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       # taz.de -- Emirat Katar in der Isolation: Neue Achsen für Nahost
       
       > Das neue arabische Bündnis richtet sich nicht nur gegen Katar. Seine
       > wichtigeren Gegner sind die Islamische Republik Iran und Erdoğans Türkei.
       
   IMG Bild: Katar: eine einzige Baustelle. Doch nun kommen politische Spannungen dem Boom in die Quere
       
       München taz | Im Nahen Osten formiert sich eine neue Achse. Hauptakteure
       sind Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Ägypten,
       die Fäden ziehen drei autokratisch regierende Herrscher: der junge
       Vizekronprinz Muhammad Bin Salman, der davon träumt, Saudi-Arabien zur
       größten militärisch-politischen Regionalmacht auszubauen; der ebenfalls
       junge Kronprinz des Emirates von Abu Dhabi, Muhammad Bin Zayed; und –
       finanziell abhängig von beiden, aber als militärisch stärkste Größe der
       Region – der ägyptische Präsident Abdel Fatah al-Sisi, dem vor allem Katars
       Unterstützung der ägyptischen Muslimbruderschaft ein Dorn im Auge ist.
       
       Das kleine, aber reiche Golfemirat Katar jetzt in die Schranken zu weisen,
       ist nun der erste Testfall, an dem sich die neue Achse versucht. Dass Katar
       keine explizit antiiranische Politik betreibt, ist vor allem Saudi-Arabien
       und den Vereinigten Emiraten ein Dorn im Auge. Deshalb haben sie zusammen
       mit Ägypten und Bahrain mit Katar gebrochen. Ihr Ziel: das kleine Emirat
       vollkommen zu isolieren.
       
       Darüber hinaus will die neue Achse die ganze Region neu ordnen.
       Saudi-Arabien und den Emiraten geht es vor allem darum, den iranischen
       Einfluss in einzudämmen. Dieser Kampf wird in Syrien, dem Irak, dem Libanon
       und dem Jemen ausgefochten. Ägypten möchte zunächst die Lage im turbulenten
       Nachbarland Libyen unter Kontrolle bringen – allerdings nicht mit der von
       der UNO gesponserten Regierung in Tripolis, sondern mit General Khalifa
       Haftar, einer Art Möchtegern-Sisi, der davon träumt, das ganz Land
       militärisch unter seine Kontrolle zu bringen. Nicht nur al-Sisi, auch
       Kronzprinz Muhammad Ben Zayed setzt immer stärker auf die Karte Haftar.
       
       Seit Tagen bombardiert Ägyptens Luftwaffe Gebiete in Ostlibyen, in denen
       sich dessen islamistische Gegner verschanzt haben. „Überlasst uns die
       Angelegenheit hier und wir regeln das in wenigen Wochen“, so eine Botschaft
       des Kronprinzen und al-Sisis, wenn europäische Politiker zu Besuch kommen.
       Sie hoffen, dass sich die Europäer, die auf der verzweifelten Suche nach
       einer Macht in Libyen sind, die die dortigen Flüchtlinge bei ihrem Weg nach
       Westen stoppen könnte, sich ebenfalls auf das Abenteuer Haftar einlassen.
       
       Aber: Prinzen am Golf haben schon öfter versprochen, etwas schnell zu
       lösen. Das letzte Mal kündigte der saudische Vizekronprinz und
       Verteidigungsminister Muhammad Salman an, binnen Kurzem im Jemen
       aufzuräumen und die dortigen Huthi-Milizen zu zerstören. Nun dauert der
       Jemen-Krieg schon über zwei Jahre und hat sich zu einer der schlimmsten
       humanitären Katastrophen der Welt entwickelt.
       
       ## Trumps Besuch spielt eine Rolle
       
       Dass die neue Achse ausgerechnet jetzt das erste Mal ihre Muskeln spielen
       lässt, hat sicherlich mit Donald Trumps Saudi-Arabien-Besuch vergangenen
       Monat zu tun. Dort hatte der US-Präsident nicht nur mit seinen Gastgebern
       pittoreske Schwerttänze getanzt – sondern zudem die antiiranische Agenda
       Saudi-Arabiens vollkommen übernommen. Wahrscheinlich bekamen die Saudis in
       Riad grünes Licht für ihr aktuelles Vorgehen gegen Katar; und Trump hat
       wohl auch Ägyptens Rolle als Ordnungsmacht in Libyen zugestimmt.
       
       Erst mal scheint eine neue, starke, regionale politisch-militärische Achse
       durchaus sinnvoll, um militante Islamisten zu bekämpfen, den Einfluss Irans
       einzudämmen und die Autorität des libyschen Staats wieder herzustellen.
       Aber wahrscheinlich werden die drei Autokraten dabei scheitern. Seit zwei
       Jahren kommt man im Jemen nicht voran, genauso wenig wie al-Sisi es
       schafft, mit seiner Armee den IS aus dem Nordsinai zu vertreiben. Wie Jemen
       für die Saudis könnte sich Libyen für Ägypten als Fiasko erweisen: Jede
       auswärtige Ordnungsmacht dürfte dort in inneren Streitigkeiten zermahlen
       werden.
       
       Auch der Versuch, Katar als Sponsor der Muslimbruderschaft auszuschalten,
       birgt Gefahren – etwa die der Militarisierung der Muslimbrüder. Passiert
       das, könnte die seit fast 90 Jahren existierende Organisation alleine qua
       Größe alle anderen militanten islamistischen Bewegungen in der Region in
       den Schatten stellen.
       
       Zudem wird der Iran nicht einfach auf die nächste Aktion der neuen Achse
       warten. Teheran kann die Situation jederzeit an Orten eskalieren, wo es
       nicht nur den Saudis, sondern auch den USA wehtut – vor allem im Irak, wo
       die Islamische Republik heute de facto mit der US-Armee gegen den IS
       kämpft. Auch in Syrien, dem Libanon und im Jemen hat der Iran genug
       Einfluss, um die neue Achse zu beschäftigen.
       
       Und dann ist da noch die Türkei. Erdoğans Staat und das isolierte Katar
       stehen sich ideologisch nahe, beide unterstützen die Muslimbrüder. Nach
       türkischem Verständnis ist das Vorgehen der neuen Achse auch ein Warnschuss
       für Ankara. Und wenn sich die Türkei und der Iran vom gleichen Gegner
       bedrängt fühlen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass beide zusammenrücken
       – und sich mit Russland eine andere Schutzmacht suchen. Sicher dürfte sein:
       Wo immer sich im Nahen Osten eine neue politische und militärische Achse
       bildet, die versucht, die Region zu ordnen und dabei andere Regionalmächte
       ausschließt, wird sich auch eine potente Gegenallianz bilden.
       
       6 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Karim El-Gawhary
       
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