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       # taz.de -- Netzwerk um den Manchester-Attentäter: Die Radikalen geduldet
       
       > Unter Exil-Libyern kursieren Bilder des Attentäters, die eine Verbindung
       > zu Islamisten herstellen. Für britische Diplomaten ein unangenehmes
       > Thema.
       
   IMG Bild: Muslime und Nicht-Muslime bringen Blumen zum Anschlagsort in Manchester
       
       Tunis taz | Das [1][Attentat von Manchester] ähnelt in seiner Dramaturgie
       den Terrorakten von Brüssel, Paris oder Berlin, doch es birgt eine
       politische Sprengkraft, die den britischen Diplomaten und der Regierung
       höchst unangenehm werden könnte.
       
       Denn in der libyschen Exilgemeinde von Manchester, der wohl weltweit
       größten, kursieren schon länger Bilder von islamistischen Politikern aus
       Tripolis, dem Vater des Attentäters Ramadan Abedi und Vertretern der
       islamischen Gemeinde. Und auch der Attentäter von Manchester, Salman Abedi,
       zeigte sich in Milizuniform in Libyen und möglicherweise auch Syrien im
       Kampf gegen die „Ungläubigen“.
       
       Diese sogenannte Manchester-Gruppe war in Libyen auch für britische
       Diplomaten eine Art Kontaktbörse, um sich im Nachkriegschaos zurecht zu
       finden – im Gegenzug ließ man offenbar Radikale aus Manchester gewähren.
       
       Die Gruppe entstand, als [2][der libysche Diktator Muammar al-Gaddafi]
       Mitte der 1990er Jahre verstärkt gegen die von den Golfstaaten unterstützte
       religiöse Szene in Libyen vorging und immer mehr religiös-konservative
       Aktivisten Schutz im Exil suchen mussten. In ihrer Heimat reichte es schon,
       einen Bart zu tragen, um von der Sicherheitspolizei verhaftet zu werden.
       
       ## Muslimbrüder organisierten sich in Manchester
       
       Die gut vernetzten [3][Muslimbrüder] in Manchester nahmen sich der
       Ankömmlingen gerne an. „Die Muslimbrüder boten uns damals ein
       Zusammengehörigkeitsgefühl und organisierten einem alles – von der Wohnung
       bis zum Job. Die libysche Exilgemeinde wuchs stetig an“, sagt ein libyscher
       Aktivist der namentlich nicht genannt werden möchte, da er die Bewegung
       inzwischen verlassen hat.
       
       Auch die Eltern von Salman Abedi gerieten nach Aussagen eines ehemaligen
       Nachbarn in den Radar von Gaddafis Sicherheitsapparat. Mitte der 1990er
       Jahre wurden sie wie viele andere als Oppositionelle von den britische
       Behörden willkommen geheißen.
       
       [4][Nach dem Sturz Gaddafis] kehrten einflussreiche Sheiks und Aktivisten
       der Manchester-Gruppe dann nach Tripolis zurück. Heute sitzen viel von
       ihnen an zentralen Stellen in der vom Milizenchaos erschütterten libyschen
       Hauptstadt Tripolis. Denn die Nähe zu radikalen Gruppen wie „Ansar Scharia“
       und der „Bengazi Schura Rat“ hilft dem libyschen Übergangspremier Fayiz
       Serradsch, nicht in deren Visier zu geraten.
       
       Auch Ramadan Abedi, der Vater des Attentäters, kehrte zusammen mit seiner
       Frau vor vier Jahren nach Libyen zurück. Auf Bildern ist er mit führenden
       Vertretern der islamistischen Szene in Tripolis zu sehen. Auch sein Sohn
       kam immer wieder über Tunis in die Hauptstadt, wo er nach Angaben eines
       Sicherheitsanalysten von einer radikalen Miliz an Waffen und Sprengstoff
       trainiert wurde.
       
       ## Westlichen Diplomaten fehlen Berührungsängste
       
       Der Imam der Disbury-Moschee, in der der in Manchester geborene Attentäter
       radikalisiert wurde, lächelt auf einem Bild neben Mohamed Amaari, einem der
       sieben Stellvertreter von Libyens Übergangspremier Fayiz Serradsch, in die
       Kamera. Amaari wiederum lobt laut internen Quellen immer wieder den Kampf
       von islamistischen Gruppen wie Ansar Scharia gegen die libysche Polizei und
       Armee im Osten.
       
       Die Grenzen zwischen den radikalen Gruppen sind unscharf. Auch Libyens
       oberster Mufti, Sadik Ghariani, dessen Söhne ebenfalls in Manchester leben,
       ruft regelmäßig zum Dschihad gegen seine politische Gegner wie Armeegeneral
       Khalifa Hafter auf. In England hat er Einreiseverbot. Auch von ihm
       existieren mehrere Fotos, auf denen er mit dem Vater des Attentäters zu
       sehen ist. Und auch Gharianis Söhne waren nach laut Independent Freunde der
       Familie.
       
       Britischen Diplomaten in Libyen wird vorgeworfen, sie hätten kaum
       Berührungsängste gegenüber Gharianis Anhängern – darunter
       Afghanistanveteranen und Anhänger von Al Qaida.
       
       Westliche Diplomaten setzen in Geheimverhandlungen auf Kooperation mit
       Milizen aller Couleur, auch den Radikalen um Sadiq Ghariani, um die
       Sicherheit der Botschaften zu gewähren. Die Gruppen nutzen dann den ihnen
       gewährten Spielraum.
       
       Britischen Parlamentarier stellen die Kooperation mit der Manchester-Gruppe
       und den Muslimbrüdern zunehmend in Frage. Ende letzten Jahres mussten die
       mit Libyen befassen Diplomaten in einer Anhörung Rede und Antwort stehen.
       Doch die Untersuchung der Strukturen des Muslimbrüdernetzwerkes in England
       blieb größtenteils geheim.
       
       25 May 2017
       
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