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       # taz.de -- Kommentar Erdoğan bei Trump: Völlig abgeblitzt
       
       > Von wegen „historisches Treffen“: Der türkische Präsident hatte mit
       > seinem Weltpolitiker-Gehabe bei Donald Trump keine Chance.
       
   IMG Bild: Nicht durchgedrungen: Erdogan prallte an Trumps Desinteresse ab
       
       Erdoğan trifft Trump – doch zumindest in den USA schaut niemand hin.
       Während in der Türkei seit Wochen über das bevorstehende Treffen mit dem
       neuen US-Präsidenten diskutiert wurde, ging die Begegnung in den USA im
       Trubel über Trumps Weitergabe geheimer Informationen an Russland völlig
       unter. [1][Erdoğan wollte von dem Treffen] die zukünftige Zusammenarbeit
       mit den USA, der Nato und dem Westen insgesamt abhängig machen, prallte
       aber an einem desinteressierten, schulterklopfenden Trump offenbar völlig
       ab.
       
       „Er hat es ihm aber ins Gesicht gesagt“, versucht die türkische
       Regierungspresse heute den Erdoğan-Fans dennoch eine triumphale Botschaft
       zu vermitteln, weil der türkische Präsident in dem kurzen Gespräch mit
       Trump darauf bestanden hatte, dass die syrisch-kurdische YPG eine
       „Terrororganisation“ sei und deshalb nicht von den USA unterstützt werden
       dürfe.
       
       Trump interessierte das nicht. Er redete von der türkisch-amerikanischen
       Waffenbrüderschaft im Korea-Krieg und befand, die Freundschaft mit der
       Türkei werde auch in Zukunft „unschlagbar“ sein. Offenkundig wusste Erdoğan
       nicht, was er damit anfangen sollte.
       
       Denn alle Probleme bleiben ungelöst. Die US-Armee wird weiterhin mit den
       syrischen Kurden gegen den IS vorgehen, der angebliche Anstifter des
       Putsches vom letzten Juli, Fethullah Gülen, bleibt in seinem amerikanischen
       Exil weiterhin unangetastet und die US-Wirtschaft interessiert sich noch
       immer nicht für den türkischen Markt.
       
       ## Kurden von Bodyguards krankenhausreif geschlagen
       
       Das im wahrsten Sinne des Wortes handgreiflichste Ergebnis des Treffens
       bleibt, dass Erdoğans Bodyguards vor der türkischen Botschaft kurdische
       Demonstranten derart massiv zusammenschlugen, dass die US-Polizei
       eingreifen musste, um zu verhindern, dass noch mehr als ein Dutzend Kurden
       krankenhausreif geprügelt wurden.
       
       Trotz aller propagandistischen Schützenhilfe der Erdoğan-treuen Medien in
       der Türkei wird es schwerfallen, das angeblich „historische Treffen“ mit
       Trump als Erfolg zu verkaufen.
       
       Ähnlich ging es Erdoğan zuvor schon beim chinesischen Präsidenten Xi
       Jinping und dem russischen Alleinherrscher Wladimir Putin. Beide speisten
       den Türken mit ein paar warmen Worten ab, bei Putin reduzierte sich das
       Gespräch der „Weltpolitiker“ auf die Frage, ob die Türkei demnächst wieder
       Tomaten nach Russland exportieren darf. Die Hybris Erdoğans, der
       tatsächlich glaubte, als „Führer“ der muslimischen Welt mit Putin, Xi und
       Trump auf Augenhöhe verhandeln zu können, wurde schwer gedämpft.
       
       Am kommenden Mittwoch wird Erdoğan zum Abschluss seiner Welttournee die
       EU-Spitzen Juncker und Tusk in Brüssel treffen. Vielleicht hat der
       türkische Präsident bis dahin wieder so viel politischen Realismus
       zurückgewonnen, dass er wenigstens in Brüssel zu retten versucht, was
       vielleicht noch zu retten ist. Bleibt er auf seinem „Weltpolitiker“-Sockel
       stehen, wird er die Türkei endgültig in die Isolation führen.
       
       UPDATE 17.05., 15 UHR: In einer früheren Version dieses Textes hieß es der
       Angriff auf pro-kurdische Demonstranten habe vor dem Weißen Haus
       stattgefunden. Tatsächlich fand der Angriff vor der türkischen Botschaft
       statt.
       
       17 May 2017
       
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