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       # taz.de -- Konferenz zum Bodenschutz: Ohne Boden kein Essen, kein Frieden
       
       > Auf der Global Soil Week suchten Experten nach Wegen, um fruchtbare Böden
       > zu schützen. Umweltpolitiker Töpfer schlug eine UN-Bodenkonferenz vor.
       
   IMG Bild: Allein in Deutschland werden täglich etwa 29 Hektar für den Verkehr „verbraucht“
       
       Berlin taz | Ein Mann steht in einer Küche – zuletzt fast nackt. Ihm
       fliegen nacheinander die Möbel weg, der Computer, der Kühlschrank, Essen
       und Trinken, seine Kleidung. „Alle diese Dinge würden nicht existieren ohne
       Boden“, klärt eine Stimme den Erschrockenen auf.
       
       Der Kurzfilm auf der Website der [1][Global Soil Week 2017] verdeutlicht
       anschaulich, warum Boden unersetzlich ist. „Es gibt kein schlimmeres
       Alarmzeichen für den Weltfrieden als leere Mägen“, warnte auch der „Papst
       der Bodenforschung“, US-Professor Rattan Lal, zum Abschluss der vierten
       Weltbodenwoche in Berlin vor rund 600 Teilnehmenden.
       
       Die internationale Wissenschaftskonferenz war 2012 von Klaus Töpfer
       initiiert worden, damals noch Direktor des [2][Nachhaltigkeitsinstituts
       IASS] in Potsdam. Weil er es geschafft hatte, das Thema Boden auf die
       internationale Agenda zu hieven, überreichte ihm „Bodenpapst“ Lal dieses
       Jahr den „Nobelpreis der Bodenforschung“, die Medaille der
       [3][International Union For Soil Science.] Töpfers Gesichtsausdruck
       verriet, dass ihm die Ehrung nicht das Angenehmste auf der Welt war.
       
       Der Preis erinnere ihn daran, was noch zu tun sei, bedankte er sich dennoch
       artig. Es wäre besser gewesen, wenn der Erhalt fruchtbarer Böden als eines
       jener [4][17 UN-Nachhaltigkeitsziele] festgeschrieben worden wäre, die bis
       2030 von allen UN-Mitgliedsstaaten verwirklicht werden sollen. Er frage
       sich, ob es analog der UN-Klimakonferenz auch einer UN-Bodenkonferenz
       bedürfe und ähnlich dem [5][Weltklimarat IPCC] der Einrichtung eines
       Weltbodenrats. In manchen Ländern sollte man sich dabei auf die Ausbeutung
       von Bodenmineralien konzentrieren, in anderen auf anderes. Die Reaktionen
       im Saal verrieten Zustimmung.
       
       Anwesend waren Forscher, zivilgesellschaftliche Akteurinnen und
       Regierungsdelegationen aus Benin, Burkina Faso, Kamerun, Indien,
       Deutschland und anderswo. Per Raumgestaltung und neuen partizipativen
       Methoden hatte sich das Organisationsteam sichtlich um ein Treffen auf
       Augenhöhe bemüht: Die Teilnehmenden saßen im Kreis um eine runde Plattform,
       auf der auch Töpfer tänzelte, geschmückt mit bunten Symbolen für die 17
       Nachhaltigkeitsziele, von denen viele mit der Ressource Boden zu tun haben.
       
       ## Die UN-Nachhaltigkeitsziele
       
       „Keine Armut“ und „kein Hunger“ mehr bis 2030 verheißen etwa die ersten
       beiden Ziele, „Gesundheit“ das dritte, „Klimaschutz“ das vierzehnte,
       „Frieden und Gerechtigkeit“ das sechzehnte. Der Fortschritt bei der
       Umsetzung wird jedes Jahr vom „Hochrangigen Politischen Forum für
       Nachhaltige Entwicklung“ der UN überprüft. Die diesjährige Weltbodenwoche
       erarbeitete Botschaften für jene Überprüfung im Juli in New York, etwa mehr
       Augenmerk auf Landrechte und die Veränderung von Konsummustern in reichen
       Ländern.
       
       Die Ressourcen für die Verwirklichung der UN-Ziele aber schrumpfen. Mehr
       als die Hälfte des globalen Agrarland sei bereits degradiert, so der
       Präsident der UN-Generalversammlung Peter Thompson, 3,6 Milliarden Hektar
       Steppenland seien von Wüstenbildung betroffen. „Wir erleben Klimawandel,
       Dürren, Fluten, Ernährungsunsicherheit, Armut, Migration und Verwüstung“,
       berichtete Daouda Maiga vom Agrarministerium Burkina Fasos. Ihre
       Schlussfolgerung: „Es gibt keine nachhaltige Entwicklung, wenn das Land
       krank ist.“
       
       Die Katastrophen sind dabei sehr ungleich verteilt. Menschen in reichen
       Ländern futtern denen in armen Ländern die Teller leer: Auch in der EU
       stammen rund 40 Prozent der Lebens- und Futtermittel aus anderen
       Kontinenten. Diejenigen, die die Natur oder kleinbäuerliche Landrechte
       gegen das Landgrabbing von Agrokonzernen und Banken verteidigen, seien
       immer stärker bedroht, der Handlungsspielraum zivilgesellschaftlicher
       Gruppen schrumpfe vielerorts dramatisch, führte [6][Barbara Unmüßig von der
       Heinrich-Böll-Stiftung] aus. „Wie teuer sind unsere Billiglebensmittel?“,
       fragte denn auch Alexander Müller, ein Kollege von Klaus Töpfer in dessen
       neugegründetem [7][„Thinktank for Sustainability“].
       
       ## Erzeugung von „Negativemissionen“
       
       Aber es gibt auch nachhaltige Lösungen, „Soilutions“, die in Workshops und
       an Ständen präsentiert wurden: Gesetze, die Gemeingüter und Allmenden
       schützen, Bio-Anbau, Agroforstsysteme, Einbringung von Pflanzenkohle, wie
       etwa in Burkina Faso praktiziert, und vieles mehr. Die Erzeugung von
       „Negativemissionen“, indem man den Kohlenstoff aus der CO2-übersättigten
       Atmosphäre zurück in die Erde bringt, forderte auch Celine Charveriat vom
       belgischen [8][Institute for European Environmental Policy]. „Bodenpapst“
       Rattan Lal pflichtete dem vehement bei. Und: „Wir müssen die Bauern für
       Ökodienstleistungen belohnen. Und sie müssen in den internationalen Dialog
       einbezogen werden.“
       
       Jes Weigelt vom Potsdamer IASS, Hauptorganisator der Konferenz, zeigte sich
       am Ende zufrieden. Der größte Erfolg sei, dass man demokratische Räume habe
       schaffen können, in denen auf Augenhöhe diskutiert werde, wie die
       „eigentlich schwache“ Nachhaltigkeits-Agenda umgesetzt werden könne. Und
       dass sich Regierungen wie die von Burkina Faso, Benin oder Kamerun dabei
       beteiligten.
       
       25 May 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://globalsoilweek.org/
   DIR [2] http://www.iass-potsdam.de/de
   DIR [3] http://www.iuss.org/
   DIR [4] http://www.un.org/sustainabledevelopment/
   DIR [5] http://www.de-ipcc.de/
   DIR [6] https://www.boell.de/de/person/barbara-unmuessig
   DIR [7] http://tmg-thinktank.com/index.html
   DIR [8] http://www.ieep.eu/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ute Scheub
       
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