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       # taz.de -- Der Brexit beginnt: Aus Prinzip weitermachen
       
       > Obwohl die Regierung noch nicht steht und die Queen das neue Programm
       > nicht vorgestellt hat, starten die Verhandlungen mit der EU.
       
   IMG Bild: Da kann man nur hoffen, dass die Briten beim Brexit nicht noch aus allen Wolken fallen
       
       Dublin taz | „Wir beginnen“, schrieb Michel Barnier [1][lapidar auf
       Twitter]. Am Montag, fast genau ein Jahr nach dem Brexit-Referendum, setzt
       sich der Verhandlungsführer der Europäischen Union zum ersten Mal mit
       seinem britischen Gegenüber David Davis zusammen, um über Großbritanniens
       EU-Austritt zu verhandeln. Es ist ein langer Weg, der erst im Frühjahr 2019
       zu Ende sein wird – falls die Frist nicht verlängert wird.
       
       Die Londoner Regierung geht denkbar schlecht vorbereitet in diese
       Verhandlungen. Im Kabinett herrscht keine Einigkeit, wie der Brexit
       aussehen soll. Der von Premierministerin Theresa May gebetsmühlenhaft
       wiederholte Satz, „Brexit bedeutet Brexit“, verrät wenig von ihrem Plan –
       falls sie überhaupt einen hat. Bisher tendierte sie zu einem harten
       Ausstieg aus dem Binnenmarkt und der Zollunion, doch die erhoffte Absegnung
       dafür blieb bei den Wahlen vor anderthalb Wochen aus: May verlor ihre
       absolute Mehrheit.
       
       So hat Großbritannien zurzeit keine funktionsfähige Regierung. Die Tories
       sind auf die Unterstützung der nordirischen Demokratischen Unionistischen
       Partei (DUP) angewiesen. Zwar hat man sich im Prinzip geeinigt, aber unter
       Dach und Fach ist die Sache noch nicht. Deshalb musste auch die Rede der
       Queen, mit der sie das neue Parlament eröffnet und die Regierungserklärung
       verliest, von Montag auf Mittwoch verschoben werden. In der Erklärung
       sollen die Gesetzesvorlagen für die neuen Immigrations- und Zollgesetze
       enthalten sein. Ein Selbstläufer ist das nicht, May muss sich auf
       Rebellionen ihrer Hinterbänkler gefasst machen.
       
       Britische Wirtschaftsführer haben May händeringend um eine weiche Landung
       gebeten. Die Parlamentswahlen seien eine Art Referendum gegen einen harten
       Brexit gewesen, sagt der Tory-Lord Stuart Rose. Josh Hardie, dem
       stellvertretenden Generaldirektor des Verbands der britischen Industrie,
       geht Mays Mantra, wonach kein Deal besser sei als ein schlechter Deal,
       zunehmend auf die Nerven. „Es ist doch wohl klar“, sagte er, „dass die
       Priorität auf der Wirtschaft liegen muss.“
       
       Und Karan Bilimoria, der Gründer von Cobra-Bier, meinte, die
       Premierministerin habe „null Glaubwürdigkeit“, und deshalb solle sich
       Großbritannien die Sache mit dem Brexit nochmal überlegen. Das findet auch
       Bundesaußenminister Sigmar Gabriel. Die Regierung in London könnte ihren
       Kurs noch korrigieren, hofft er. Davis sagte jedoch am Sonntag
       unmissverständlich: „Es gibt keinen Zweifel – wir treten aus der EU aus.“
       
       Schatzkanzler Philip Hammond schlug dagegen mildere Töne an. Er sagte, er
       bevorzuge einen „weichen Brexit“ mit einer umfassenden Übergangslösung. Die
       Mehrheit der Briten wolle einen Schutz der Arbeitsplätze, Wachstum und
       Wohlstand. Wegen dieser Haltung wollte May ihren Schatzkanzler entlassen,
       aber nach dem miserablen Wahlergebnis kann sie es sich nicht leisten, die
       Anti-Brexit-Fraktion in ihrer Partei weiter zu brüskieren.
       
       Keir Starmer, der Brexit-Stratege der Labour Party, sagte mit unverhohlener
       Schadenfreude: „Brexit hatte das Potenzial, die Labour Party zu zerreißen.
       Nach dem Wahlergebnis sieht es so aus, als ob nun die Tories dieses Problem
       haben.“
       
       Erneute Wahlen können sich die Tories allerdings nicht leisten, denn
       Umfragen zufolge ist die Partei in der Gunst der Wähler weiter abgesackt.
       Nur noch 39 Prozent würden ihr derzeit die Stimme geben, Labour käme auf 45
       Prozent. Dann wäre Jeremy Corbyn Premierminister, wofür die Buchmacher noch
       vor wenigen Wochen ähnliche Quoten wie für das Auftauchen des Ungeheuers
       von Loch Ness angeboten haben.
       
       18 Jun 2017
       
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