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       # taz.de -- Für Gerechtigkeit in der Türkei: Neue Drohungen gegen den Marsch
       
       > Für Erdoğan wird der Marsch für Gerechtigkeit zu einer Herausforderung.
       > Er droht mit Sanktionen und fordert eine „objektive“ Berichterstattung.
       
   IMG Bild: Der „Marsch für Gerechtigkeit“ führt innerhalb von drei Wochen von Ankara nach Istanbul
       
       Athen taz | Am vierten Tag des [1][Marsches für Gerechtigkeit] hat
       Präsident Recep Tayyip Erdoğan Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu mit
       Konsequenzen gedroht: „Es wird natürlich sanktioniert werden, wenn man
       zusammen mit Terrororganisationen das Recht beugt“, sagte er am
       Samstagabend vor Verlegern.
       
       „Was“, fragte er, „unterscheidet die Marschierer von den Putschisten des
       15. Juli? Wenn sie die Autobahn besetzen wollen, werden wir auf sie genauso
       wie auf die Putschisten reagieren“, drohte er.
       
       Der Vorsitzende der oppositionellen CHP, Kemal Kılıçdaroğlu, hatte am
       Donnerstag in Ankara einen „Marsch für Gerechtigkeit“ begonnen, der
       innerhalb von drei Wochen bis nach Istanbul führen soll. Letzter Auslöser
       war die Verurteilung des CHP-Abgeordneten Enis Berberoğlu zu 25 Jahren
       Haft, weil er Spionage betrieben und Informationen über einen illegalen
       Waffentransport an die Zeitung Cumhuriyet weitergegeben haben soll.
       
       Während Erdoğan und die Regierung zu Beginn des Marsches erst einmal
       abwarteten, sind sie jetzt aufgrund der großen Aufmerksamkeit und der hohen
       Beteiligung an dem Marsch offensichtlich alarmiert. „Dass sie überhaupt
       laufen dürfen, ist eine Höflichkeit, ja eine Gnade unserer Regierung“,
       sagte Erdoğan vor den wichtigsten Verlegern des Landes im Rahmen eines
       Mahls zum Fastenbrechen.
       
       Von den Verlegern und Eigentümern der Medien forderte er eine objektive
       Berichterstattung. Das richtete sich offenbar vor allem an Aydin Dogan, den
       Besitzer von Hürriyet und dem TV-Kanal CNN-Türk, die bislang ausführlich
       über den Marsch für Gerechtigkeit berichtet haben.
       
       ## Solidarität in etlichen Städten
       
       Dessen ungeachtet marschieren Kemal Kılıçdaroğlu und seine Anhänger
       unverdrossen weiter. Am Sonntagnachmittag hatten sie einen Ort rund 80
       Kilometer vor Ankara erreicht. Der 69-jährige Kılıçdaroğlu wird von seiner
       Frau, seinem Sohn und seiner Schwiegertochter begleitet. Zunehmend schalten
       sich auch Prominente ein. Am Sonntag wurde der CHP-Vorsitzende von dem
       Schriftsteller und Liedermacher Zülfü Livaneli begleitet.
       
       Auf die Drohung der Regierung, die Staatsanwälte könnten jeden Moment aktiv
       werden, reagierte Kılıçdaroğlu mit der Feststellung: „Ihr droht, weil ihr
       wisst, dass es in diesem Land keine unabhängige Justiz und keine
       Gerechtigkeit mehr gibt. Wir verhalten uns völlig gesetzeskonform und wir
       lassen uns nicht provozieren.“
       
       Insgesamt wird der CHP-Chef von Tausenden Anhängern begleitet. Die
       kurdisch-linke HDP, die Gewerkschaftsföderation DISK und selbst die
       Dissidenten innerhalb der nationalistischen MHP unterstützen den Marsch. In
       etlichen Städten gibt es Solidaritätsaktionen, von Izmir aus hat sich
       ebenfalls ein Marsch für Gerechtigkeit in Bewegung gesetzt, der kurz vor
       Istanbul mit Kılıçdaroğlu zusammentreffen will.
       
       In Istanbul versammeln sich jeden Tag Leute vor dem Gefängnis, in dem Enis
       Berberoğlu einsitzt. Im Stadtteil Beşiktaş veranstalten Unterstützer des
       Marsches rund um die Uhr Kulturveranstaltungen. In der regierungsnahen
       ZeitungGüneswird bereits an die Gezipark-Bewegung erinnert. Wie damals
       wolle Kılıçdaroğlu heute wieder Chaos und Anarchie hervorrufen. „Das“, so
       beschwört ein Kommentator, „wird ihm aber nicht gelingen.“
       
       18 Jun 2017
       
       ## LINKS
       
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