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       # taz.de -- Album „All of This“ von Perera Elsewhere: Die Metamorphose ausleben
       
       > Sasha Perera hat ihr zweites Soloalbum als Perera Elsewhere vorgelegt.
       > Die Songs der früheren Jahcoozi-Sängerin klingen noch ausgereifter.
       
   IMG Bild: Sonst ohne Schleier irgendwo unterwegs: Sasha Perera alias Perera Elsewhere.
       
       Früher war Sasha Perera die hyperagile, in futuristische Outfits gekleidete
       Sängerin des Berliner Elektronik-Trios Jahcoozi. Sie traktierte das
       Publikum mit Wortkaskaden im Jungle-MC-Style. Aber vor einiger Zeit hat sie
       sich unter dem wunderbaren Namen Perera Elsewhere neu erfunden. Mit diesem
       Alias produziert sie mysteriöse, aus der Zeit gefallene Musik.
       
       Nun legt Perera Elsewhere mit „All of This“ ihr zweites Soloalbum beim
       kalifornischen Label Friends of Friends vor. Es knüpft mit seinen elf
       verwaschenen und verschleppten Tracks an das Debütalbum [1][„Everlast“]
       (2013) an. Manche Tracks klingen hypnotisch ([2][„Happened“], „All of
       This“), manche gespenstisch („Tomorrow South“, „The Girl From
       Monotronica“), insgesamt wirkt der Sound von Perera Elsewhere ausgereifter.
       
       Hat sie ihren Gesang auf „Everlast“ meist nur mit Akustikgitarre begleitet,
       ist er jetzt mit fiependen, wabernden Soundflächen und Melodien unterlegt,
       die irgendwo zwischen TripHop („The Other Side“, „Big Heart“) und scary
       Beats („Shoes“, „Runaway“) liegen und von Sasha überwiegend mit analogen
       Synthesizern eingespielt wurden. Ein „seltsames Kontinuum aus Siouxsie and
       the Banshees und Massive Attack“, charakterisierte das Onlinemagazin
       Pitchfork ihren Song „Something’s Up“, die erste Singleauskoppelung des
       Albums.
       
       Sashas Metamorphose hatte sich allerdings angebahnt. Schon „Barefoot
       Wanderer“, das letzte Jahcoozi-Album (2010), war entschleunigt und
       durchzogen von verzögerten Dub-Beats. Es sei eine bewusste Entscheidung
       gewesen, als Perera Elsewhere richtige Songs zu komponieren statt
       Clubsounds, erzählt sie im Gespräch. „Ich würde mich wie im Gefängnis
       fühlen, wenn ich ausschließlich Tanzmusik machen müsste.“ In erster Linie
       sehe sie sich als Produzentin, „die Klänge bestimmen will und der
       Soundästhetik wichtig ist“.
       
       Plakative Slogans gibt es von Perera Elsewhere angesichts eines zunehmend
       populistischen Diskurses keine zu hören. Im Einstiegssong „Something’s Up“
       säuselt sie, es liege etwas in der Luft. Es wird aber genauso wenig
       benannt, was nun eigentlich bevorsteht, wie im hymnischen Song „The Other
       Side“, was sich auf der anderen Seite, auf die wir niemals gucken sollten,
       tatsächlich verbirgt. Mit einem ironischen Kommentar zur anstrengenden
       Gegenwart klingt das Album schließlich aus: Für „Weary“ („Müde“) bittet
       Perera Elsewhere darum, das Radio anzustellen, „Cause I need the background
       noise / And the voices to camouflage my weary self“.
       
       ## Halb Tamilin, halb Singhalesin
       
       Die extrovertierte und überdrehte Seite von Sasha Perera gibt es auch noch.
       Diese lebt sie mittlerweile vor allem in ihren DJ-Sets aus. Dass sie
       Gegensätze gut aushält, mag mit ihrer Familiengeschichte zu tun haben.
       Sasha ist halb Tamilin, halb Singhalesin, und ihre Eltern flüchteten aus
       Sri Lanka nach London, weil ihre Beziehung in der Heimat nicht möglich war.
       
       In London wuchs sie im Süden der Hauptstadt an einem „Nichtort“ an einer
       dreispurigen Schnellstraße auf. Und weil es einfacher ist, „weiterzuziehen,
       wenn man zum Beispiel aus Karlshorst kommt und nicht in Kreuzberg groß
       geworden ist“, verließ sie London eben und landete im Jahr 2000 in Berlin,
       wo sie zu einer der prägenden Figuren der Bassmusik-Szene wurde.
       
       Sich auf Neues einzulassen, scheint eine Konstante im Leben Sasha Pereras
       zu sein. Ende 2015 ging sie in die Türkei – als Schauspielerin einer im
       Osmanischen Reich des 16. Jahrhunderts angesiedelten kitschigen TV-Serie,
       die in der muslimischen Welt beliebt ist. „Disney für Erwachsene“ sei das
       gewesen, aber immerhin mochte sie ihre Rolle als furchterregende, ganz in
       Schwarz gekleidete Ninja. „Ich habe dafür extra kickboxen gelernt.“
       
       ## Musikalische Vernetzungsprojekte in Afrika und Asien
       
       Zudem ist Sasha, die ihr neues Perera-Elsewhere-Album am Sonntag beim
       Torstraßen-Fest in Berlin vorstellt, an musikalischen Vernetzungsprojekten
       in Afrika und Asien beteiligt, zwei Kontinente, auf denen sie auch schon
       als DJ unterwegs ist. So war sie gerade kürzlich wieder in Afrika, um in
       Ouagadougou, Abidjan und Yaoundé im Auftrag des Goethe-Instituts dem
       lokalen Nachwuchs „production skills“ zu vermitteln. „Heute kann man seine
       Kreativität auch am Homerecordingstudio ausleben.“
       
       Diese Erfahrung sei für sie selbst eine Befreiung gewesen. Und das wolle
       sie jetzt an andere weitergeben. „Ich will sie dazu inspirieren, sich
       selber auszuprobieren.“
       
       9 Jun 2017
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://youtu.be/bflDZNeIEzc
   DIR [2] https://youtu.be/ZwVaQ5mmzv8
       
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   DIR Ole Schulz
       
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