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       # taz.de -- Die Wahrheit: Ich Flugzeugentführer
       
       > Beim Sicherheitscheck am Flughafen fiel mir plötzlich das Messer in
       > meiner Tasche ein. Und da waren auch noch die Mitbringsel aus dem Urlaub
       > …
       
       Neuerdings fliegt Ryan Air vom Frankfurter Flughafen himself und nicht mehr
       von der 114 Kilometer entfernten Provinzpiste „Frankfurt-Hahn“. Allerdings
       sind der irischen Billigfluglinie in Frankfurt spukhafte Gates zugewiesen,
       so gut versteckt, wie das fiktive Gleis für den Zug nach Hogwarts auf dem
       Londoner Bahnhof King’s Cross.
       
       Wird der Flug aufgerufen, geht’s zunächst durch ein Labyrinth aus
       Putzräumen und Hintertreppen zu einem Bus. Der irrt dann auf der Suche nach
       der entlegen geparkten Maschine so lange über das Flugfeld, dass er ebenso
       gut nach Frankfurt-Hahn fahren könnte. Aber man will sich ja nicht
       beschweren. Sowieso ist das Gewicht entscheidend. Der Koffer darf offiziell
       nur 20 Kilo auf die Waage bringen. Dieser Umstand, verbunden mit meiner
       Schusseligkeit, machte mir unlängst die Rückreise beschwerlich. Und das,
       obwohl ich zuvor noch ausgiebig im Internet zum Thema „Sicherheit an Bord“
       recherchiert hatte.
       
       Als Mitbringsel waren in der Provinz Valencia allerlei regionale Leckereien
       eingekauft worden. Honig von spanischen Bienen, Olivenpaste, iberische
       Seife mit dem Aroma sonnengereifter Orangen. Zur Vermeidung von Übergewicht
       packte ich den Krempel kurzerhand ins Handgepäck, hehe. Erst am Laufband an
       der Sicherheitskontrolle des Flughafens von Alicante, als ich der
       transparenten Tüte bei ihrer gemächlichen Fahrt in diesen ominösen
       Röntgenkasten nachschaute, kamen mir gewisse Zweifel. Da wirkten Honig,
       Paste und Seife auf einmal wie Plastiksprengstoff.
       
       Und siedend – wirklich: siedend – heiß erinnerte ich mich an das Opinel in
       meiner Hosentasche. Nicht auszuschließen, dass ein auf Skepsis trainiertes
       Personal in einer zwölf Zentimeter langen Klinge aus schärfstem
       Kohlenstoffstahl so etwas wie eine Waffe sehen könnte. Also Karten auf den
       Tisch, ich hatte nichts zu verbergen. Verstohlen und bereits leicht
       errötend legte ich das Messer oben auf meinen Kleiderstapel. Da waren der
       Röntgenfrau bereits Honig, Paste und Seife aufgefallen, ihr Kollege packte
       den Kram aus und zitierte mich herbei.
       
       „Miel!“, radebrechte ich hilflos, „jabón!“, während die Beamten abwechselnd
       den potenziellen Plastiksprengstoff und den potenziellen Attentäter – mich
       – beäugten. Verzweifelt schraubt ich das Glas auf und schleckte Honig vom
       Finger: „Hmmm!“, aber die Sicherheitsleute ließen sich nicht erweichen.
       Während noch die teuren Spezialitäten mit dumpfem Plumps in die Tonne
       wanderten, tauchte mein Laptop auf. Bitte öffnen und hochfahren. Ich
       öffnete und fuhr hoch. Unter den Augen von inzwischen drei Gorillas tauchte
       die von mir zuletzt besuchte BBC-Seite auf: „Who, what, why? How are
       cockpit doors locked?“ Ich versuchte noch ein Lächeln. In diesem Augenblick
       tauchte auf dem Röntgenschirm das Messer auf.
       
       Meine Zelle ist klein, aber durch die Stäbe kann ich das Mittelmeer sehen.
       Die Mithäftlinge sind freundlich zu mir, behandeln mich mit Respekt. Später
       besucht mich mein Anwalt. Hoffentlich wird er diese Zeilen rausschmuggeln
       können.
       
       26 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Arno Frank
       
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