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       # taz.de -- Polizei in Schleswig-Holstein: Rocker und Maulwürfe
       
       > CDU-Ex-Innenminister Klaus Schlie gerät in der Kieler V-Mann-Affäre unter
       > Druck. Dabei ist er fürs Ressort doch auch in Jamaika vorgesehen.
       
   IMG Bild: Der Unterschied von Bandidos und Bullizisten war in Kiel offenbar so groß nicht gewesen
       
       HAMBURG taz | Eine lange unter Verschluss gehaltene V-Mann-Affäre im
       Rockermilieu hat das Landeskriminalamt (LKA) Schleswig-Holstein eingeholt.
       Für den heutigen Landespolizeidirektor und damaligen Kieler Vize-LKA-Chef,
       Ralf Höhs, könnte sie ebenso strafrechtliche Konsequenzen haben, wie für
       den damaligen Leiter der Sonderkommission „Soko-Rocker“, Mathias E. Zudem
       gerät auch der CDU-Politiker Klaus Schlie zunehmend unter Druck. Schlie war
       zur Zeit der Affäre Innenminister in Schleswig-Holstein und ist heute im
       Schattenkabinett des CDU-Wahlsiegers Daniel Günther erneut ein Kandidat für
       den Innenministerposten.
       
       Schlie soll von massiven internen Mobbing-Vorwürfe bei der Polizei
       spätestens ab Mai 2011 gewusst haben, als ihn der Kieler Rechtsanwalt
       Michael Gubitz darüber informierte, soll aber nichts unternommen haben.
       Dazu schweigt Schlie bislang.
       
       Hintergrund der Mobbing-Vorwürfen sind interne Ermittlungen der
       Polizeiführung in den Jahren 2010 bis 2013. Aus Rockerkreisen waren damals
       durch Informanten und Kronzeugen vor Gericht Hinweise aufgetaucht, dass es
       in der damaligen Sonderkommission gegen Rockerkriminalität in der Polizei
       einen „Maulwurf“ gebe.
       
       ## Ein Klima der Angst
       
       Als Vize-LKA-Chef soll Höhs daraufhin zahlreichen Soko-Ermittlern misstraut
       und gegen sie ermittelt haben – offenbar schonungslos. So seien Telefone
       von Soko-Fahndern angezapft oder Fahrzeuge mit Peilsender ausspioniert,
       Wohnungen durchsucht und mehrere Beamte strafversetzt worden, obwohl
       letztendlich überhaupt kein Maulwurf überführt wurde. Diese Vorwürfe
       zumindest erheben heute, fast sieben Jahre später, immer mehr Beamte aus
       der ehemaligen LKA-Führungsriege. Sie sprechen von einem „Klima der Angst“,
       das 2010 bis 2013 aufgrund der von Höhs und dem Leiter der Soko, Mathias
       E., geschürten Stimmung geherrscht habe.
       
       „Immer mehr Beschwerden über die Polizeiführung und deren brachiale
       Methoden gegen kritische Polizeibeamte kommen ans Tageslicht“, erklärte der
       Kieler Fraktionschef der Piratenpartei, Patrick Breyer. Nicht ohne Folgen:
       Der Generalstaatsanwalt in Schleswig hat die Staatsanwaltschaft Lübeck Ende
       letzter Woche mit der Prüfung einer Strafanzeige beauftragt, die gegen Höhs
       und E. bei ihm gestellt worden ist. Ihnen werden Aktenmanipulationen,
       Strafvereitlung, falsche Verdächtigungen, Freiheitsberaubung sowie Mobbing
       gegenüber rechtstreuen LKA-Ermittlern vorgeworfen. Die Ermittlungen werden
       von Lübecker Anklägern geführt, um jeden Verdacht einer Voreingenommenheit
       zu zerstreuen, da die Kieler Staatsanwaltschaft womöglich in die
       Aktenmanipulationen verwickelt sein könnte.
       
       „Wir sind in der Zeit, in der wir mit Höhs zusammenarbeiten mussten, alle
       schon schizophren geworden“, berichtete ein ehemaliges Soko-Mitglied am
       Wochenende den Kieler Nachrichten. „Niemand konnte mehr sicher sein, dass
       nicht nachts die Haustür aufgebrochen wird, weil Höhs der Meinung ist, man
       sei ein Maulwurf.“ Immer mehr ehemalige Ermittler erheben Vorwürfe gegen
       ihre ehemaligen Vorgesetzten.
       
       ## Ein Pirat brachte den Stein ins Rollen
       
       Den Stein ins Rollen gebracht hatte der Pirat Patrick Breyer unmittelbar
       nach der Schleswig-Holstein-Wahl Anfang des Monats. Er veröffentlichte
       Informationen eines Whistleblowers über das Schicksal zweier
       Soko-Polizisten, die nach einem Überfall der Rockerclique Bandidos
       Neumünster auf drei verfeindete Red Devils ermitteltet hatten. Mit Keulen
       und Messern bewaffnet, hatten die Bandidos am 14. Januar 2010 in einem
       Neumünsteraner Schnellrestaurant einen Red Devils lebensgefährlich
       verletzt.
       
       Im Juni 2010 dann berichtete ein V-Mann-Führer den beiden Soko-Beamten,
       dass ihm ein Informant aus den Reihen der Bandidos erzählt habe, zwei
       Verdächtige, die mittlerweile in Untersuchungshaft waren, seien zur Tatzeit
       nicht am Tatort gewesen und nicht in die Messerstecherei verwickelt.
       
       Diese Informationen durften nach Willen des V-Mannes aber nicht in die
       Ermittlungsakte einfließen, weil er dem Spitzel Vertraulichkeit versprochen
       habe (taz berichtete). Als die Ermittler damals gegen dieses Prozedere
       remonstrierten, da dem Informanten keine förmliche Vertraulichkeit
       zugesichert worden war und eben jener V-Mann als Tatbeteiligter geführt
       wurde, sei der entlastende Aktenvermerk auf Weisung des Soko-Leiters
       Mathias E. und Höhs dennoch nicht zur Akte genommen worden. Der
       Informantenschutz habe Vorrang, sei die Begründung gewesen.
       
       ## Mobbing wegen Aussage
       
       Nach Informationen der Kieler Nachrichten hatte es sich bei dem V-Mann mit
       großer Wahrscheinlichkeit um den Chef der Bandidos gehandelt. Als die
       beiden Soko-Ermittler dann doch ihre Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft
       zur Akte reichten, seien sie gemobbt und zwangsversetzt worden. Vor Gericht
       hätten sie später keine umfassende Aussagegenehmigung bekommen. Um dies zu
       kontrollieren, sollen LKA-Beamte als Zuhörer getarnt im Gerichtssaal
       darüber gewacht haben.
       
       Die LKA-Rocker-Affäre soll nun am 7. Juni nach der konstituierende Sitzung
       des neuen Kieler Landtages im Innenausschusssitzung behandelt werden. Dem
       wird der Pirat Breyer nicht mehr angehören. Eine von ihm für Mittwoch
       beantragte Sondersitzung hatte von keiner anderen Fraktion Unterstützung
       erhalten.
       
       30 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Magda Schneider
       
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