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       # taz.de -- Videoüberwachung in Berlin: Polizei überwacht live
       
       > Beim Kirchentag wurde am Breitscheidplatz und auf dem Alexanderplatz vier
       > Tage und Nächte flächendeckend gefilmt. Was das bringt, ist unklar.
       
   IMG Bild: Weils die eigene Technik nicht bringt, griff die Polizei auf private Dienstleister zurück
       
       Für die Polizei war es eine Premiere: Vier Tage und Nächte dauerte die
       Videoüberwachung. Durchgeführt wurde sie auf dem Breitscheidplatz und dem
       Alexanderplatz im Rahmen des Kirchentags am verlängerten
       Himmelfahrtswochenende Ende Mai. Aufgeregt hat sich darüber niemand.
       
       Lag das daran, dass die Öffentlichkeit davon nichts bekommen hat? „Das war
       kein Geheimnis“, weist der Sprecher der Innenverwaltung, Martin Pallgen, am
       Freitag den Vorwurf mangelnder Transparenz zurück. „Außerdem haben wir
       immer gesagt, dass wir Videotechnik temporär und anlassbezogen einsetzen
       werden.“
       
       Am kommenden Montag ist der Anschlag auf den Breitscheidplatz ein halbes
       Jahr her. Am 19. Dezember starben dort 12 Menschen, mehr als 50 wurden zum
       Teil schwer verletzt. Mit einem Sattelschlepper war der Islamist Anis Amri
       auf dem Weihnachtsmarkt in die Menschenmenge gefahren. Die folgende
       Sicherheitsdebatte führte zum ersten großen Koalitionskrach in dem damals
       frisch geschlossenen rot-rot-grünen Regierungsbündnis.
       
       In der Koalitionsvereinbarung hatten sich Grüne und Linke mit der SPD
       eigentlich darauf verständigt, dass es auf öffentlichen Plätzen keine
       Videoüberwachung geben soll. Nach dem Anschlag machte die SPD, von
       Meinungsumfragen unter Druck geraten, einen Rückzieher. Eine große Mehrheit
       der Bevölkerung hatte sich für eine Ausweitung der technischen Überwachung
       ausgesprochen.
       
       Die Koalitionspartner einigten sich auf einen Kompromiss: Anlassbezogen und
       zeitlich befristet sei Videoüberwachung künftig auch bei
       Großveranstaltungen und auf öffentlichen Plätzen möglich. Der Paragraf 24
       des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (Asog) liefere dafür die
       Rechtsgrundlage. „Wir waren froh, damals eine dauerhafte Videoüberwachung
       abwenden zu können“, sagt Niklas Schrader, Innenpolitiker der Linken,
       heute.
       
       Am Himmelsfahrtswochenende probierte die Polizei das neue Spielzeug zum
       ersten Mal aus. Eine private Firma habe die Hightechanlage zur Verfügung
       gestellt, die auf dem Breitscheidplatz zur Anwendung kam, sagt
       Polizeisprecher Winfrid Wenzel. Im angrenzenden Europacenter saßen vier
       Tage und vier Nächte Beamte vor Monitoren, verfolgten das Geschehen auf dem
       Platz live, zoomten hin und her und zeichneten auf. Auf dem Alexanderplatz
       setzte die Polizei eigene Technik ein.
       
       Der Polizeisprecher begründet den Einsatz mit der hohen Besucherzahl im
       Rahmen des Kirchentags – insgesamt kamen mehr als 100.000 Menschen – und
       dem DFB-Pokalfinale, das an demselben Wochenende in Berlin stattfand. Die
       Rechtsgrundlage sei aufgrund einer abstrakten Gefährdungslage – eine Gefahr
       durch islamistische Anschläge – gegeben gewesen, so Wenzel. Die Bilder
       könnten auch zur Strafverfolgung genutzt werden, zum Beispiel bei
       Taschendiebstahl, Körperverletzung und Raub. Die Speicherfrist beträgt zwei
       Monate.
       
       Über die Ausbeute kann Wenzel derzeit noch nichts sagen. Der Kirchentag sei
       aber insgesamt sehr friedlich verlaufen. Doch der Linken-Politiker Schrader
       und der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, haben einige
       Fragen, die sie der Polizei zu dem Einsatz stellen wollen. Wie viele Beamte
       saßen vor den Bildschirmen? Konnten Straftaten verhindert werden? Wie
       wurden die Anwesenden vor Ort informiert? Was heißt das für die Zukunft?
       „Der generelle Zweifel an Videoüberwachung zur Kriminalitätsbekämpfung
       bleibt bestehen“, betont Schrader.
       
       16 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Plutonia Plarre
       
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