# taz.de -- Polizei beobachtete Jugendzentrum Korn: Auf der Suche nach der PKK
> Die Polizei Hannover hat das Unabhängige Jugendzentrum Kornstraße
> observiert. Dessen Unterstützer halten das für rechtswidrig und haben
> geklagt.
IMG Bild: Ein Treffpunkt für PKK-Anhänger? Das Jugendzentrum Kornstraße.
Hannover taz | Eine Wohnung gegenüber diente als Versteck. Von dort hatten
die Beamten des Staatsschutzes den perfekten Blick auf das Unabhängige
Jugendzentrum (UJZ) Kornstraße. An drei Tagen in den Jahren 2014 und 2015
observierten die Polizisten von dort den Eingang des bunt gestrichenen
Gebäudes in Hannovers Nordstadt und machten Fotos.
Ihr Verdacht: Unterstützer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK
sollen sich in den Räumen zu Versammlungen getroffen haben. Doch durften
die Polizisten das Zentrum überhaupt beobachten? Das soll nun das
Verwaltungsgericht Hannover klären.
Zwei Unterstützer der Korn, wie das UJZ Kornstraße genannt wird, haben
gegen die Polizeidirektion Hannover geklagt. Die Kläger gehen davon aus,
dass die Polizisten für den Vorwurf, es würden sich im Zentrum PKK-Anhänger
versammeln, keinen Anfangsverdacht hatten. Das würde im Umkehrschluss
bedeuten, dass die Beamten das Zentrum, das bereits 1972 gegründet wurde
und als ältestes autonomes Jugendzentrum Deutschlands gilt, ohne triftigen
Grund beobachtet haben.
Das ist auch relevant, weil die Polizei am 11. Februar 2016 mit einem
Großaufgebot das Zentrum durchsuchte. Für diese erste Razzia seit 20 Jahren
im Jugendzentrum rückte sogar ein Spezialeinsatzkommando (SEK) an. Konkret
lautete der Vorwurf: „verbotene Unterstützungshandlungen der PKK“. Die
Unterstützer des UJZ Kornstraße protestierten gegen die Razzia mit mehreren
Demonstrationen. Die Durchsuchung basierte letztlich auf den Erkenntnissen
aus den vorangegangenen Observationen.
Karin Gedaschko von der Polizeidirektion Hannover hält die damalige
Überwachung des Jugendzentrums für rechtmäßig. Die Beamten seien auf einen
Eintrag in einem sozialen Netzwerk gestoßen – der allerdings nicht in den
Akten vermerkt und damit auch nicht mehr nachvollziehbar ist. In diesem
Eintrag soll angekündigt worden sein, dass sich PKK-Unterstützer in dem
Zentrum treffen wollten.
„Wenn ein Polizist einen Verdacht hat, muss er handeln“, sagt Gedaschko und
verweist auf das Polizeigesetz. Dort steht, dass die Polizei Daten von
allen Menschen erheben kann, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr oder zur
Beseitigung einer Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung
erforderlich ist.
Doch eine Gefahr sei von dem Zentrum gar nicht ausgegangen, argumentiert
der Anwalt der Korn-Unterstützer, Sven Adam. Die Polizei habe zu dem
besagten Zeitpunkt nicht einmal Anhaltspunkte gehabt, dass sich in dem
Jugendzentrum PKK-Anhänger aufgehalten haben sollen.
Dirk Wittenberg ist einer der beiden Kläger vor dem Verwaltungsgericht. Er
ist beim Trägerverein des UJZ Kornstraße angestellt. Gegen ihn und andere
vermeintlich Verantwortliche des selbstorganisierten Zentrums laufen gerade
Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Lüneburg wegen des Verdachts
auf einen Verstoß gegen das Vereinsgesetz. Dabei geht es wieder um die
Frage, ob PKK-Unterstützer in der Kornstraße waren und wer sie herein
gelassen hat.
Wittenberg weiß davon nichts. „Niemand läuft mit einem Schild PKK-Kader
herum“, sagt er. Es hätten sich aber legale kurdische Jugendorganisationen,
wie etwa der Verband kurdischer Studierender, in den Räumen getroffen.
Die Überwachung durch die Polizei sei ein „Versuch der Einschüchterung und
eine generelle Kriminalisierung des Unabhängigen Jugendzentrums
Kornstraße“, sagt Wittenberg.
Das Ordnungsamt Hannover hatte schon 2015 versucht, dem UJZ ein
Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 Euro aufzudrücken, weil es im Innenhof des
Gebäudes ein Wandbild von Halim Dener gibt – zog das aber später wieder
zurück.
Der kurdische Jugendliche Dener wurde 1994 in Hannover von einem Polizisten
erschossen, als er für eine PKK-nahe Organisation Plakate am Steintor
geklebt hatte. Derzeit laufen in der Stadt wieder Diskussionen über die
Tat, [1][weil in Hannover ein Platz nach ihm benannt werden] soll (taz
berichtete).
Die Polizei sieht auch das Wandbild im Hof der Korn als einen Hinweis
darauf, dass es in dem Jugendzentrum PKK-Strukturen gibt. „Da ist
offensichtlich vieles amtsbekannt“, sagt Gedaschko. Natürlich bekämen die
Staatsschützer das mit. „Die Polizei weiß, auf welchen Plätzen Dealer
stehen und in welchen Kneipen sich Ultras treffen, sonst würden sie ja
ihren Job nicht machen.“ Es gehöre zu ihrer Arbeit hinzuschauen – auch in
dem Fall der Kornstraße.
Den Verwaltungsrichtern aber sind die Fakten derzeit noch zu dünn. Sie
gaben daher am Mittwoch dem Antrag der Kläger statt, die Polizisten, die
das Zentrum 2014 und 2015 beobachtet haben, als Zeugen zu laden. Sie werden
erklären müssen, warum sie die Kornstraße ins Visier genommen haben.
16 Jun 2017
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## AUTOREN
DIR Andrea Scharpen
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