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       # taz.de -- Sportrechte bei den Öffentlich-Rechtlichen: Wer nichts mehr zu verlieren hat
       
       > Live-Sportrechte gehen gerade immer mehr an private Anbieter. ARD und ZDF
       > mögen das schlimm finden, dabei ist es eine große Chance für sie.
       
   IMG Bild: 3. Juni 2017: Real Madrids Sergio Ramos freut sich nach dem erfolgreichen Champions-League-Finale
       
       Champions League. Die zwei Worte stehen am Anfang der Einladung, die das
       ZDF verschickt hatte. Berlin, Unter den Linden, im Zollernhof, wo sonst
       beim „ZDF-Morgenmagazin“ Frühaufgestandene um runde Tische sitzen und
       Moderatorinnen und Moderatoren beklatschen, die noch früher aufgestanden
       sind als das Publikum, will Thomas Fuhrmann ein paar Journalisten in einem
       kleinen Konferenzraum im Seitenflügel empfangen.
       
       An diesem Tag im April ist Fuhrmann seit fast 100 Tagen als Sportchef des
       ZDF im Amt. Eigentlich wollte er dieses Fast-Minijubiläum nutzen, um zu
       erzählen, wie es weitergeht mit der Champions League im Zweiten. Deshalb
       die Einladung. Das Problem: Fuhrmann kann nicht.
       
       Denn der europäische Fußballverband Uefa und sein Rechtevermarkter namens
       Team haben sich noch nicht entschieden oder sie haben es nur noch nicht
       verkündet, wer ab 2018 in Deutschland die Champions League zeigen darf.
       
       Dabei ist die Frist zur Abgabe von Angeboten bereits am 3. April
       abgelaufen. Das ZDF hat auch eine Offerte eingereicht, mit der der Sender
       „bis an die Schmerzgrenze“ gegangen sei, sagt Fuhrmann. Doch was dem einen
       Schmerzen bereitet, juckt den anderen zuweilen kein bisschen. Die Uefa
       lässt sich jedenfalls viel Zeit. Aber bis zum Champions-League-Finale wird
       man mehr wissen. Da ist sich Fuhrmann sicher.
       
       Cardiff, Millennium Stadium, 3. Juni. Real Madrids Sergio Ramos stemmt den
       Champions-League-Pokal in die Höhe. Viele der 65.842 Zuschauer werden
       gleich die paar Meter zur St Mary Street schlendern und sich ein paar Pints
       genehmigen. Das Finale ist durch. Und Thomas Fuhrmann weiß immer noch nicht
       mehr.
       
       Die Uefa hat sich immer noch nicht offiziell geäußert. Doch es wird immer
       klarer, dass die Zeichen auf Trennung stehen. Warum sonst sollte der
       Fußballverband seinen langjährigen Vertragspartner so lange hinhalten?
       
       Intern sollen die Redakteurinnen und Redakteure schon seit Wochen Bescheid
       wissen. Auch ZDF-Intendant Thomas Bellut hält es für „sehr
       wahrscheinlich“, dass die Rechte verloren gehen. Es wäre das Wunder von
       Mainz, wenn die Uefa doch noch dem ZDF den Zuschlag erteilen würde. Und so
       dürfte das Finale von Cardiff das vorletzte Champions-League-Endspiel bei
       dem öffentlich-rechtlichen Sender gewesen sein.
       
       ## Kaum noch Sport beim ZDF
       
       Während Fuhrmanns Vorgänger Dieter Gruschwitz noch Olympische Sommer- und
       Winterspiele, DFB-Pokal-Partien und die Qualifikationsspiele der
       Nationalelf zu besetzen hatte, muss Fuhrmann in seinen Dienstplänen auf all
       diese Ereignisse kaum noch Rücksicht nehmen. Denn die Liverechte an
       Olympia, DFB-Pokal und Quali hat das ZDF allesamt in den vergangenen Jahren
       verloren. Und nun ist wohl bald auch noch die Champions League futsch.
       Immerhin, bei Olympia und Quali-Spielen der Nationalmannschaft teilt sie
       das Schicksal mit der ARD.
       
       Was bleibt ARD und ZDF da noch an reichweitenstarken Sportveranstaltungen?
       Die Fußball-Welt- und Europameisterschaften – immerhin. Der Wintersport –
       okay. Die Bundesligazusammenfassungen in „Sportschau“ oder „aktuellem
       sportstudio“ – wenn man am Samstagabend nichts anderes vorhat. Ein paar
       Freundschaftsspiele der Nationalmannschaft und der Confed Cup – da beginnt
       schon das Gähnen.
       
       Gewonnen hat das ZDF zuletzt nur bei den Bundesligarechten. Es darf ab
       kommender Saison drei Spiele live zeigen, dazu den Supercup und die
       Relegation von der Dritten zur Zweiten Liga. Überboten hat das ZDF dabei
       übrigens: die ARD.
       
       Seitdem alle – Fernsehsender, Internetprovider, Pay-TV-Plattformen,
       Online-Videotheken, Internet-Großkonzerne – um Inhalte kämpfen, weil
       niemand nur noch Infrastrukturanbieter sein will, sind die großen
       Sportereignisse zum begehrtesten Gut auf dem Fernsehmarkt geworden.
       
       Die Kosten für Live-TV-Rechte steigen: Während das ZDF 2012 die Rechte noch
       für 54 Millionen Euro bekommen haben soll, scheinen für die Jahre 2018 bis
       2021 (unbestätigte) 70 Millionen Euro zu wenig zu sein – und das für nur
       ein Livespiel pro Europapokalwoche am Mittwochabend sowie das Finale. Ab
       2018 sollen die Champions-League-Spiele – so lautet das hartnäckigste
       Gerücht – dann ganz aus dem Free-TV verschwinden und nur noch im Pay-TV bei
       DAZN und Sky zu sehen sein. Für geschätzte 200 Millionen Euro pro Saison.
       
       In Großbritannien hat BT Sport kürzlich die Rechte für alle Spiele der
       Champions League gekauft: für rund 450 Millionen Euro pro Saison. Und alle
       warten noch gebannt darauf, dass irgendwann auch Google oder Amazon mal um
       die teuren Rechte mitbieten. Da geht also noch was. Nur nicht für ARD und
       ZDF. „Als öffentlich-rechtlicher Sender muss man gucken, was vertretbar
       ist“, sagt Fuhrmann.
       
       ## Schlimm?
       
       Ob die 70 Millionen Euro vertretbar sind, ist die eine Frage. Ob es
       überhaupt so schlimm ist, dass ARD und ZDF gerade reihenweise Sportrechte
       abgeben müssen, ist die andere. Denn auch wenn alle Verantwortlichen immer
       wieder versichern, wie wichtig es sei, dass der Sport im Fernsehen auch
       journalistisch und damit kritisch begleitet würde und dass dies nur die
       Öffentlich-Rechtlichen bieten könnten, hielt bei der WM in Brasilien dann
       doch Katrin Müller-Hohenstein mit Lukas Podolski die Beine in den Swimming
       Pool oder bei Olympia in Sotschi einen kleinen Plüschwolf in die Kamera,
       über dessen Namen die Zuschauer abstimmen sollten. Am Ende wurde es
       „Wotschi“, ein süßer und bestimmt auch ganz kritischer Wolf, der übrigens
       noch zu haben ist: für 54,90 Euro im ZDF-Shop.
       
       Und im Ersten übermittelte Jürgen Bergener einen Dank „auch von der
       gesamten ARD“ an Torwart Manuel Neuer, der mit der Nationalmannschaft kurz
       zuvor im EM-Viertelfinale gegen Italien gewonnen hatte. Wenn das die
       kritische Begleitung der Großereignisse sein soll, dann braucht einem nicht
       bang werden, dass das private Anbieter nicht auch hinbekämen.
       
       Überhaupt wäre es verlogen, nun zu jammern. Jahrelang wurde sich darüber
       aufgeregt, dass ARD und ZDF viel zu viel für Sportrechte ausgeben würden;
       dass es heuchlerisch sei, die Verbände zwar zu kritisieren und deren
       kriminelles Treiben aufzudecken, ihnen dann aber doch die Beitragseuros in
       den unersättlichen Magen zu pumpen. Wer für viel Geld Sportrechte einkauft,
       wer Werbeplätze vermarkten will, der macht sein Produkt nicht schlechter
       als unbedingt nötig, der ist halt immer auch Promoter – ob er will oder
       nicht.
       
       Doch diese Rolle könnten ARD und ZDF abstreifen. Wenn sie wollten. Denn wer
       keine Rechte mehr zu verlieren hat, der hat nichts mehr zu verlieren. Und
       so könnten die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ihrem Selbstbild in
       Zukunft so nah wie noch nie kommen.
       
       ## Mehr Zeit für Sportpolitik
       
       Das sieht auch Fuhrmann, der vor seiner „Morgenmagazin“-Zeit beim ZDF schon
       bei „Frontal 21“, „Kennzeichen D“ und im Hauptstadtstudio arbeitete und
       sagt, dass er sich im Magazinjournalismus „durchaus zu Hause“ fühle und
       dass er „sportpolitische Themen stärker in den Fokus rücken“ möchte.
       
       Noch hinkt das ZDF in diesem Bereich der ARD hinterher, wo sie Hajo Seppelt
       haben, der zuletzt mit mehreren Enthüllungen, das russische Dopingsystem
       betreffend, für Aufsehen sorgte.
       
       „Wir versuchen, den Abstand zu verkürzen“, sagt Fuhrmann, „was nicht
       einfach ist.“ Die Kapazitäten – personell wie finanziell – dürfte er dafür
       haben. Die Sendestrecken habe er auch, im „aktuellen sportstudio“ zum
       Beispiel oder in der „Sportreportage“. Deswegen sieht er auch keinen Bedarf
       für ein eigenes investigatives Sportmagazin, wie es der WDR mit „sport
       inside“ ausstrahlt.
       
       Vor dem Confed Cup in Russland zeigten sowohl ARD als auch ZDF Reportagen
       über Putins Spiele: Es ging um nordkoreanische Arbeiter auf den
       Stadionbaustellen, um Korruption, um die unsägliche Rolle der Fifa, kurzum:
       ums ganz dreckige Sportbusiness. Ab kommendem Wochenende laufen dann die
       Hochglanzbilder von ebenjenem Confed Cup, ausgetragen in ebenjenen
       Stadien, bei deren Bau so viel Geld versickert sein soll, veranstaltet von
       ebenjener Fifa, die . . . ach, Sie wissen schon, die Fifa halt. Das alles
       live und exklusiv bei ebenjener ARD und ebenjenem ZDF.
       
       13 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürn Kruse
       
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