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       # taz.de -- Kolumne Kreuz + Queer: Gott liebt auch Twinks
       
       > Wie queer ist der Evangelische Kirchentag – jenseits vom „Zentrum
       > Regenbogen“? Bunte Vielfalt, Provokation, ja, das geht, findet aber kaum
       > statt.
       
   IMG Bild: Es ist eine recht homogene Masse beim Kirchentag in Berlin
       
       „Gott ist eine Dragqueen“. Das steht auf einem christlichen Blog. Auf dem
       Kirchentag würde Gott als Dragqueen auffallen. Als Pfandfinder nicht. Die
       sind hier überall.
       
       Queerness findet im ausgelagerten „Zentrum Regenbogen“ statt. Die Debatte
       um LGBT und Kirche wird schon länger geführt: Vor 40 Jahren gründete sich
       die Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche auf dem Kirchentag. Deshalb
       findet auch ein großes Fest vor dem Brandenburger Tor … ach ne, doch nicht.
       Gibt aber einen kleinen Jubiläumsgottesdienst.
       
       Es ist eine recht homogene Masse, die da durch die Stadt zieht. Man kennt
       sich von anderen Kirchentagen. „Typ engagierter, durchschnittsgrüner
       Gymnasiallehrer oder adretter Backfisch aus den 70ern, der anfängt zu
       kichern, wenn er das Wort ,schmusen' hört“, wie es die katholische Autorin
       Esther Maria Magnis treffend in anderem Kontext beschrieben hat. Queerness,
       bunte Vielfalt, Provokation – ja, das geht, findet aber kaum statt.
       
       Vor allem, wenn der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber dieser
       Tage wiederholt, dass „beim 500. Reformationsjubiläum die evangelikale
       Bewegung nicht ignoriert“ werden solle.
       
       1,3 Millionen Evangelikale also, die (fairerweise nicht alle)
       Homosexualität für sündig und therapierbar halten. Wer queer ist, schmort
       für ewig in der Hölle und hat mit Gott nichts zu schaffen. Sollte solche
       Intoleranz von der evangelischen Kirche umarmt werden?
       
       Zerdrückt vielleicht: Es braucht schließlich Raum zur Begegnung. Wer soll
       religiöse Fanatiker von ihrem Irrsinn abbringen, wenn nicht die, die sich
       mit deren Argumentation bestens auskennen und sie entkräften können?
       
       Deshalb sucht die LGBT-Organisation „Zwischenraum“ auch das Gespräch
       außerhalb des Regenbogenzentrums. Sie kommen in der Halle zu „Christsein im
       Alltag“ mit den Frommen ins Gespräch. Solange es noch Homo- und Transphobe
       in christlichen Gemeinden gibt, sind Brückenbauer wie „Zwischenraum“
       unabdingbar. Dabei muss nicht mal auf die Evangelikalen geschielt werden:
       Gleichgestellt getraut werden homosexuelle Paare nur in sechs der zwanzig
       Landeskirchen.
       
       In der BBC-Dokumentation „Queer Britain“ geht ein YouTuber der Frage nach,
       ob Gott queere Menschen hasst. Eine der bewegendsten Szenen findet
       ausgerechnet in einer evangelikalen Kirche statt, wo Trans* Elijah seinen
       neuen Namen bekommt. Er wird von der Gemeinde gesegnet und mit seiner neu
       gelebten Identität angenommen. Er hat einen Safe Space gefunden. Zu Hause
       ist da, wo ich mich nicht mehr erklären muss.
       
       Am Ende geht es ja um mehr als „gesehen werden“. Wer Gott liebt, der soll
       gefälligst auch seine Glaubensgeschwister lieben. Lieben (!) und sich nicht
       nur für ein wenig Toleranz auf die eigene Schulter klopfen.
       
       Gott liebt Tomboys, Twinks und Trans*, hat er sich ja schließlich alles
       ausgedacht. Vielleicht ist Gott einfach viel zu progressiv.
       
       26 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sami Rauscher
       
       ## TAGS
       
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