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       # taz.de -- Morde an mexikanischen Journalisten: Mafia und Staat gegen Pressefreiheit
       
       > Die Angriffe sorgen für Empörung. Strafverfolgung bleibt zumeist aus. Am
       > 15. Mai wurde der Journalist Javier Valdez erschossen.
       
   IMG Bild: Demonstration in Mexiko-Stadt nach dem Mord an Javier Valdez
       
       Zwei Morde, eine Entführung und mindestens ein weiterer bewaffneter
       Überfall – die wiederholten Angriffe auf Medienschaffende in der
       vergangenen Woche haben in Mexiko eine Welle des Protests ausgelöst. In
       zahlreichen Städten gingen Journalisten auf die Straße, viele Zeitungen
       berichteten ausführlich über die Attacken.
       
       Staatschef Enrique Peña Nieto berief eine Sondersitzung seines Kabinetts
       ein. Am Sonntag haben 186 in Mexiko arbeitende internationale
       Korrespondenten die Regierung aufgefordert, die Sicherheit ihrer
       Kolleginnen und Kollegen zu garantieren: Die Straflosigkeit der Täter müsse
       ein Ende haben.
       
       Vor allem der Tod des preisgekrönten Journalisten und Schriftstellers
       Javier Valdez sorgte dafür, dass die mörderischen Arbeitsbedingungen von
       Medienschaffenden das politische Leben im Land bestimmten. Der 50-Jährige
       wurde am 15. Mai auf offener Straße erschossen, als er gerade die
       Redaktionsräume der Zeitung Riodoce in Culiacán verlassen hatte. Die Stadt
       liegt im nordmexikanischen Bundesstaat Sinaloa, den das gleichnamige
       Kartell des in den USA inhaftierten Bandenchefs „El Chapo“ regiert. Wer
       hier zur falschen Zeit ein falsches Wort über das Sinaloa-Kartell verliert,
       riskiert sein Leben.
       
       Das war Valdez immer bewusst, schließlich ist er in der Region
       aufgewachsen. Die von ihm mit gegründete Riodoce berichtete wie kein
       anderes Blatt über das Treiben der organisierten Kriminalität. 2015
       veröffentlichte der Autor „Narcoperiodismo“, ein Buch, das sich mit
       journalistischem Arbeiten in Zeiten des Mafia-Terrors beschäftigt.
       
       Als vor zwei Monaten die Korrespondentin der linken Tageszeitung La
       Jornada, Miroslava Breach, erschossen wurde, schrieb Valdez: „Wenn man mit
       dem Tod dafür bestraft wird, über diese Hölle zu berichten, dann sollen sie
       uns eben alle ermorden.“ Zwei Tage nach dem Mord kündigte Präsident Peña
       Nieto „außerordentliche Maßnahmen“ an, um die Gewalt gegen Medienschaffende
       einzudämmen. Es sei der Tag gewesen, an dem der Staatschef feststellte,
       dass in Mexiko Journalisten verfolgt werden, merkte die Reporterin Marcela
       Turati zynisch an.
       
       Erstmals trauerte der Präsident öffentlich um einen ermordeten
       Pressevertreter, obwohl in seiner Amtszeit seit 2012 mindestens 35
       Journalisten hingerichtet wurden. Laut Reporter ohne Grenzen war Mexiko
       nach Syrien und Afghanistan 2016 das Land mit den meisten getöteten
       Medienvertretern.
       
       ## Faktisch straflos
       
       Journalistenverbände machen dabei die faktische Straflosigkeit
       mitverantwortlich für die zunehmenden Angriffe. Auch eine 2012 ins Leben
       gerufene Sonderstaatsanwaltschaft für Delikte gegen die Meinungsfreiheit
       (Feadle) konnte wenig ändern. Dass der Präsident die Feadle nun stärken
       will, ist dem öffentlichen Druck geschuldet.
       
       Denn obwohl die Morde zugenommen hatten, wurde das Budget zwischen 2014 und
       2016 um die Hälfte reduziert. Auch ein sogenannter „Mechanismus zum Schutz
       von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern“ verfügt über zu wenige
       finanzielle Ressourcen.
       
       Dazu kommt ein noch gravierenderes Problem: Oft arbeiten Kriminelle,
       Polizisten, Bürgermeister und Gouverneure eng zusammen. Mancher Mafiaboss
       werde nur vorgeblich von der Regierung verfolgt, sagte Valdez in einem
       Interview, das nach seinem Tod in der Wochenzeitung proceso erschien: „Die
       Mafia“, so der Schriftsteller“, ist eine Art zu leben und kein
       kriminaltechnisches Phänomen.“
       
       22 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf-Dieter Vogel
       
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