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       # taz.de -- Unterm Regenbogen: Gewalt mit Zuschauer*innen
       
       > Bei Angriffen auf mitfeiernde Geflüchtete schaut die Festgemeinde des
       > Christopher Street Day in Oldenburg nur zu. Ihr Sprecher hält xenophobe
       > Motive für „Spekulation“
       
   IMG Bild: In der Theorie fordert der CSD mehr Unterstützung für homosexuelle MigrantInnen
       
       OLDENBURG taz | Auf dem Christopher Street Day (CSD) in Oldenburg hat es am
       vergangenen Wochenende einen Übergriff auf queere Geflüchtete gegeben. Das
       umstehende Publikum blieb von dem abendlichen Vorfall auf dem Schlossplatz,
       von wenigen Ausnahmen abgesehen, weitgehend unbeeindruckt, wie ein Video
       zeigt, das der taz vorliegt. Die Polizei spielt den Vorfall eher herunter.
       Nun beklagen die Betroffenen mangelnde Solidarität und fehlende
       Zivilcourage.
       
       Das etwa zweiminütige Video zeigt zwei Angreifer, von denen einer
       bedrohlich einen Gürtel in der Hand hält, so als wollte er ihn als Waffe
       benutzen. Es kommt zu verbalen Auseinandersetzungen, schließlich zu einem
       Handgemenge, in dem sich mehrere junge Erwachsene gegenseitig schubsen und
       treten. Aus dem Off ruft jemand mehrmals laut nach der Polizei, während der
       Filmer des Handyvideos mit dem Spruch „Verpiss dich mit deinem Handy,
       Dicker“ angegangen wird. Zuvor seien sie als „scheiß Schwuchtel“ beschimpft
       und mit den Worten „Ich mach euch fertig“ bedroht worden, schreiben die
       Betroffenen in einer Stellungnahme.
       
       Einer der Geflüchteten sei an seine traumatischen homophoben Erfahrungen
       erinnert worden und habe ansehen müssen, wie seinem Freund auf den Kopf
       geschlagen wurde. Er habe einen Anfall erlitten und vom Roten Kreuz fast
       eine Stunde lang behandelt werden müssen. Der Freund sei mit einer kleinen
       Beule davon gekommen.
       
       Die Angegriffenen gehören alle zu der Gruppe „Queeraspora“, die im
       [1][Bremer Rat&Tat-Zentrum] beheimatet ist und einen Schutzraum für queere
       MigrantInnen und Geflüchtete bietet. Sie kommen aus Russland, Montenegro,
       der Türkei oder Kurdistan und hielten auch eine Rede auf der Bühne des CSD,
       zu dem insgesamt 15.000 Menschen kamen. Zu sechst war „Queeraspora“ am
       Samstag nach Oldenburg gereist.
       
       Die Oldenburger Polizei spricht von einer „Auseinandersetzung“, bei der ein
       19-jähriger Beschuldigter auf einen 27-Jährigen eingeschlagen und ihn
       getreten habe. „Die Ermittlungen dazu laufen noch“, sagt die Polizei, die
       sich mit einer Bewertung ausdrücklich zurückhält: „Informationen über einen
       möglichen homophoben Hintergrund liegen uns derzeit nicht vor“, sagt
       Pressesprecher Stephan Klatte.
       
       Auch der Pressesprecher des CSD Nordwest, Kai Bölle, möchte die Motive und
       Auslöser des Vorfalls angesichts laufender Ermittlungen „nicht bewerten“.
       Dass der Übergriff einen homophoben oder ausländerfeindlichen Hintergrund
       habe, sei derzeit „reine Spekulation“, sagt Bölle. Auch fehlende
       Zivilcourage wolle er niemandem vorwerfen – vor Kurzem habe der Versuch
       einer Streitschlichtung in Oldenburg tödlich geendet.
       
       Es gebe immer wieder „gewalttätige Auseinandersetzungen“ auf dem CSD in
       Oldenburg, sagt Bölle. Zum Teil handele es sich dabei um Beziehungstaten
       oder solche, bei denen Alkohol im Spiel sei. Auch Beleidigungen während des
       CSD seien immer wieder zu hören. „Deswegen machen wir ihn ja“, sagt Bölle,
       der den Vorfall bedauert.
       
       Die Polizei vermeldete gestern vom CSD noch eine „wechselseitig begangenen
       Körperverletzung zwischen zwei 17 und 21 Jahre alten Frauen“, bei der eine
       der beiden eine Kratzwunde im Gesicht und die andere eine leichte
       Augenverletzung davontrug. Sonstige Vorfälle seien nicht bekannt, teilte
       die Polizei mit.
       
       Ein Sprecher der Gruppe „Queeraspora“ findet es „unglaublich und perfide“,
       den Übergriff nicht als homophob einzustufen und fühlt sich nicht nur von
       der Polizei im Stich gelassen, sondern auch von den umstehenden Menschen:
       „Es ist nicht klar, welches ignorante und unsolidarische Motiv die
       restlichen BesucherInnen hatten, ob es Angst oder Desinteresse war“,
       schreibt die Gruppe in ihrer Erklärung. Fakt sei, dass mitten auf dem CSD
       vor allen Leuten ein homophober Angriff auf eine queere Gruppe
       stattgefunden habe. „Und dass es, bis auf ein paar wenige, keinen anderen
       interessiert hat.“ Die notwendige Hilfe, die sich die Gruppe erhofft habe,
       sei nicht gekommen.
       
       20 Jun 2017
       
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   DIR Jan Zier
       
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