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       # taz.de -- Ermittlungen gegen russischen Regisseur: Die Geringschätzung von Freiheit
       
       > Russische Sicherheitsorgane werfen dem Regisseur Kirill Serebrennikow
       > Veruntreung vor. Das ist womöglich eine vorgeschobene Behauptung.
       
   IMG Bild: Kirill Serebrennikow, hier vor dem Opernhaus in Stuttgart
       
       Der international bekannte russische Theater- und Kinoregisseur Kirill
       Serebrennikow wurde am 23. Mai in Moskau als Zeuge vorgeladen, nachdem
       Mitglieder der Sicherheitsorgane seine Wohnung und das Theater Gogol
       Center, dessen künstlerischer Leiter er ist, durchsucht hatten.
       
       Die Vorwürfe beziehen sich auf mögliche finanzielle Unregelmäßigkeiten.
       „Das siebte Studio“, Serebrennikows Theaterensemble mit Absolventen seines
       Regie- und Schauspielstudiengangs am Moskauer Künstlertheater, soll die
       zwischen 2011 und 2014 erhaltenen Subventionen (etwa 200 Millionen Rubel –
       umgerechnet 3,3 Millionen Euro) veruntreut haben.
       
       Noch gleichentags wandten sich viele Moskauer Intendanten, Regisseure und
       Schauspieler, darunter Berühmtheiten wie Oleg Tabakow und Mark Sacharow, in
       einer Protestnote an Wladimir Putin. Jewgeni Mironow, der Intendant des
       staatlichen Theaters der Nationen, übergab dem Präsidenten besagte Note,
       als er im Kreml den Orden für besondere Verdienste um das Vaterland
       empfing.
       
       Seitdem tobt ein Krieg in den sozialen Netzwerken. Es geht nicht um den
       eigentlichen Vorwurf. Den sehen Befürworter und Gegner von Kirill
       Serebrennikow nur als Vorwand. Sein Gogol Center ist ein alternatives
       Theaterlabor in einem autoritär regierten, politisch angespannten Land.
       
       ## Unkontrollierbarer Apparat
       
       Er ist wiederum ein Künstler, der sich dezidiert politisch äußert, indem er
       den unkontrollierbaren Machtapparat und die Geringschätzung von Freiheit in
       Russland kritisiert. In seiner Kunst sucht er den Kontakt zur Realität und
       stellt kluge Fragen. Mit „Plastilin“, der Inszenierung eines damals
       unbekannten Stückes von Wasilli Sigarew, wurde Serebrennikow 2001
       schlagartig berühmt. Bald darauf inszenierte er am Moskauer Künstlertheater
       und wurde nach Avignon sowie zu den Wiener Festwochen eingeladen.
       
       Sein neuester Film, „Der die Zeichen sieht“, wurde 2016 in Cannes
       ausgezeichnet. In Berlin hatte im Oktober 2016 an der Komischen Oper seine
       humorvolle und gleichzeitig knallharte Smartphone-Inszenierung von Rossinis
       „Il barbiere di Siviglia“ Premiere. Nächste Spielzeit wird er auch am
       Deutschen Theater seine Handschrift hinterlassen.
       
       In Russlands sozialen Netzwerken wird Serebrennikow inzwischen mit
       verächtlichem Unterton als Liberaler bezeichnet, ein Kulturschaffender, mit
       dem die Machthaber viel zu sanft umgehen würden. Der Regisseur betont, dass
       Theater ein Raum der Freiheit sein muss. Artur Solomonow, Theaterkritiker
       und Weggefährte, mutmaßt, dass es sich hier um den Anfang eines
       gefährlichen gesellschaftlichen Prozesses handelt, der mit Einschüchterung
       beginnt.
       
       1 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katja Kollmann
       
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