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       # taz.de -- Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein: Nordische Kombination
       
       > CDU, Grüne und FDP wollen in Kiel fortan gemeinsam regieren. Die Grünen
       > punkten bei Öko-Themen, bei der Sozialpolitik eher weniger.
       
   IMG Bild: Ein kleiner Sieg der Grünen: Radwege will die Koalition mit 10 Millionen Euro bezuschussen
       
       Kiel taz | Die grüne Finanzministerin Monika Heinold resümierte den am
       Mittwoch vorgestellten Koalitionsvertrag für Schleswig-Holstein so: „Die
       grüne Handschrift zieht sich durch, aber auch die von CDU und FDP.“ Eines
       jedenfalls scheint also klar: Sozialer dürfte der hohe Norden unter
       [1][Jamaika]-Flagge kaum werden.
       
       Der landesweite Mindestlohn von 9,18 Euro, eingeführt Ende 2013, der für
       alle öffentlich erbrachten Leistungen gilt, läuft 2019 aus – und wird nicht
       verlängert. Doppelstandards wolle man nicht, begründet die FDP. Ohnehin
       gehe man fest davon aus, dass der Bundesmindestlohn (derzeit 8,84) dann
       angehoben werde, so die Liberalen. Und sich weiter positiv vom Bund
       abheben, stand nicht zur Debatte.
       
       Bei genauer Studie der insgesamt 512 Millionen Euro an geplanten
       Investitionsmaßnahmen aus Landesmitteln fällt auf, dass die Koalitionäre
       auf zukunftsweisende Projekte setzen.
       
       Der Kompromiss in der Verkehrspolitik sieht dann so aus: 120 Millionen Euro
       (mehr erhält kein Bereich) sollen für Straßenbau- und Sanierung ausgegeben
       werden; ein erweitertes Autobahnnetz sei für den wirtschaftsfreundlichen
       Standort – der Schleswig-Holstein künftig sein soll – unabdingbar, finden
       CDU und FDP. Die Grünen haben sich als Ausgleich dafür ein paar ökologische
       Punkte zusichern lassen, konkret bedeutet das: 40 Millionen Euro für den
       öffentlichen Nahverkehr, 10 Millionen für Elektromobilität und 10 Millionen
       für das Radwegenetz. Damit will man den eigenen Mitgliedern die ohnehin
       unumgängliche Fehmarnbeltquerung und den Weiterbau der A20 – beides sind
       Bundesentscheidungen – besser vermitteln.
       
       In der Bildungspolitik wurde die Frage nach dem Turbo-Abi G8 oder dem
       Langsam-Abi G9 mit einem Kompromiss gelöst. Die von der CDU geforderte
       Rückkehr zu G9 wird flächendeckend erst ab dem Schuljahr 2019/2020
       umgesetzt. Als kleines Hintertürchen bleibt den Schulen die Wahlfreiheit.
       Falls eine Schule bei G8 verbleiben will, kann sie dies einmalig so
       entscheiden. Beschließen kann das die Schulkonferenz mit einer
       Dreiviertelmehrheit.
       
       ## Immer mit dem Wind
       
       Spannend dürfte auch werden, wie das Windland Schleswig-Holstein künftig
       die Energiewende angeht. Die bisherigen Regionalpläne, die klar ausweisen,
       welche Flächen mit Windkraftanlagen bebaut werden dürfen und welche nicht,
       werden komplett neu überarbeitet.
       
       Dieses Wahlversprechen, das CDU und FDP abgegeben hatten, beinhaltet, dass
       Windräder künftig weiter von Wohnsiedlungen entfernt stehen müssen.
       Andererseits soll die Energiewende aber nicht gefährdet werden, weshalb
       sich an der Gesamtnutzungsfläche für sogenannte Windeignungsgebiete (2
       Prozent der Landesfläche) nichts ändern darf. So schreiben es die Grünen
       vor.
       
       Um die wegen der neuen Abstandsregelung entfallenden Anlagen auszugleichen,
       will die Koalition Altanlagen an den windreichen Küsten erneuern. Ob dieser
       Plan rechtlich möglich ist, scheint indes fraglich. Im Zweifelsfall bleibt
       es bei den alten, von den Grünen mit ausgetüftelten Abständen.
       
       ## Ein bisschen Flüchtlingshilfe
       
       Ein weiterer Grünen-Pluspunkt: Ihre beiden in Wahl- und Parteivolk
       beliebten MinisterInnen erhalten Zubilligungen. Umweltminister Robert
       Habeck darf die Digitalisierung mit einem 50-Millionen-Euro-Budget
       voranbringen, Finanzministerin Heinold erhält einen zusätzlichen
       Staatssekretär, der künftig die Abwicklung der HSH-Nordbank mit
       verantwortet.
       
       Die humane Flüchtlingspolitik, für die der bisherige Ministerpräsident
       Torsten Albig (SPD) stand, versuchen die Grünen weiterzuführen. Bei
       Abschiebungen in Länder wie Afghanistan gilt zwar, wie es bundesrechtlich
       geregelt ist, kein allgemeiner Abschiebestopp mehr. Einzelfallprüfungen,
       die das Innenministerium und nicht die Ausländerbehörde übernimmt, soll es
       aber weiter geben. Und wie Grünen-Fraktionsvorsitzende Eka von Kalben
       verdeutlichte, würden sich diese „nicht nur an den Kriterien der
       Bundesregierung orientieren, sondern auch an denen von Rotem Kreuz und
       anderen Hilfsorganisationen“.
       
       Zudem haben die Koalitionäre vereinbart, 3 Millionen Euro in die
       Sprachförderung Geflüchteter zu investieren, was laut von Kalben
       „wesentlich mehr als bisher“ sei, und ein Landesaufnahmeprogramm für 500
       besonders schutzbedürftige Geflüchtete zu schaffen.
       
       Anmerkung: In einer früheren Version war von einem landesweiten Mindestlohn
       von 9,99 Euro die Rede. Das wurde jetzt korrigiert.
       
       14 Jun 2017
       
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