-Brauerei. Mit einer Aktion suchen sie Aufmerksamkeit – und Kontakt zum
       > Besitzer.
       
   IMG Bild: Würfel gegen Investoren-Poker: Die Künstler*innen haben ihre Protest-Ausstellung vor den ehemaligen Ateliers platziert
       
       Ein roter Kubus, hoch wie ein Mensch, ruht schwer vor dem verschlossenen
       Tor. Es schützt die verlassenen baufälligen Gebäude einer ehemaligen
       Brauerei. „Der rote Block“ haben die Künstler*innen der Gruppe LA54 ihren
       1,80 mal 1,80 Meter großen Aluminiumwürfel getauft. Seit Donnerstag zeigen
       sie darin täglich zwei andere Exponate. Doch der Kubus ist auch Ausdruck
       des Protests, denn das Tor an der Landsberger Allee 54 in Friedrichshain
       war nicht immer verschlossen.
       
       „Von 2006 bis 2011 hatten wir hier unsere Ateliers“, sagt Gustav
       Kleinschmidt und deutet auf die roten Backsteingebäude. Kleinschmidt ist
       Sprecher der Gruppe; zusammen mit 70 Kreativen hat er in der ehemaligen
       Brauerei aus den 1850er-Jahren gearbeitet. 2011 verbot das Bezirksbauamt
       wegen baulicher Mängel und Fehlen der Genehmigung des Pächters die Arbeit
       in den denkmalgeschützten Häusern. Die Künstler*innen mussten weichen. Aber
       aufgeben wollten sie das Gelände nicht.
       
       „Seitdem stecken wir in zähen Verhandlungen“, berichtet Kleinschmidt. Mit
       wechselnden Eigentümern würden sie seit knapp 6 Jahren darüber diskutieren,
       ob sie Flächen für ein von ihnen geplantes Künstlerhaus mieten dürfen. „Mit
       dem letzten Eigentümer haben wir mehr als vier Jahre lang geplant“, erklärt
       der LA54-Sprecher. Die Gruppe legte Brandschutzkonzepte und Nutzungspläne
       vor, Architekten, Anwälte und der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hätten
       sie dabei unterstützt.
       
       Ohne Erfolg: Der Eigentümer hielt sie hin, machte Versprechen und nahm
       diese später wieder zurück, wie Kleinschmidt berichtet. Im letzten
       Nutzungskonzept des Eigentümers würden LA54 von ursprünglich 3.500
       angedachten nur noch 500 Quadratmeter zufallen. „Doch auch das hätten wir
       angenommen“, betont der Gruppensprecher. Aber seit dem letzten Verkauf des
       Geländes Ende 2016 hätten sie keinen Ansprechpartner mehr. Ihr roter Würfen
       ist deshalb mehr als Protest: Er ist ein Kontaktversuch.
       
       Die Suche nach den Zuständigen führt schnell zu einem Geflecht von Namen
       und Firmen, die aufeinander verweisen. Der aktuelle Eigentümer sei nur über
       E-Mail zu erreichen, sagen die früheren Eigentümer. Ein Kontaktversuch der
       taz bleibt unbeantwortet.
       
       ## Eigentümer*innen entziehen sich der Kontrolle
       
       „Unklare Besitzverhältnisse sind nichts Neues“, erklärt Andreas Weeger
       (Grüne), Mitglied des Stadtentwicklungsausschusses im Bezirk. Solche
       Zuständigkeitsverwirrungen seien dem Bezirk schon in ähnlichen Fällen
       untergekommen. „Über interne Eigentümerwechsel umgehen Firmen die
       Grundsteuer“, kommentiert er.
       
       Der letzte Verkauf sei wohl als sogenannter Share Deal erfolgt, „ein
       Steuerschlupfloch“, erklärt Weeger. Werden statt der Immobilie nur bis zu
       95 Prozent der immobilienhaltenden GmbH erworben, bestehe keine
       Meldepflicht. So kann neben der Grunderwerbsteuer auch das Vorkaufsrecht
       umgangen werden. „Da haben wir als Bezirk keine Handhabe.“
       
       Auch hinter dem Ausharren vermutet er Taktik. Auf einem nahe gelegenen
       Gelände sei Ähnliches passiert. „Da haben Investoren die Gebäude so lange
       verfallen lassen, bis die Kosten für eine Instandsetzung wirtschaftlich
       unzumutbar wurden. So wurde dann der Denkmalschutz umgangen.“ Warten macht
       sich außerdem bezahlt, wenn der Wert des Grundstücks währenddessen steigt.
       
       „Der Fall zeigt, wie bedroht Künstlerinnen und Künstler sind“, meint
       Stadträtin Clara Herrmann (Grüne). Ihr sei es deswegen ein Anliegen, die
       Gruppe LA54 zu unterstützen. „Der Bezirk kann es sich nicht leisten, noch
       mehr Künstlerinnen und Künstler zu verlieren.“
       
       Bis spätestens 5. Juni will die LA54 den Würfel mit Ausstellungsstücken
       bespielen. Kleinschmidt ist gespannt: „Wir hoffen natürlich, dass sich
       vorher der Eigentümer meldet, wenn auch über die Polizei“.
       
       26 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anne Pollmann
       
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