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       # taz.de -- Kolumne Über Ball und die Welt: Zamalek mich doch!
       
       > Diplomatischer Zwist mit anderen Mitteln: Der katarische
       > Sportfernsehsender „beIN“ wird von ägyptischen Fußballclubs boykottiert.
       
   IMG Bild: Alles andere als unpolitisch: Fans der katarischen Nationalmannschaft
       
       Wenn Fußballjournalisten „Katar“ hören oder lesen, fällt ihnen meist nur
       [1][die WM ein, die dort 2022 stattfinden soll]. Kritische
       Fußballjournalisten, die es ja auch gibt, denken noch an die Situation auf
       den WM-Baustellen, die Menschenrechte, den Lohnraub, die Abwesenheit von
       Arbeitssicherheit. Und die halbkritischen Sportjournalisten erinnern sich
       an des Kaisers lustigen Satz, er habe hier keine Sklaven gesehen. „Die
       laufen alle frei rum, weder in Ketten gefesselt noch mit irgendwelchen
       Büßerkappen auf dem Kopf.“
       
       Interessanterweise münden mehr oder minder kritische Überlegungen zu Katar
       in der Regel bestenfalls in Forderungen an den Weltfußballverband:
       Wegnehmen müsse man den Scheichs die WM, heißt es dann. Und dieser „man“
       sind die Fußballfunktionäre. Als ob es Hinweise gibt, dass die Fifa
       nennenswert demokratischer, emanzipatorischer oder besser wäre als das
       Emirat.
       
       Nun sollte man zwar die Unterschiede, die es gibt, nicht übersehen – die
       Fifa finanziert keine Terrorgruppen und kassiert nicht die Pässe ihrer
       Angestellten ein –, aber einen guten Grund, ausgerechnet Herrn Infantino
       und seinen Verein in die Pflicht zu nehmen, gibt es dennoch nicht.
       
       Es geht auch anders. Jüngst haben die ägyptischen Fußballklubs al Ahly und
       Zamalek angekündigt, beIN zu boykottieren. Das katarische Sportfernsehen
       hat als Al Jazeera Sport angefangen und hält in den Märkten die
       Übertragungsrechte, in denen europäische Konzerne gern Geld verdienen
       würden. Zum Beispiel die afrikanische Champions League (CL), in der die
       ägyptischen Vereine spielen.
       
       „Zamalek wird beIN nicht erlauben, unser Spiel gegen Ahli Tripoli zu
       übertragen“, hat Zamaleks Präsident Moratada Mansour vor jenem CL-Spiel
       gesagt, „wir lassen ihre Kameras nicht in unser Stadion“. Und Mido,
       früherer Profi bei Tottenham und Marseille, derzeit Trainer beim
       ägyptischen Erstligisten Wadi Degla, kündigte seinen Nebenjob als
       TV-Experte. „Ich muss mich entschuldigen, aber ich kann meine Arbeit bei
       beIN nicht fortsetzen“, twitterte er.
       
       ## Der eigenen politischen Bedeutung bewusst
       
       Diese Entscheidungen stehen natürlich in Zusammenhang mit der jüngsten
       diplomatischen Isolierung Katars durch andere arabische Länder, vor allem
       Ägypten und Saudi-Arabien. Das legt den Verdacht nahe, der Fußball werde
       politisch benutzt, wenn nicht missbraucht. Mag sein. Doch das Gegenteil,
       Katar im Fußball weiter alles wie bisher machen zu lassen, wäre ja
       ebenfalls ein Missbrauch. Bloß dass in Afrika und Arabien der Fußball gar
       nicht erst so tut, was der europäische immer so gern von sich behauptet:
       unpolitisch zu sein.
       
       Klubs wie Zamalek und Profis wie Mido sind sich der eigenen politischen
       Bedeutung bewusst. Und der Spielraum, den al Ahly und Zamalek in Afrika
       haben, ist nicht geringer als der von Bayern München und dem FC Barcelona
       in Europa, Klubs, die beide von Katar finanziert wurden. Nur: Die
       ägyptischen Vereine nutzen den Spielraum, und die dortige
       Sportöffentlichkeit, Fußballfans und Journalisten, sind involviert.
       
       Das markiert den Unterschied: Die einen nutzen ihre Macht, um sich nicht
       ohne Risiko mit den Terrorfinanziers aus dem Emirat anzulegen. Die anderen
       tun so, als sei der Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen und gegen
       Terrorfinanzierung nicht ihre Sache, sie seien doch nur fürs Geschäft
       gekommen. Menschenrechte, dafür seien andere zuständig: die Fifa oder
       Angela Merkel oder die Vereinten Nationen.
       
       Wir sollten nicht abwarten, wo die 2022er WM stattfindet oder ob die Bayern
       ihr nächstes Trainingslager wieder in Katar veranstalten. Wer einen guten
       Fußball will, der muss der Fifa- oder der Bayern-Führung das Recht streitig
       machen, über Fragen von Menschenrechten zu entscheiden.
       
       8 Jun 2017
       
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