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       # taz.de -- Sachbuch über Internetkonzerne: Auf Regeln scheißen
       
       > Google, Amazon, Facebook: Warum gilt Monopolbildung plötzlich als Erfolg?
       > Dieser Frage geht der US-Autor Jonathan Taplin nach.
       
   IMG Bild: Like it or…?
       
       Es ist ein interessantes Gedankenexperiment: Wie sähe das Internet wohl
       aus, wenn es einst von der Deutschen Bundespost erfunden worden wäre? Und
       wie Facebook, wenn es die Bundesnetzagentur entwickelt hätte?
       
       Eigentlich undenkbar, denn die Entwicklung des Internets findet seit den
       90er Jahren im Geiste des Neoliberalismus statt: Obwohl das Internet in den
       60er und 70er Jahren mit massiver finanzieller Unterstützung des Pentagons
       aufgebaut wurde, zog sich der amerikanische Staat unter Bill Clinton
       weitgehend aus dessen Ausgestaltung zurück und überließ diese dem Markt.
       Die Konsequenz sehen wir heute: Einige wenige Unternehmen – wie Google,
       Facebook oder Amazon – haben Quasimonopole aufgebaut, die jede Konkurrenz
       ausbremsen.
       
       Diese Marktmacht hat dazu geführt, dass jedes dieser Unternehmen
       Jahreseinnahmen hat, die das Steueraufkommen vieler Nationalstaaten
       übertreffen. Mit diesen astronomischen Geldreserven werden zielstrebig neue
       Geschäftsfelder erschlossen und innovative Newcomerfirmen aufgekauft, die
       sicherstellen, dass diese Technologiekonzerne auch in Zukunft der
       Konkurrenz voraus sind. Außer den Erfolgsapps Instagram und WhatsApp hat
       Facebook zum Beispiel die Virtual-Reality-Firma Oculus VR übernommen – für
       400 Millionen US-Dollar in bar und 1,6 Milliarden US-Dollar in
       Facebook-Aktien!
       
       Aber Unternehmen wie Google, Facebook und Co gelten bisher nicht als
       finstere Trusts, sondern als bewundernswerte Firmen, deren Erfolg schlicht
       durch überlegene Leistungen zu erklären ist. Ihre Gründer werden als
       geniale Erfinder verehrt, die in der Presse gefeiert und von der Politik
       hofiert werden: Google-CEO Eric Schmidt war der Geschäftsmann, der sich am
       häufigsten mit Präsident Barack Obama getroffen hat. Als dessen Nachfolger
       Donald Trump im Dezember 2016 zu einem „Tech-Gipfel“ im Trump-Tower einlud,
       war unter den Gästen auch Larry Page von Google.
       
       ## Strategisches Desinteresse
       
       Der US-amerikanische Autor Jonathan Taplin beschreibt in seinem Buch „Move
       Fast and Break Things“ nicht nur, wie es zu der Marktmacht einiger, weniger
       Unternehmen kommen konnte. Er zeigt auch, dass diese neuen Monopole weder
       gottgegeben noch allein durch brillante Innovationen einzelner Unternehmer
       entstanden sind. Oft beruhen sie eher auf Skrupellosigkeit und einem
       strategischen Desinteresse an der Rechtslage. Und er macht auf eine Reihe
       von wenig bekannten Figuren aufmerksam, die dafür verantwortlich sind, dass
       „Winner takes all“-Märkte heute als akzeptables ökonomisches Modell gelten.
       
       Da ist zunächst einmal der Jurist Robert Bork, zu dessen Studenten in Yale
       Anfang der 70er-Jahre Bill und Hillary Clinton gehörten. Bork, ein Anhänger
       des Neoliberalismus der „Chicago School“, vertrat die Theorie, dass
       Monopole keinen wirtschaftlichen Nachteil für die Konsumenten bedeuten,
       solange sie zu sinkenden Preisen führen. Diese Lehrmeinung Borks hat für
       Taplin die Wirtschaftspolitik von der Ford- bis zur Obama-Administration
       geprägt: Selbst gegen offensichtliche Monopolisten wie Microsoft, Walmart
       oder die Internetkonzerne der Gegenwart wurde lax oder gar nicht
       vorgegangen.
       
       Diese Art der „Wirtschaftsfreundlichkeit“ hat Kreaturen wie den
       deutschstämmigen Investor Peter Thiel hervorgebracht. Als Mitgründer des
       Bezahldienstes PayPal, einem der Internetmonopolisten von heute, wurde er
       reich, und ist als Berater und Finanzier von Firmen wie Facebook und
       Palantir eine Schlüsselfigur im Silicon Valley.
       
       Thiel hat mit seinem Privatvermögen, das auf 2,7 Milliarden US-Dollar
       geschätzt wird, den republikanischen Rechtsaußen Ron Paul und die Tea Party
       durch Millionenspenden unterstützt. Im US-Wahlkampf trat er als einer der
       wenigen prominenten Fürsprecher von Donald Trump beim Parteitag der
       Republikaner auf. Sein Weltbild ist von den Büchern der
       russisch-amerikanischen Schriftstellerin Ayn Rand geprägt, die in Romanen
       wie „The Fountainhead“ beschreibt, wie große Einzelne kraft ihrer
       Genialität der Mehrheit ihren Willen aufzwingen.
       
       „Competition is for losers“, verkündete Thiel [1][in einem Artikel für das
       Wall Street Journal], in dem er dafür plädierte, als Unternehmer ein
       marktbeherrschendes Monopol anzustreben. Genauso operieren für Taplin
       Unternehmen wie Google oder YouTube, die ihr Geschäftsmodell so „awesome“
       finden, dass sie geltende Gesetze nur als lästige Behinderungen wahrnehmen.
       So wie Google ganze Büchereien scannt und für Street View den halben Globus
       abfotografiert, und gar nicht auf die Idee kommt, dafür um Erlaubnis zu
       fragen.
       
       So wie YouTube bis heute urheberrechtlich geschütztes Material streamt,
       aber sieben Jahre brauchte, um sich mit der Gema auf ein Honorierungssystem
       für Komponisten zu einigen. So wie Airbnb und Uber sich nicht an die
       nationalstaatlichen Regulierungen ihrer jeweiligen Geschäftsfelder gebunden
       fühlen, da sie ja nur Vermittlungsplattformen sind, nicht Hoteliers oder
       Taxiunternehmen. Dafür noch Steuern zu bezahlen? Pah, da wickelt man seine
       Geschäfte lieber über Steuerparadiese in der Karibik ab.
       
       Taplins Empfehlung: eine Entflechtung der so entstandenen Kartelle und eine
       Vergesellschaftung des Wissens, das diese Unternehmen angehäuft haben. Mit
       der gegenwärtigen US-Regierung dürfte das freilich kaum zu machen sein.
       
       27 May 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.wsj.com/articles/peter-thiel-competition-is-for-losers-1410535536
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tilman Baumgärtel
       
       ## TAGS
       
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