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       # taz.de -- Vegane Lebensmittel: Zoff um das Euter
       
       > Ist es Täuschung, wenn ein Hersteller vegane Bioprodukte „Veggie-Cheese“
       > nennt? Am Mittwoch entscheidet der Europäische Gerichtshof.
       
   IMG Bild: Nur echt mit „Eutersekretion“?
       
       Berlin taz | Wann ist ein Käse ein Käse? Die Antwort darauf werden die
       Richter des Europäischen Gerichtshofs am Mittwoch geben. Für die Firma
       Tofutown aus Wiesbaum in der Eifel hängt davon viel ab. Ein Verband namens
       Sozialer Wettbewerb aus Berlin, kurz VSW, hat den Hersteller pflanzlicher
       Bioprodukte verklagt, weil dieser „Pflanzenkäse“, „Veggie-Cheese“ und
       „Soyatoo-Tofu-Butter“ verkauft. Die Bezeichnungen für Milchprodukte seien
       für vegane Produkte tabu. Mittlerweile liegt der Fall in Luxemburg bei den
       obersten Richtern Europas.
       
       „Elektroautos dürfen Auto heißen, alkoholfreies Bier ist Bier, aber ein
       pflanzlicher Käse darf nicht Käse genannt werden?“ Der Kölner Rechtsanwalt
       Michael Beuger will das nicht hinnehmen, er vertritt Tofutown. Einfach,
       sagt er, „wird das nicht“. Der Fall ist nicht nur begriffsgeschichtlich
       interessant; er zeigt, wie die Produzenten tierischer und pflanzlicher
       Lebensmittel um Marktanteile kämpfen.
       
       Tofutown-Gründer Bernd Drosihn, einst Punkmusiker, sagt: „Kuhmelker, keine
       Angst, wir Pflanzenmelker sind nett!“ Er ist lange im Geschäft und einiges
       gewohnt. Als er 1981 das Kollektiv Soyastern gründete, so der 57-Jährige,
       habe er „immer wieder wunderschöne Verbotsverfügungen ins Haus bekommen“.
       
       Tofu herzustellen – also Sojabohnen einweichen, pürieren, kochen,
       auspressen – war zu der Zeit verboten. Es galt als Imitieren von Milch und
       war zum Schutz der Bauern gesetzwidrig. Polizisten machten Razzien und
       nahmen sieben Säcke Nigari mit, ein traditionelles Gerinnungsmittel zur
       Tofuherstellung. Das Verbot galt bis 1990.
       
       Heute macht Drosihn mit seinen 300 Mitarbeitern rund 60 Millionen Euro
       Umsatz. Ihn ärgern zwar „die Diskriminierungen“, wie er sagt: Der
       Mehrwertsteuersatz für Kuhmilch liegt bei 7 Prozent, der für Pflanzenmilch
       bei 19, Sojamilch darf nur als Sojadrink verkauft werden. Doch sein
       Geschäft läuft.
       
       Allerdings gibt es da die Abmahnung des VSW, der ihn aufgefordert hat, die
       Bezeichungen „Cheese, Milch, Butter“ für seine pflanzlichen Produkte nicht
       mehr zu verwenden.
       
       ## Melken muss sein
       
       Im europäischen Recht heißt es: „Der Ausdruck Milch ist ausschließlich dem
       durch ein- oder mehrmaliges Melken gewonnenen Erzeugnis der normalen
       Eutersekretion“ vorbehalten. Davon gibt es Ausnahmen, etwa für
       traditionsreiche Produkte wie die Mandelmilch in Italien, die latte di
       mandorla. Auch muss sich niemand vom Liebfrauenmilch-Wein verabschieden.
       Das Ziel: die Milcherzeuger schützen und Verbrauchertäuschung verhindern.
       
       „Die Gefahr der Verbrauchertäuschung durch die Produktbezeichnung gibt es
       bei Tofutown aber nicht“, hält Rechtsanwalt Beuger entgegen. Der
       Unterschied zur Milch von Kuh, Schaf, Ziege liege auf der Hand: „Die Firma
       weist auf der Verpackung ihrer Waren darauf hin, dass es sich um
       pflanzliche Alternativprodukte handelt.“ Längst habe sich auch das
       Bewusstsein der Verbraucher gewandelt, veggie und vegan gebe es in allen
       Supermärkten. Das müssten die Richter anerkennen.
       
       Bislang hat es einen Streit dieser Art nicht gegeben.
       CSU-Bundesagrarminister Christian Schmidt ließ sich Ende 2016 zwar in der
       Bild-Zeitung mit einem Stück Schweinebraten abbilden und erklärte, Begriffe
       wie „vegane Currywurst“ oder „vegetarische Schnitzel“ verbieten zu wollen.
       Für das Fleisch ohne Tier gibt es aber keine vergleichbaren Regeln wie für
       die Milch ohne Tier.
       
       Jurist Beuger sieht auch keine Parallele zum Fall „Analogkäse“. Der ist
       auch pflanzlich und darf längst nicht mehr so genannt werden. „Der hieß
       einfach nur Käse, nicht veganer Käse“, sagt Beuger. Dem Käufer sei
       „tatsächlich etwas vorgegaukelt werden“. Darum gehe es jetzt nicht – ganz
       im Gegenteil.
       
       Tofutown verwebe Milch, Käse, Butter im Produktnamen immer extra mit den
       Begriffen Tofu, Veggie, Soja. Viele Verbraucher suchten gezielt nach den
       pflanzlichen Alternativen, ohne Massentierhaltung, ohne Fleischproduktion,
       die den Klimawandel anheizt.
       
       Beuger meint: „Die Richter haben die Möglichkeit, sich für eine neue
       Auslegung der Verordnung zu entscheiden und damit für eine
       klimafreundlichere, ökologischere Sichtweise.“ Das sei nur zeitgemäß. Ein
       US-Bundesbezirksgericht in Northern Carolina habe vor Kurzem auch
       entschieden, dass der Verbraucher bei der Bezeichnung Sojamilch wisse, dass
       es sich nicht um Milch im klassischen Sinne handelt.
       
       Drei Länder haben Beugers Argumentation bereits widersprochen: neben
       Griechenland und Italien auch Deutschland. In einer 15-seitigen
       Stellungnahme schreibt das Bundeswirtschaftsministerium im Namen der
       Bundesrepublik dem Europäischen Gerichtshof, dass der Begriff Veggie-Milch
       nicht zulässig sei. Zudem: „Den Erwartungen des Verbrauchers wird durch die
       althergebrachten Bezeichnungen am ehesten Rechnung getragen.“
       
       Die Entscheidung des Gerichts ist offen. Und so wollte sich der zuständige
       EU-Kommissar Vyentis Andriukaitis vor dem Urteil nicht äußern. Ein Gutes
       bleibe in jedem Fall, meint Beuger: „Wir stoßen eine Debatte an. Vielleicht
       werden die Regeln dann eines Tages geändert.“
       
       13 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hanna Gersmann
       
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