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       # taz.de -- Hamburger Spitzeleien: Verdeckte Ermittlerin rudert zurück
       
       > Die ehemalige verdeckte Ermittlerin Astrid O. zieht ihren Strafantrag
       > zurück. Damit ist der Prozess gegen einen Aktivisten der Roten Flora
       > abgesagt.
       
   IMG Bild: Verletzte Polizeipersönlichkeiten: Übermaltes Verdeckte-Ermittler-Plakat an der Roten Flora
       
       Hamburg taz | Ein bisschen enttäuscht sind sie schon, die Aktivist*innen um
       das linksautonome Zentrum Rote Flora: Der Prozess gegen den
       Flora-Aktivisten Andreas Blechschmidt fällt aus. Angeklagt war
       Blechschmidt, weil er im August 2016 dabei erwischt worden war, wie er ein
       Plakat an die Flora-Fassade klebte, auf dem die Konterfeis vier ehemaliger
       verdeckter Ermittler*innen mitsamt ihrer Klarnamen zu sehen waren. Nun hat
       die Staatsanwaltschaft die Klage fallen gelassen, weil die ehemalige
       Ermittlerin Astrid O. ihren Strafantrag zurückgezogen hat. Warum, sagt die
       Polizei nicht.
       
       Das Plakat mit den Ermittler*innen, das im August für Aufregung bei der
       Polizei gesorgt hatte, hing nicht lange unverändert an der Flora –
       Polizist*innen kamen nachts mit Leitern und schwarzer Farbe und übermalten
       die Gesichter. Zwei der Abgebildeten, Astrid O. und Maria B., stellten
       Strafanträge wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechtes. Maria B. zog
       ihren Antrag allerdings im Oktober zurück. O. hielt daran fest, so erteilte
       die Staatsanwaltschaft Blechschmidt einen Strafbefehl mit einer Geldstrafe
       über 1.800 Euro. Der sah aber nicht ein, warum er zahlen sollte und legte
       Widerspruch ein. So kam es zum Prozesstermin für den kommenden Donnerstag.
       Seit Anfang der Woche zierte ein neues Plakat die Flora-Fassade: Wieder mit
       den vier Gesichtern der Ermittler*innen, und dieses auch Mal mit dem
       Aufruf, zum Prozess zu kommen. Astrid O. war als Zeugin geladen.
       
       ## Anklage hinfällig
       
       Am Donnerstag erreichte das Amtsgericht Altona dann die Mitteilung, dass O.
       ihren Strafantrag zurückzieht. Damit ist die Anklage hinfällig und der
       Prozess abgesagt. Für Blechschmidt kommt die Absage nicht überraschend.
       „Ich bedaure die Absage“, sagt er. „Aber es passt genau zu dem, was die
       Polizei die ganze Zeit mit dem Thema macht: Sie versucht, den Mantel des
       Schweigens darüber zu legen.“ Die Fälle, in denen verdeckte
       Polizeibeamt*innen jahrelang Freundschaften vorgetäuscht, persönliche
       Bindungen eingegangen und politische Kämpfe beeinflusst hatten, um an
       Informationen über die Szene zu gelangen, seien kaum aufgeklärt worden. Die
       Betroffenen bleiben mit ihren Fragen und Traumata allein. Daher war den
       Aktivist*innen der Prozess gerade recht gekommen, um erneut Öffentlichkeit
       für das Thema zu schaffen.
       
       Schon in der Vergangenheit gab es Gerichtsverfahren wegen der Einsätze
       verdeckter Ermittler*innen. Eine Exfreundin der ehemaligen Ermittlerin Iris
       P. hatte geklagt, der Radiosender FSK, der auch von P. infiltriert worden
       war, ebenso, und auch eine ehemalige Bekannte von Maria B.. In allen Fällen
       hatten die Kläger*innen Recht bekommen, das Gericht erklärte die Einsätze
       für rechtswidrig. Zur Aufklärung tragen die Urteile allerdings nicht bei –
       indem die Polizei die Rechtswidrigkeit anerkennt, bleiben alle Akten
       verschlossen. Eine Aufklärung auf juristischem Weg wird unmöglich.
       
       Nun wird es vorerst also auch kein Aufeinandertreffen der Bespitzelten mit
       Astrid O. geben. Die Aktivist*innen hatten schon einen an O. gerichteten
       Aufruf verfasst: „Astrid, endlich sehen wir dich wieder, wie geil ist das
       denn? Wir kommen alle und heißen dich schon vor dem Gebäude ganz wärmstens
       willkommen“, hieß es da.
       
       ## Polizei kann es nicht lassen
       
       So ganz egal ist der Polizei allerdings doch nicht, ob die Gesichter ihrer
       ehemals verdeckten Beamt*innen an der Flora hängen oder nicht. Am frühen
       Freitagmorgen gegen 5 Uhr 15 haben Polizist*innen die Gesichter auf dem
       Prozess-Plakat an der Flora-Wand wieder mit schwarzer Farbe übermalt. Das
       bestätigte eine Polizeisprecherin. „Wegen des Kunst- und Urheberrechts“,
       heißt es zur Begründung, „Paragraf 22 und 23.“ Aus Sicht der
       Flora-Aktivist*innen ist das widersprüchlich – schließlich hat der
       juristische Rückzieher O.s gerade gezeigt, dass es eben keine gerichtlichen
       Konsequenzen hat, die Gesichter der Ermittler*innen zu zeigen. Blechschmidt
       kündigte an, zu prüfen, ob die Polizei mit der Übermal-Aktion
       möglicherweise selbst rechtswidrig in das Kunstwerk eingegriffen oder
       Sachbeschädigung begangen hat.
       
       16 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Schipkowski
       
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