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       # taz.de -- Die Wahrheit: Die Späne des Hobels
       
       > Do It Yourself: Die bösen, aber nur allzu bekannten Folgen der Onanie.
       > Ein Besuch bei Betroffenen in der Reha-Klinik St. Augustin.
       
   IMG Bild: Ein hochlogisches Symbolbild: Palme, die steif im Wind wedelt
       
       „Ich wollte es ja selbst nicht glauben.“ Im Garten der Reha-Klinik St.
       Augustin hält uns Gernot B. (42) vom Rollstuhl aus die rechte Hand hin, an
       der drei Finger fehlen. Auf den ersten Blick möchte man an den Berufsunfall
       eines Tischlers denken. Wenn nur das bläuliche Schwären der verbliebenen
       beiden Finger nicht wäre.
       
       „Viel schlimmer!“ B. nickt, als hätte er unsere Gedanken gelesen.
       „Fotografieren sie das ruhig“, fordert der ehemalige Tanzlehrer auf. „Die
       Leute müssen endlich aufwachen und kapieren, was passiert, wenn sie nicht
       damit aufhören.“
       
       Wie konnte man das bloß vergessen? Schließlich wurde die katholische Kirche
       über Jahrtausende hinweg nicht müde, wider die Selbstbefleckung zu mahnen,
       während der Dalai Lama rät, „den Aal nie mit der eigenen Hand zu fangen“.
       Vom Propheten Mohammed wiederum ist überliefert, wie er auf seinem Ritt von
       Mekka nach Medina zwei Wichsern am Wegesrand vom galoppierenden Pferd herab
       mit einem einzigen Hieb die Geschlechtsteile abschlug. Denn das
       genusssüchtige Bespielen der eigenen Flöte gilt im Islam als „pfui“, der
       Steigerung von „haram“.
       
       ## Enthusiastische Einstellung
       
       Nur die Protestanten hoben sich durch eine positive, ja fast schon
       enthusiastische Einstellung zur Selbstbefriedigung von anderen Religionen
       ab. „Ein jeder handle so, als wolle Gott eine große Tat durch ihn
       vollbringen“, machte sich bereits Martin Luther in leicht verklausulierter
       Form für die Onanie stark. Später erforschte Sigmund Freud den Nutzen der
       bis dato eher marginalisierten weiblichen Masturbation für die Linderung
       der Hauptsymptome der Hysterie wie Widerworte, Berufswunsch oder sexuelle
       Selbstbestimmung.
       
       Das war der Anfang vom Ende. Zwar gelang es im Nationalsozialismus und
       auch in der jungen BRD, die fatale Fehlentwicklung durch Androhung von
       Geld- und Zuchthausstrafen zu bremsen, doch mit den 68ern brach sich
       endgültig ein enthemmter Umgang mit dem schändlichen Laster Bahn.
       
       So gilt es heute als völlig normal, dass es sich Teenager am heimischen
       Mittagstisch offen „selbst besorgen“, wie in flapsiger Verkennung der
       Gefahren gern verbal verharmlost wird, und die Eltern ihnen dazu
       stillschweigend die Papierserviette reichen. Dabei wähnen sie sich ach wie
       aufgeklärt und tolerant. Doch ihre Kinder werden sie eines Tages für das
       fehlende Leitbild verfluchen, wenn sie in einem der zahlreichen
       Onanisten-Hospize (im Volksmund spröde „Wichserheim“ genannt) apathisch und
       ausgelaugt auf ihr Ende warten.
       
       Denn selbstverständlich haben sie alle recht behalten: die Katholiken, die
       Muslime, die Nationalsozialisten, Sibylle Lewitscharoff und nicht zuletzt
       die Mediziner. Dr. Hartmut Wolzer (37), Facharzt für ipsatorische Leiden am
       Klinikum Bamberg, erklärt: „Wir unterscheiden in innere und äußere
       Diagnose. Oberflächlich beobachten wir das im Krankheitsbild an Lepra
       erinnernde Abfaulen der Gliedmaßen und Genitalien. Doch noch verheerender
       ist der organische Befall: Das Rückenmark wird bereits bei einer relativ
       geringfrequentigen Ausübung der Fehlhandlung derart erweicht, dass der
       Patient früher oder später unweigerlich im Rollstuhl landet.“
       
       Das kann Gernot B. nur bestätigen. „Ich hab mir vielleicht alle zwei Wochen
       mal einen runtergeholt. Mit Anfang zwanzig fingen dann zunächst die Finger
       leicht zu jucken an. Ich hab dem ebenso wenig Beachtung geschenkt wie dem
       aufkommenden Taubheitsgefühl in den Beinen oder der Tatsache, dass ich mich
       kaum noch an meinen Namen erinnern konnte. Danach ging alles rasend
       schnell: faulende Gliedmaßen, Lähmung und blbbbbxxxxrrrgggglll . . .“
       
       ## Verheerende Schäden
       
       Hören wir hierzu nochmals Dr. Wolzer: „Auch das Gehirn wird angegriffen.
       Untersuchungen an den Leichen von Selbstmordattentätern haben verheerende
       Schäden an der Hirnstruktur gezeigt.“ Der Spezialist schüttelt den Kopf.
       „Der Hinweis notorischer Masturbanten auf Eigenverantwortlichkeit wirkt
       angesichts der Todesraten, die um ein Mehrfaches über dem Wert für Raucher
       liegen, zynisch und menschenverachtend. Im Übrigen zahlt für diese
       Selbstzerstörung natürlich keine Krankenkasse!“
       
       Die Lösungsansätze des Bundesgesundheitsministeriums wirken hilflos. Da
       wird die Einführung von Schockbildern mit abgefaulten Fingern auf
       Kleenex-Schachteln diskutiert, oder die permanent den Originalton
       unterbrechender Audiowarnung „Pfoten weg!“ auf Pornokanälen. Dabei würde
       nur ein absolutes Wichsverbot nachhaltig helfen.
       
       Apropos Politik. Auch Horst Seehofer hat im Nachhinein recht behalten. Als
       er noch 1997 (nach Christi Geburt!) vehement für die Vergewaltigung in der
       Ehe eintrat, hätte jeder, dessen Herz nicht aus Stein und dessen Hirn nicht
       aus Scheiße ist, gedacht: Sonnenklar – pathologischer Frauenhass meets
       skrupellosen Zivilisationsbruch. Doch der scheinbare Mangel an menschlichem
       Respekt entpuppt sich nun als Umsicht. Denn für viele Männer liegt in der
       ehelichen Notzucht die einzige Chance, weder an den Folgen der
       Selbstbefriedigung noch denen des Samenstaus (geplatzter Sack, Autounfall,
       Schlägerei, Krieg) zu sterben.
       
       21 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uli Hannemann
       
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