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       # taz.de -- Kirchentag in Berlin: Lobpreisung der Halleluja-Schlümpfe
       
       > Auch wenn die U-Bahn voll ist: Kirchentag ist super. Hier kommen die
       > Leute zusammen, die etwas ändern wollen und noch Sinn im Sein suchen.
       
   IMG Bild: Lange Tafel für die Teilnehmer des evangelischen Kirchentages am Gendarmenmarkt
       
       Berlin taz | Ach Gottchen – der Unterricht an den Schulen fällt aus! Die
       U-Bahn ist voll! In den Turnhallen riecht es nach Schweiß! Das Gemaule über
       die Protestanten, die Berlin fluten, gehört in der Hauptstadt des Meckerns
       [1][fast schon zum guten Ton]. Aber es geht nicht ums Deo. Sondern ums Deo
       Gratias – Gott sei Dank haben wir sie, die Halleluja-Schlümpfe.
       
       Die freundliche Übernahme Berlins durch die singenden, tanzenden und
       manchmal nervenden mehr oder weniger Gläubigen ist das Beste, was der Stadt
       passieren kann. Bei Kirchen- und Katholikentagen ist die Arschloch-Dichte
       praktisch null. In den Straßen, die sonst von Craftbeer-Hipstern und
       zynischen Politprofis dominiert werden, herrscht eine Freundlichkeit im
       Outdoor-Look, die wir sonst nicht kennen.
       
       Da kommen Zehntausende, die ein Fragezeichen hinter die Logik von
       Wirtschaftswachstum und Immer-weiter-so machen. Da sind vor allem junge
       Leute und Grauhaarige unterwegs, die noch oder wieder nach dem Sinn im Sein
       suchen. Was fehlt, ist die zynische Mittelklasse des Lebens, die auf der
       Überholspur von Karriere und Kindererziehung weder rechts noch links
       schauen will.
       
       Natürlich sind auch seltsame Typen unterwegs. Aber bei jedem Turnfest,
       Pokalfinale oder Karneval der Kulturen ist die Belästigung größer und der
       Gewinn für alle geringer. Die Christentreffen sind nicht nur wichtig, weil
       hier die Debatten um die großen Fragen von Homoehe bis Flüchtlingspolitik
       geführt werden. Sondern vor allem deshalb, weil hier die Leute
       zusammenkommen, die solche Veränderungen voranbringen wollen und können.
       
       ## Für diese Ziele wurde auch die taz gegründet
       
       Das sind die Menschen, die in den letzten Jahren Geflüchtete versorgt
       haben, die schon früh zum Ökostrom-Anbieter gewechselt sind, die ihr Geld
       in ethisches Investment stecken und die in den Schulen immer die
       Elternvertreter stellen. Wenn man unser Land friedlicher, toleranter und
       vernünftiger machen will – hier ist das Personal dazu! Alle paar Jahre
       kommen sie zusammen, sehen, dass sie nicht allein sind und bringen ihre
       Kinder mit. Gäbe es die großen Treffen der guten Menschen nicht, müsste man
       sie erfinden.
       
       Die Schlagworte in diesem Prozess heißen seit Jahrzehnten „Frieden –
       Gerechtigkeit – Bewahrung der Schöpfung“. Auf einen kurzen Nenner gebracht,
       sind das auch die Ziele, für die die taz gegründet wurde. Die religiöse
       Begründung dieses Engagements muss niemand übernehmen, der sich für die
       gleichen Werte einsetzt. Aber in Zeiten, wo sich die Mörderbanden des IS,
       Autokraten von Erdogan bis Putin und amoralische Quartalsirre wie Trump für
       die Rechtfertigung ihrer Verbrechen auf einen Gott berufen, sind fromme
       Schwaben in der U-Bahn ein Zeichen der Hoffnung.
       
       25 May 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kolumne-Gottlos/!5411667
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
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