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       # taz.de -- Radikalisierte Minderjährige: Verfassungsschutz im Kinderzimmer
       
       > Überwachung unter-14-Jähriger: Die CSU möchte radikalisierte Kinder
       > bundesweit beobachten lassen und steht damit allein da – fast.
       
   IMG Bild: Der CSU-Vorstoß hat kaum Chancen, Gesetz zu werden
       
       Berlin taz/epd | Was in Bayern bereits Realität ist, will der dortige
       Innenminister Joachim Herrmann nun auch deutschlandweit durchsetzen. Der
       CSU-Politiker fordert, dass die Verfassungsschutzämter der Länder künftig
       auch islamistisch radikalisierte Minderjährige unter 14 Jahren überwachen
       und deren Daten unbegrenzt speichern dürfen. Bereits 2009 hatte die CSU
       Ähnliches gefordert. Herrmann will seinen Vorschlag bei der
       Innenministerkonferenz kommende Woche einbringen.
       
       Ungewöhnlich ist die Richtung, aus der Herrmanns Vorschlag nun unterstützt
       wird. Ausgerechnet der von Linken und SPD als Präsident des thüringischen
       Verfassungsschutzes eingesetzte Stephan Kramer stellt sich hinter die
       Forderung aus Bayern. „Sofern konkrete Hinweise vorliegen, müssen die
       Sicherheitsbehörden hier die Möglichkeit zur Beobachtung, Speicherung und
       Bewertung von Erkenntnissen haben“, sagte Kramer der Mitteldeutschen
       Zeitung.
       
       Der Vertraute des Linken-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow erntet dafür
       prompt Kritik aus der Bundespartei. „Ich habe den Eindruck, Stephan Kramer
       läuft in dieser Frage voll aus dem Ruder“, sagte Ulla Jelpke,
       innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, der taz. Kinder
       seien kein Fall für den Verfassungsschutz. „In erster Linie ist Prävention
       wichtig“, so Jelpke weiter. „Wenn es Anhaltspunkte für die Radikalisierung
       von Kindern gibt, ist das eine Aufgabe für Polizei, Jugendhilfe und Schule
       – und nicht Aufgabe des Verfassungsschutzes.“
       
       Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) sieht das ähnlich.
       „Bevor Kinder eventuell zu Tätern werden könnten, sind sie erst mal selbst
       Opfer übelsten Missbrauchs durch ihre fanatisierten, radikalisierten
       Eltern.“ Deshalb müsse es um die Frage gehen, wie diese Kinder geschützt
       werden könnten, sagte Pistorius am Mittwoch.
       
       ## Schutzalter gerade erst gesenkt
       
       Bisher ist es dem Verfassungsschutz untersagt, Informationen über
       Jugendliche vor Vollendung des 14. Lebensjahrs zu sammeln und zu speichern,
       wenn keine Anhaltspunkte für eine schwere staatsgefährdende Tat vorliegen.
       Der Bundestag hatte das Schutzalter 2016 allerdings bereits um zwei Jahre
       gesenkt.
       
       Der von Joachim Herrmann im März im Bundesrat eingebrachte Gesetzesantrag
       plädiert nun für die „vollständige Aufhebung der Altersgrenzen“ bei
       Personen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Auch Minderjährige
       hätten schließlich bereits schwere Straftaten begangen. Der Gesetzesantrag
       verweist unter anderem auf den Messerangriff einer 15-Jährigen auf einen
       Bundespolizisten in Hannover, der im Februar 2016 für Aufsehen gesorgt
       hatte.
       
       Herrmanns Vorschlag dürfte jedoch kaum eine Chance haben. Führende
       Politiker aller Bundestagsparteien lehnten die Initiative ab. Wie Bayern
       können die Bundesländer allerdings eigene Regelungen erlassen und die
       Beobachtung von Kindern durch den Verfassungsschutz erlauben.
       
       7 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jörg Wimalasena
       
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