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       # taz.de -- Trainerentlassung beim BVB: Tischtuchel zerschnitten
       
       > Borussia Dortmund trennt sich trotz des Pokalsiegs von Trainer Thomas
       > Tuchel. Zuvor gab es monatelang Differenzen.
       
   IMG Bild: Verlässt Lüdenscheid-Nord: Thomas Tuchel
       
       Berlin taz | Es wird ja dieser Tage viel über den modernen Fußball geredet.
       Aber diese Premiere am Dienstag um 12.48 Uhr kam dann doch etwas
       unerwartet. Thomas Tuchel verkündete [1][via Twitter seinen eigenen
       Rausschmiss] bei Borussia Dortmund. Er schrieb: „Ich bin dankbar für zwei
       schöne, ereignisreiche und aufregende Jahre. Schade, dass es nicht
       weitergeht.“ Besonders war das auch deshalb, weil Tuchel sich zur
       Verkündung dieser Botschaft erst zwei Stunden zuvor einen Account zugelegt
       hatte. Dem Twitter-Neuling war es wohl enorm wichtig, seinem Verein
       zuvorzukommen.
       
       Die Beziehung zwischen dem Trainer Tuchel und Borussia Dortmund war bereits
       in den vergangenen Wochen voller Schrägheiten und Absonderlichkeiten.
       Insofern passte dieser Alleingang und Schlusspunkt in die Geschichte eines
       völlig gestörten Verhältnisses.
       
       Der joviale Kumpeltyp und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und der
       asketische, vernunftgesteuerte Tuchel sind in den letzten beiden Jahren nie
       warm miteinander geworden. Zum öffentlichen Bruch kam es allerdings erst
       infolge des Anschlags auf den Dortmunder Mannschaftsbus am 11. April, als
       das Champions-League-Spiel gegen den AS Monaco anstand.
       
       Watzke trat für die Neuansetzung des Spiels nur 24 Stunden später ein und
       stilisierte die Entscheidung als notwendige Maßnahme im Kampf gegen den
       weltweiten Terror hoch. „Unmenschlich“ aber fand Tuchel diese Anforderung
       an seine Spieler und ihn, sich so kurz nach dem glücklich überstandenen
       Mordanschlag auf Fußball zu konzentrieren. Und er ließ mit dieser Aussage
       Watzke reichlich schlecht aussehen. Tuchel hingegen erhielt von allen
       Seiten viel Lob für sein Krisenmanagement und seinen Umgang mit der
       Mannschaft.
       
       ## Wohl gesetzte Nadelstiche
       
       Es folgte eine Schlammschlacht. Anonyme Spielerzitate wurden von der
       Süddeutschen Zeitung veröffentlicht, die auch Tuchel ins schlechte Licht
       rückten. Angeblich sprachen ihm einzelne Spieler seine menschlichen
       Qualitäten ab und prangerten an, Tuchel würde das Team taktisch
       überfordern.
       
       Als Watzke Anfang Mai vor dem wichtigen Bundesligaspiel gegen Hoffenheim
       [2][öffentlich den Zwist mit Tuchel einräumte], ließ dieser seinen Chef
       wieder geschickt ins Leere laufen. Er verbiete sich, erklärte er damals,
       vor sportlich so entscheidenden Partien, auf dieses Thema einzugehen.
       
       Tuchel war in einer komfortablen Position. Welcher Verein mit einem
       Champions-League-Platz [3][und dem Pokalsieg vor Augen] entledigt sich
       schon seines Trainers? Der 43-Jährige schien in den vergangenen Wochen auch
       eine gewisse Lust daran zu entwickeln, mit wohl gesetzten Nadelstichen den
       Konflikt bloß nicht erlahmen zu lassen. Keine noch so provokante Frage an
       ihn blieb unkommentiert.
       
       Auch wenn er immer wieder bedauerte, dass die großartigen Leistungen seiner
       Mannschaft durch die Fokussierung auf ihn und Watzke in den Hintergrund
       treten würden, so nutzte er auch die Pressekonferenz nach dem Pokalsieg
       gegen Eintracht Frankfurt, um ausführlich und wortgewandt das gute
       Verhältnis zwischen ihm und seiner Mannschaft zu beschreiben. Und auch da
       sprach er von einer Kampagne derer, die einen gegenteiligen Eindruck
       erwecken wollten. Tuchel hatte in den letzten Wochen die
       Kommunikationsherrschaft inne, für den ebenso eitlen Watzke war das nicht
       mehr weiter hinnehmbar.
       
       ## Kommt jetzt Favre?
       
       Dem Verein ist jedoch natürlich daran gelegen, die Entlassung von Tuchel
       nicht als Konsequenz eines unerbittlichen Männerstreits erscheinen zu
       lassen. „Der BVB legt großen Wert auf die Feststellung, dass es sich bei
       der Ursache der Trennung keinesfalls um eine Meinungsverschiedenheit
       zwischen zwei Personen handelt. Das Wohl des Vereins Borussia Dortmund, den
       viel mehr als nur der sportliche Erfolg ausmacht, wird grundsätzlich immer
       wichtiger sein als Einzelpersonen und mögliche Differenzen zwischen
       diesen.“
       
       Dieser Lesart wird sich Tuchel wohl nicht anschließen wollen. [4][In einem
       zweiten Tweet] erklärte Tuchel: „Danke an die Fans, an die Mannschaft, an
       den Staff und an alle, die uns unterstützt haben.“ Bei der Vereinsführung
       bedankte er sich nicht. Das war noch so eine letzte wohl gesetzte Spitze.
       
       Als sein Nachfolger ist nun in Dortmund der Schweizer Trainer Lucien Favre
       im Gespräch. Eigenwillig kann der durchaus auch sein. Bei Hertha BSC Berlin
       berief der Schweizer bei seinem Abgang eine eigene Pressekonferenz ein,
       weil er die Darstellung des Vereins nicht unkommentiert stehen lassen
       wollte.
       
       30 May 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/TTuchelofficial/status/869505589042442241
   DIR [2] /Zoff-bei-Borussia-Dortmund/!5403815
   DIR [3] /Dortmund-siegt-im-DFB-Pokalfinale/!5415613
   DIR [4] https://twitter.com/TTuchelofficial/status/869506087921307648
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Kopp
       
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