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       # taz.de -- Serienkolumne Die Couchreporter: Fiktion auf dem Smartphone
       
       > In der norwegischen Serie „Skam“ begleitet man das Leben der Figuren in
       > der Hartvig-Nissen-Schule in Echtzeit. Das Format ist erfrischend.
       
   IMG Bild: Noora, Vilde, Sana, Chris und Eva (v.l.n.r.) könnten kaum unterschiedlicher sein
       
       „Mädchen, die andere Mädchen als ‚Schlampen‘ bezeichnen, stecken sich zu 90
       Prozent wahrscheinlicher mit Chlamydien an.“ Diesen ikonischen Spruch haut
       Noora in der ersten Folge von „Skam“ raus. Der Serientitel heißt übersetzt
       „Scham“ und ist zugleich Leitmotiv der norwegischen Jugendserie von Julie
       Andem.
       
       Staffelweise wechselnd erzählt sie aus den Perspektiven ihrer Figuren vom
       Erwachsenwerden. Erfrischend ist dabei nicht nur der Umgang mit Themen wie
       sexualisierte Gewalt, Essstörungen, Homofeindlichkeit oder Rassismus –
       sondern auch das Format selbst.
       
       Im Jahr 2015 startete „Skam“ zunächst als Webexperiment. Anstatt
       wöchentlich eine volle Episode auszustrahlen, setzte der Norwegische
       Rundfunk (NRK) auf soziale Medien. Die Folgen erscheinen aufgeteilt als
       kurze Videoclips über die Woche hinweg. Man begleitet das Leben der Figuren
       in der Hartvig-Nissen-Schule sozusagen in Echtzeit. Aber das ist noch nicht
       alles.
       
       Die Facebook- und Instagram-Accounts oder Spotify-Playlisten der fiktiven
       Charaktere existieren auch in den „realen“ sozialen Netzwerken und werden
       parallel aktualisiert. Gibt es also Montags an der Schule Gossip über die
       Party am Freitag, dann bekommen wir davon gleichzeitig mit. Chatnachrichten
       werden nicht nur in den Folgen zum Mitlesen eingeblendet, sondern lassen
       sich auf der Webseite der Serie nachlesen. All das schafft ungewohnte Nähe
       zwischen Zuschauer_innen und Protagonist_innen.
       
       Wieder zu ganzen Folgen zusammengefügt strahlt NRK „Skam“ mittlerweile
       einmal die Woche im linearen Programm aus. Wem das konstante Dranbleiben
       also zu mühselig ist, der kann sich einen Schritt von den Figuren entfernen
       und aus gewohnter Distanz zuschauen. Für viele Fans machen aber gerade die
       Multimedialität und die konstante Spannung den Reiz an der Serie aus.
       
       ## Suche nach Zugehörigkeit
       
       Der Hype um die Serie ist groß. So groß, dass norwegische Jugendliche
       inzwischen angefangen haben, jeden Clip umgehend auf Englisch zu
       untertiteln und so ihre Lieblingsserie mit dem Rest der Welt zu teilen,
       während diverse Länder noch mit NRK um die Rechte verhandeln.
       
       Wie so oft versuchen sich die Macherinnen an einer authentischen Abbildung
       ihrer diversen Figuren. Da ist etwa Eva, die bei ihrer alleinerziehenden
       Mutter lebt. Seit dem Streit mit ihrer besten Freundin fühlt Eva sich
       einsam. Auf ihrer Suche nach Zugehörigkeit lernt sie vier Mädchen kennen,
       die unterschiedlicher nicht sein könnten.
       
       Die schlagfertige und selbstständige Feministin Noora lebt als Einzige
       schon in einer WG. Die taffe Sana weiß auf fast alles eine Antwort und
       könnte mit ihrem dunklen Make-up und ihrer schwarzen Kleidung direkt aus
       einem Berliner Szeneclub laufen – wäre sie nicht erst 16 und trüge sie
       nicht einen Hidschab. Und der wird nicht nur an Clubeinlässen zum
       Ausschlusskriterium. Für Chris wiederum schließen sich Selbstbewusstsein
       und Dicksein so gar nicht aus. Und während Vilde zunächst an die Karikatur
       der Oberstufenzicke erinnert, überrascht auch sie immer wieder.
       
       Ob das mit den Chlamydien so stimme, fragt Eva Noora bei ihrem ersten
       Gespräch. „Nein“, grinst Noora, mit der sie bald befreundet ist, „aber es
       wäre cool, wenn es so wäre.“
       
       31 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hengameh Yaghoobifarah
       
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